Bildungsverfall als Ausdruck soziokultureller Krisenentwicklung

 In Spätkapitalistische Systementwicklung

Bildungsverfall als Ausdruck soziokultureller Krisenentwicklung.

Ein Überblick

 

Einleitung: Unbildung im Gewand aufstiegsideologischer Bildungspropaganda

Landauf, landab verkünden die Funktionäre der politischen Klasse die Parole „Bildung, Bildung, Bildung“ als Allheilmittel der angestauten sozialen Widersprüche. Das klingt oberflächlich gut, aber hinter dem schönen Schein verbirgt sich folgende reale Problemkonstellation:

Die Orientierung auf individuellen Aufstieg durch Bildung (vom „Arbeiterkind“ zum gehobenen Mittelschichtangehörigen oder „Besserverdiener“) wird als ego-strategische Alternative zur Veränderung sozial ungerechter Strukturen und Einkommensverhältnisse sowie dysfunktionaler Hierarchien dargeboten. In dieser Form als angebliches Aufstiegsinstrument im Rahmen der bestehenden, strukturell unveränderten Verhältnisse fungiert die Propagierung von „Bildung“ (besser: formaler Bildungsabschluss) zunächst einmal als manipulatives Ablenkungsmittel zur politischen Ruhigstellung und Passivhaltung breiter Teile der Lohnabhängigen.

Da aber die Zahl begehrter Arbeitsplätze und gut dotierter Berufspositionen stagniert oder gar sinkt, während gleichzeitig prekäre Beschäftigungsformen zunehmen, führt der Anstieg höherer formaler Bildungszertifikate für die konkreten Einzelnen eben gerade nicht zum geplanten Aufstieg. Vielmehr kommt es zur Inflation bzw. tendenziellen Entwertung insbesondere auch höherer Bildungstitel/Schulabschlüsse, die aufgrund ihres Überangebots keinesfalls mehr Garantiescheine für gehobene und einkommensstarke Karrieren sind[1].

Zudem ist zu beachten, dass der aufstiegsideologische Bildungsbegriff ein rein instrumentalistischer ist, der im Grunde nichts mehr mit dem emanzipatorischen Bildungsbegriff Humboldtscher Prägung zu tun hat. Letzterer ist im Anschluss an die Philosophie der Aufklärung auf die allseitige Entwicklung der Persönlichkeit hin zum mündigen, politisch partizipations- und kritisch reflexionsfähigen Weltbürger ausgerichtet, der sich für die Optimierung des demokratisch regulierte Gemeinwesens einsetzt und dessen Werte verteidigt. Der aufstiegsideologische Bildungsbegriff hingegen zerschneidet diese Verbindung von Allgemeininteresse und Individualinteresse und bezieht sich auf formal zertifizierte kapitalfunktionale Qualifikation als Mittel zum Zweck einer rein individualistisch-utilitaristisch abgekapselten Lebensführung unter fremdbestimmten Bedingungen[2]. Dabei fehlt dem heute in den Bildungsinstitutionen vermittelten (kapital-)funktionalen Wissen jede synthetisierende und persönlichkeitsbildende Kraft. „Es bleibt, was es sein soll, Stückwerk – rasch herstellbar, schnell anzueignen und leicht wieder zu vergessen“ (Liessmann 2012, S. 8). Daraus resultiert dann, forciert noch durch den EU-weiten Angleichungsprozess der Hochschulausbildung (Bologna-Prozess), nicht „Halbbildung“, wie sie noch Adorno konstatierte, sondern „Unbildung“ aufgrund der Abwesenheit jeder normativen Idee von Bildung. Unbildung, d. h. subjektabstrakte Vermittlung von funktionalen Wissenskomponenten jenseits jeder Idee von Bildung, ist die notwendige Konsequenz der umfassenden Ökonomisierung der Bildungsinstitutionen und der dadurch bedingten Kapitalisierung des Geistes.

Begreift man Bildung in gesellschaftswissenschaftlicher Perspektive als beständige Vermittlung des objektiv vergegenständlichten und historisch akkumulierten Wissens- und Kulturreichtums an die jeweils nachwachsende Generation[3], dann ist von der Existenz einer echten Bildungskrise mindestens dann auszugehen, wenn die Tradierung/Aneignung elementarer Kulturtechniken und Wissensbestände ernsthaft gestört und gefährdet ist. Dass ein solcher Zustand aktuell und klassen- bzw. schichtübergreifend gegeben ist, lässt sich kaum leugnen: „Kein Zweifel: Die Gesellschaft des digitalen Zeitalters rückt von der Buchkultur ab – und dieser Trend ist unwiderruflich auch bei den sozial Privilegierten angekommen. Die Zahl der jährlich gelesenen Bücher in Deutschland sinkt ebenso wie die Zahl der Bücher pro Haushalt. Bildungsferne Mittelschichten entstehen, in denen trotz guter materieller Verhältnisse kein Wert mehr auf klassische Bildungsinhalte oder genussvolles Lesen gelegt wird. Möglich, dass ein Teil der Eltern hofft, Kulturtechniken würden in einer Art genetischen Vererbung auf ihren Nachwuchs übergehen. Aber die Herkunft allein, das große Haus oder der Sportwagen helfen beim Lesenlernen gar nichts.“[4]

In Verbindung mit (a) der unaufhaltsamen Überalterung und Schrumpfung der Bevölkerung, (b) der überlebten Kapitaldominanz über sämtliche gesellschaftliche Schlüsselbereiche, (c) der durchschnittlichen Verschlechterung der Existenzbedingungen der Lohnabhängigen und (d) der Paralyse des repräsentativ-demokratischen Regulierungsmodells, stellt (e) der zunehmende Bildungsverfall einen zentralen Indikator des gesamtgesellschaftlichen Niedergangsprozesses dar. Hinzu kommt (f) die verfehlte Zuwanderungspolitik einschließlich der daraus resultierenden Etablierung und Verfestigung antisäkular-bildungsferner, aufklärungsfeindlicher, grund- und menschenrechtswidriger Sozialmilieus als katalysierender Faktor.

Der dem Globalisierungsfetisch verfallene postmoderne Kapitalismus der Gegenwart ist dadurch gekennzeichnet, dass er die endogene Krisentendenz, wie sie dem westlich-kapitalistischen Reproduktionsmodell phasenübergreifend zugrunde liegt, unter dem ideologischen Weltmarktbanner des Multikulturalismus durch den Import und die Verflechtung mit vormodern-antiaufklärerischen Herrschaftskulturen kombiniert und so noch weiter potenziert. Unter diesen Bedingungen bringt der von seinen kulturhistorischen Entwicklungsgrundlagen zunehmend abgekoppelte „globalistische“ Kapitalismus objektiv völlig neue politisch-weltanschauliche, wertmäßige und strategische Orientierungen, Konstellationen, Anforderungen, Krisenszenarien und Widerstandstendenzen hervor, die von der heutigen antimarxistisch-wissenschaftsfeindlichen „Umverteilungslinken“[5] nicht mehr viel übrig lassen werden.

Empirische Erscheinungsformen des Bildungsverfalls

Betrachten wir nun im Einzelnen einige Symptome der Bildungsregression:

  1. Laut der Level-One Studie „Literalität von Erwachsenen auf den unteren Kompetenzniveaus“ vom Februar 2011[6] sind etwa 7,5 Millionen Menschen in Deutschland von Analphabetismus bzw. funktionalem Analphabetismus betroffen. Das sind ca. 14,5 Prozent der erwachsenen Bevölkerung im Alter zwischen 18 und 64 Jahren[7]. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich, „dass nur ein halbes Prozent der erwachsenen Bevölkerung auf dem untersten Alpha-Level liegt, also die Wortebene beim Lesen und Schreiben nicht erreicht. Weitere 3,9 Prozent liegen auf dem Alpha-Level 2, erreichen also nicht die Satzebene, sondern können nur wenige Wörter lesen und schreiben. Auf dem folgenden Level befinden sich weitere 10 Prozent der Bevölkerung, die zwar mit kurzen Sätzen umgehen kann, aber an Texten scheitert und sie vor allem vermeidet.“[8]

4,4 Millionen der betroffenen Bevölkerungsgruppe (58%) haben Deutsch als Erstsprache gelernt. Weitere 3,1 Millionen (42%) hingegen eine ausländische Erstsprache. D. h: 42 Prozent der funktionalen Analphabeten sind Zuwanderer (bei einem Migrantenanteil an der deutschen Gesamtbevölkerung von knapp 20%)[9].

Funktioneller Analphabetismus auf den genannten Kompetenzebenen bedeutet eine gravierende Beeinträchtigung sowohl der beruflichen als auch der politischen und kulturellen Teilhabemöglichkeiten der betroffenen Personen. Andersherum betrachtet sinkt das (ökonomische, soziale, politische und kulturelle) Reproduktionsniveau der Gesamtgesellschaft, je größer die Zahl von teilhabeblockierten Gesellschaftsmitgliedern ist. Verwunderlich ist der ermittelte Tatbestand, dass mit 12,3 Prozent auch Menschen mit „höherer Bildung“ einen recht großen Anteil an den Funktionalen Analphabeten stellen. 19,3 Prozent dieser Gruppe besitzen keinen Schulabschluss, und 47,7 Prozent verfügen über untere Bildungsabschlüsse. „Von den Erwerbstätigen sind 12,4% Funktionale Analphabet/inn/en. Unter den Arbeitslosen finden sich 31,9 Prozent.“ Auch unter Rentnern unter 65 Jahren (26,6%) und Erwerbsunfähigen (19%) findet man einen recht hohen Anteil von Funktionalen Analphabeten.

  1. Laut dem Arztreport 2012 der Barmer GEK[10] wird mittlerweile bei jedem dritten Kind im Vorschulalter eine Sprachentwicklungsstörung festgestellt. Bundesweit liegt der Anteil an Kindern mit Sprech- und Sprachstörungen bei 10,3 Prozent. Bei Kindern mit ausländischer Muttersprache waren es nach einer 2004 in Hessen durchgeführten Studie sogar 51 Prozent. „Insgesamt sind innerhalb eines Jahres 1,12 Millionen Kinder zwischen 0 und 14 Jahren betroffen. Dabei fallen die Diagnoseraten bei Jungen durchgängig höher aus: Im sechsten Lebensjahr kommen sie auf einen Anteil von rund 38 Prozent, Mädchen auf 30 Prozent. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der Behandlung: 20 Prozent aller fünfjährigen Jungen erhalten eine Logopädie-Verordnung, dagegen nur 14 Prozent der gleichaltrigen Mädchen.“[11]

Der Bericht „Bildung in Deutschland 2014“ (S. 62) weist auf Basis einer Elternbefragung aus, „dass knapp ein Viertel der 5-Jährigen in einem Sprachtest als förderbedürftig diagnostiziert wurde. Während bei 22% der 5-Jährigen, die zu Hause überwiegend Deutsch sprechen, eine verzögerte Sprachentwicklung festgestellt wurde, sind es etwa 35% der Kinder mit nicht-deutscher Familiensprache.; Kinder aus Elternhäusern mit niedrigem allgemeinbildenden Schulabschluss werden zu 34% als sprachförderungsbedürftig diagnostiziert, Kinder aus Elternhäusern mit mittlerem zu 27% und mit hohem Abschluss zu 14%.“

  1. Wie die Stiftung Lesen bekannt gab, liest ein Viertel aller erwachsenen Deutschen überhaupt keine Bücher mehr. Eine Studie der Stiftung stellte zudem bereits 2001 fest, „dass sich die Zahl der Mütter und Väter, die ihre Kinder systematisch für Bücher zu begeistern versuchen, innerhalb von zehn Jahren von 50 auf 25 Prozent halbiert hatte. Da ist es nur folgerichtig, dass die Hälfte der Sechs- bis Dreizehnjährigen in diesem Land zu Protokoll gibt, ‚nie’, ‚gar nicht gern’ oder ‚nicht so gern’ zu lesen.“[12]Infolgedessen sind die Schulen gezwungen, im Unterricht vereinfachte Versionen von Schul- und Kinderbüchern, aber auch von Klassikertexten einzusetzen, da mit der reduzierten Lesemotivation auch das durchschnittliche Leseverständnis entsprechend gesunken ist.
  2. Aufgrund der durch Werbung, massive Lobbyarbeit und wechselseitige „Ansteckung“ bedingten Durchdringungsmacht der neuen Medien und unterhaltungselektronischen Industrie hat sich nicht zuletzt auch das Freizeitverhalten insbesondere der jüngeren Generation rapide verändert. Digitale Spiele, Smartphones, Surfen im Internet, Kommunikation via SMS, Facebook, Chatrooms etc. bestimmen die Szenerie. Hinzu kommt ein umfangreicher Fernsehkonsum. „In Deutschland liegt die Mediennutzungszeit von Neuntklässlern bei knapp 7,5 Stunden täglich, wie eine große Befragung von 43.500 Schülern ergab. Das Nutzen von Handys und MP3-Playern ist dabei noch nicht mitberücksichtigt“ (Spitzer 2012, S. 11). Eine Viertelmillion der Vierzehn- bis Vierundzwanzigjährigen gilt als internetabhängig, weitere 1,4 Millionen als problematische Internetnutzer.

Insgesamt betrachtet wirkt sich die extensive Nutzung der digitalen Medien negativ auf die kognitive Leistungsfähigkeit und interaktive Konstitution der Menschen aus. Das gilt insbesondere für die „Digital Natives“, die nach 1980 geborenen Kohorten, die mit Computer und Internet aufgewachsen sind. Spitzer referiert zahlreiche Studien, die belegen, dass die Auslagerung geistiger Arbeit auf digitale Datenträger die Gehirnaktivität reduziert und damit die kognitiven und auch sozial-kommunikativen (face-to-face) Kompetenzen schmälert bzw. verkümmern lässt („Digitale Demenz“). So geht durch die Übertragung von Gedächtnis- und Orientierungsleistungen oder Kalkulationen auf externe (Speicher-) Medien vielfach relevantes Experten- und Handlungswissen verloren (oder entsteht erst gar nicht), das in konkreten Situationen dem Subjekt nicht mehr zur Verfügung steht. Je niedriger der mitgebrachte Wissenstand und der dadurch determinierte Fragehorizont, desto eingeschränkter die Informationssuche und desto flacher und enger die (begriffliche) Aneignungstiefe und -breite der Informationsverarbeitung und -bewertung. Die lernrelevante Tiefe und Intensität geistiger Arbeit/Aneignungstätigkeit (durch Hinterfragen, Analysieren, Umstrukturieren und Neukombinieren von Inhalten) wird somit tendenziell durch digitale Oberflächlichkeit und Flüchtigkeit (Surfen, Copy and Paste) ersetzt.

  1. Jedes Jahr verlassen ca. 50.000 Jugendliche das Schulsystem ohne Abschluss. Andererseits gaben 2010 im Rahmen einer Untersuchung der Deutschen Industrie und Handelskammer 54 Prozent der über 15.000 antwortenden Unternehmen an, aufgrund von gravierenden Defiziten der Auszubildenden eine betriebsinterne Nachhilfe durchzuführen. Dabei betreffen die Defizite nicht nur Mängel in den Elementarbereichen Lesen, Rechtschreibung und Rechnen, sondern auch in den sog. Schlüsselqualifikationen wie Disziplin, Teamfähigkeit und Pünktlichkeit.

Zwar ist in den letzten Jahren die formale Zahl der Schulabbrecher gesunken[13], aber dabei könnten auch gesunkene Anforderungs- bzw. Leistungsbewertungsstandards eine ausschlaggebende Rolle spielen. Ein formaler Schulabschluss bedeutet deshalb nicht automatisch, dass auch eine Ausbildungsfähigkeit vorliegt. Im Schuljahr 2012/2013 verließen 6,4% der Schüler mit Migrationshintergrund die Schule ohne Abschluss, bei einheimischen Schülern lag der Anteil bei 2,1%.

Wie eine Langzeitstudie der BASF (2009) über Rechtschreib- und elementare Rechenkenntnisse bei Ausbildungsplatzbewerbern zeigt, betrug der durchschnittliche Anteil richtiger Lösungen im Bereich Rechtschreibung im Jahr 1975 bei Hauptschülern 51% und 2009 38,7%. Bei Realschülern lag der Anteil bei 75,2% und 2009 bei 58,2%. Beim elementaren Rechnen lag der durchschnittliche Anteil richtiger Lösungen 1975 bei Hauptschülern bei 72,5% und 2009 bei 45,5%. Bei Realschülern betrug er 1975 75,8% und 2009 56,3%.

Die Ausbildungsbetriebe reagieren auf das abgesunkene Kompetenzniveau des auch quantitativ reduzierten Nachwuchses[14] mittlerweile dahingehend, dass sie aus der Not eine Tugend machen, die kaum noch aussagekräftigen Schulnoten[15] einfach ignorieren und eigene Eignungstests durchführen.

  1. Schon laut einer Umfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft unter 1.435 Hochschullehrern aus dem Jahr 2001 war ein Drittel der Studienanfänger nach dem Dafürhalten der Dozenten nicht studierfähig. Den Neustudenten wurden insbesondere ein Mangel an Denkvermögen und eine schlechte Beherrschung der Muttersprache angelastet, während man ihnen ein besseres Zurechtkommen mit Computer und Internet bescheinigte. Die befragten Hochschullehrer beklagten, dass die Schule den Studienanfängern nicht das nötige Rüstzeug vermittelt hätte, insbesondere hinsichtlich analytischem Können, Abstraktionsvermögen, Kreativität und Sprachvermögen. Das Zeug zu einem guten Studenten wurde dem Bericht zufolge nur 24,5% der Neulinge zugeschrieben, mittelmäßige Fähigkeiten 41 Prozent[16].

Bei einem Grammatiktest unter Anfängern des Germanistikstudiums in Bayern (Lehramt für Realschule und Gymnasium), der an allen Landesuniversitäten Anfang des Wintersemesters 2006/2007 durchgeführt wurde, ergab sich, dass mehr als zwei Drittel der Getesteten nicht den Kenntnisstand von Fünft- und Sechstklässlern erreichten[17].

Angesichts eines eklatanten Widerspruchs zwischen guten Abiturnoten einerseits[18] und gravierenden Kompetenzmängeln von Studienanfängern in geisteswissenschaftlichen Fächern andererseits[19] wurde seitens des Vorsitzenden des Philosophischen Fakultätentages, Professor Gerhard Wolf (Altphilologe), eine Umfrage unter über hundert Dozenten aus den Bereichen Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften durchgeführt. Das Ergebnis dieser Studie war so niederschmetternd bis desaströs, dass die Details nicht komplett veröffentlicht wurden. Dennoch wurde in mehreren Interviews und in Auszügen Folgendes offenbart: Aufgrund gravierender Defizite in den Bereichen Sprach-, Lese- und Schreibkompetenz erscheinen in Geistes- und Kulturwissenschaften „Studierende, die kaum einen syntaktisch und grammatisch stabilen Satz produzieren können.“ Da der aktive Wortschatz auf wenige hundert Ausdrücke schrumpft, die penetrant wiederholt werden, ist „Verstehendes Lesen (…) eine Kunst, die kaum eine/r unserer Erstsemester beherrscht.“ „Das Wagnis, ein komplexeres Satzgefüge zu bilden, endet regelmäßig in peinlichen Niederlagen.“ „Eine wachsende Gruppe von Studierenden ist den Anforderungen des von Ihnen gewählten Studiengangs intellektuell nicht gewachsen.“ „Die mangelnde Studierfähigkeit zeigt sich vor allem in der stark unterentwickelten Fähigkeit, kompetent und souverän mit der (deutschen) Sprache umzugehen.“ [20] U.s.w.

Grundsätzlich bestätigen diese Befunde die kritischen Einschätzungen zu den Auswirkungen der digitalen Mediennutzung: „Die Studenten kommunizieren auf eine Art, die dem sorgfältigen Lesen und Schreiben im Wege steht. Damit meine ich vor allem Kurznachrichten per SMS und Twitter. Die können sich kaum noch längere Zeit auf eine Sache konzentrieren. Ihr Manko ist ihnen zwar bewusst, trotzdem scheint sie unser Anspruch an Sorgfalt zu nerven.“ (ebd.) Die Texte der studierenden Digital Natives, so auch der Philosophieprofessor Gernot Böhme von der TU-Darmstadt, „entbehrten oftmals jeglicher Argumentation und Interpretation, sondern seien nur noch ‚Flickenteppiche von Zitaten und aphoristischen Überlegungen‘. Abgespeicherte Daten würden zwar abgerufen, aber in keinen wirklichen Sinnzusammenhang mehr gebracht.“[21]

Aber auch in den naturwissenschaftlichen Fächern scheint es nicht besser auszusehen: „Ingenieurstudenten können nicht mehr ohne Taschenrechner rechnen, Architekten können nicht mehr zeichnen, Mediziner können keinen Arztbericht mehr formulieren.“

Um die Diskrepanz zwischen schulisch/gymnasial vermitteltem Lernniveau und universitärem Anforderungsniveau zu mildern bzw. Defizite auszugleichen, werden an manchen Hochschulorten Brückenkurse in den Fachbereichen Mathematik und Physik angeboten. Nach Einschätzung von Osnabrücker Dozenten dieser Brückenkurse besteht das Hauptproblem darin, dass immer mehr Studenten nicht auf das vorbereitet sind, was sie erwartet. „Erstsemester rechnen nicht damit, dass das Studium mit großem Lernaufwand verbunden ist.“ Auf Warnungen im Vorkurs reagierten die Abiturienten folgendermaßen: „Dann folgt häufig ein müdes Lächeln. Viele wollen das nicht glauben Der Schock kommt im ersten Semester.“ Aufgrund des ungewohnt höheren Lerntempos im Vergleich zur Schule kapitulieren dann viele: „Bis zum dritten Semester bleiben nur noch rund zwei Drittel der Physikstudenten übrig. Brenner sagt sogar, nach seiner Einführungsvorlesung mache nur etwa jeder zweite Mathematikstudent weiter[22].“

Der Bildungsbericht 2014 (S. 132) stellt fest, dass der Studienabbruch in Bachelorstudiengängen insgesamt relativ hoch bei 28% liegt. In den universitären Ingenieurstudiengängen sowie in der Fächergruppe Mathematik, Naturwissenschaften liegt die Abbruchquote bei 36%.

  1. Der soziokulturell bedingte Verfall der Lese- und Rechtschreibkompetenzen wird darüber hinaus durch inadäquate und dysfunktionale pädagogisch-didaktische Konzepte zusätzlich verstärkt und beschleunigt. Was im Gewand der methodischen Innovation auftritt, generiert oftmals gerade auf dem Gebiet der schulischen Rechtschreibmethodik eine regelrechte Regression. Experten sprechen gar von einer „Rechtschreibkatastrophe“. Ausschlaggebend ist hier die Desavouierung und Außerkraftsetzung des gerade für das Lesen- und Schreibenlernen unhintergehbaren handlungsorientierten Konzepts des gezielten Übens bzw. übenden Festigens und Automatisierens im Rahmen sachgerecht strukturierter Unterrichtsstunden durch das anarcho-spontaneistische Konzept des Schweizer Pädagogen Jürgen Reichen (1939-2009). Dessen Kernprinzip lautet: „Kinder lernen umso mehr, je weniger sie belehrt werden“. Gemäß dieser „ Lesen durch Schreiben“ genannten methodischen Utopie des Selbsterlernens lassen die Lehrer jedem Grundschulkind die frei Wahl, „welchen Buchstaben es als Nächstes lernen will; in der ‚Rechtschreibwerkstatt’ muss selbst der Schwächste darüber entscheiden, mit welcher Rechtschreibregel er sich nun beschäftigen will.“[23] Das damit induzierte „orthographische Chaos wird als ‚Privatschreibung’ des Schülers beschönigt“; „Rechtschreibfehler (werden) mindestens ein Jahr lang, oft auch noch deutlich länger, nicht oder nur unregelmäßig angestrichen“[24].

In mehreren Vergleichsstudien konnte gezeigt werden, dass die selbstgesteuerte „Privatschreibungsmethode“ von Reichen u. a. gegenüber herkömmlichen Methoden deutlich schlechtere Lernergebnisse hervorbringt.

Insgesamt lässt sich folgender Entwicklungstrend konstatieren: In einer Langzeit-Vergleichsstudie mit Viertklässlern in Nordrhein-Westfalen wurde den Schülern, die nach sozialer Herkunft in Obere Mittelschicht, Untere Mittelschicht und Unterschicht erfasst wurden, ein zweiminütiger Film gezeigt. Danach hatten sie eine Stunde Zeit, darüber zu schreiben. Gezählt wurden dann die Fehler pro 100 Wörter. 1972 lag der Mittelwert bei 6,9 Fehlern (Unterschicht: 7,2), 2002 bei 12,3 Fehlern (Unterschicht: 16,5) und 2012 bei 15,9 Fehlern (Unterschicht: 18,8). Die Unterschichtkinder 1972 waren deutlich besser als die Kinder der oberen Mittelschicht 2002 (12,3) und 2012 (15,9).

  1. Mit dem Absinken des kognitiven und sozialkommunikativen Niveaus infolge intensiver (Über-)Nutzung digitaler Medien sowie dem Rückgang von Rechtschreib- und Lesekompetenzen verringert sich auch die durchschnittliche Aufnahme- und Verarbeitungskapazität historisch-politischen Wissens und damit die subjektive Motivations- und Fähigkeitsbasis für demokratische Partizipation und bürgerschaftliches Engagement.

Das bedeutet auch: Die intellektuellen Prämissen und Potenziale für die Herausbildung praktisch-kritischer Tätigkeit als Voraussetzung zukünftiger progressiver Widerspruchsverarbeitung und Gesellschaftsveränderung versiegen zunehmend und verschlechtern sich überdies durch die Erhöhung des Anteils religiös-autoritär sozialisierter Zuwanderer an der Gesamtbevölkerung.

So ließ eine groß angelegte, 2012 publizierte Studie mit dem Titel „Später Sieg der Diktaturen? Zeitgeschichtliche Kenntnisse und Urteile von Jugendlichen“[25] gravierende Wissenslücken erkennen. Quantitativ betrachtet konnten die befragten Jugendlichen nur gut ein Drittel der Wissensfragen richtig beantworten. Dabei zeigte sich, „dass Jugendliche mit in der Bundesrepublik geborenen Eltern mehr wissen als ihre Altersgenossen mit in der DDR geborenen Eltern“ (Freie Universität Berlin 2012, S. 3).

Den geringsten Kenntnisstand wiesen Migrantenkinder auf, d. h. Schüler mit mindestens einem ausländischen Elternteil. Qualitativ wurde zum Beispiel deutlich, dass knapp 40% der Jugendlichen (Schüler aus Migrantenfamilien: knapp 50%) nicht zwischen den charakteristischen Merkmalen und Dimensionen von demokratischen und diktatorischen Systemen differenzieren können. Generell verdeutlichte die Studie: Je höher der Anteil von Migrantenkindern, desto schlechter das Abschneiden der (vor allem in der alten Bundesrepublik gelegenen) Schulstandorte. Knapp 10% der befragten Schüler ohne Migrationshintergrund hatte ein positives Bild vom Nationalsozialismus, ca. 25% ein neutrales Bild dieser Diktatur. Aufgrund ihrer überwiegend autoritär-konservativen Sozialisation nicht überraschend, „beurteilen Migrantenkinder, insbesondere die mit türkischen/kurdischen Eltern, den Nationalsozialismus deutlich besser als ihre Altersgenossen (12,7% bzw. 15,6% positive Urteile). Eltern aus dem Nahen Osten votieren sogar mit 17,8% positiv über den Nationalsozialismus“ (ebenda, S. 4). Die Behauptung einer Gleichwertigkeit demokratischer und diktatorischer Systeme lehnen nur gut 40% der Kinder türkischer/kurdischer Eltern ab, „aber fast 63% der Jugendlichen mit Eltern aus Mittel- und Osteuropa“ (ebenda, S. 5).

Negativ beachtlich ist auch der folgende Befund der Studie: Zwar bevorzugen die Schüler die Eigenschaften eines liberalen Staates, sind aber kaum dazu fähig, gegensätzliche politische Systemmerkmale zu identifizieren. „Damit zeigt sich in diesem Untersuchungsteil, dass die Schüler nicht einmal in der Lage sind, die von ihnen persönlich für wichtig gehaltenen Werte oder deren Gefährdungen in der Realität zu erkennen“ (ebenda, S. 8).

 

Bologna-Prozess

1999 wurde in Bologna von 29 europäischen Bildungsministern eine programmatische Erklärung verabschiedet, die eine Angleichung der europäischen Hochschulausbildung mit vereinheitlichten Abschlüssen vorsah, und zwar im expliziten Interesse der weltmarktorientierten Stärkung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit sowie der Förderung arbeitsmarktbezogener Qualifizierung und Mobilität.

Kernaspekt dieser Angleichung ist ein zweistufiges Modell berufsqualifizierender Studienabschlüsse (Bachelor und Master) sowie eine auf Beschäftigungsfähigkeit (Employability) abzielende Gestaltung des Studiums auch in nicht unmittelbar wirtschaftsaffinen Studienfächern. (Unterordnung aller Studiengänge unter die marktorientierten Nutzenkalküle von Unternehmen.) Preisgegeben wurde damit das Konzept der auf wissenschaftliche Bildung ausgerichteten Universität und ersetzt durch das angelsächsische Modell der Berufsausbildungsinstitution. „Das deutsche kontinentaleuropäische Universitätssystem, dessen Eckstücke in der Bildung durch Wissenschaft, durch den Gedanken des forschenden Lernens, die Idee der akademischen Freiheit und die Beschränkung des Eingriffs in das studentische Lernen auf eine Abschlussprüfung bestanden, ist ersetzt worden durch das dem atlantischen Hochschulverständnis entliehene Modell universitärer Einrichtungen als Berufsausbildungsinstitutionen für eine nicht nur akademische Ausbildung. Dies kann als einzigartiger ‚Sieg‘ der britisch-amerikanisch akzentuierten Universitätsvorstellungen über das klassische Universitätsideal deutscher Provenienz gelten“ (Lenzen 2014, S. 9).

Die Umsetzung dieses Konzeptes führte im Zuge der Demontage des klassischen Universitätskonzepts zu einer weitgehenden Verschulung des Studiums mit geringen studentischen Freiheitsgraden bzgl. der Stoffaneignung, verkürzter Studiendauer, Prüfungsstress, geringer kritischer Reflexion des Lernstoffs infolge von Zeitmangel und nicht zuletzt zu einer Kastrierung der lernenden Einübung von kritisch-hinterfragender Vernunft und gegenläufigem Denken. „Man fügt einige Basismodule Philosophie und Ethik zu einigen Modulen Betriebswirtschaftslehre und Managementtechniken – schon ergibt sich ein wunderbarer Studiengang ‚Business Ethics‘. Angeblich retten solche Kombinationen an vielen universitären Einrichtungen die ansonsten schwer gefährdete Philosophie. Wieviel allerdings von einer Philosophie zu halten ist, die ihrer Rettung durch die Ökonomie harrt, bleibt dahingestellt“ (Liessmann 2012, S. 112).

 

Ursachen des Bildungsverfalls

Fokussiert man nun die hauptsächlichen Ursachen für die zuvor skizzierte mehrdimensionale Bildungsregression, dann sind hier folgende Kausalfaktoren hervorzuheben:

  1. Der Zerfall der „Normalfamilie“ als vergleichsweise relativ „heile“ Agentur der Primärsozialisation infolge der neoliberal-kapitalistischen Deregulierung von Beschäftigungsverhältnissen, der wachsenden Arbeitsmarktkonkurrenz, der Zunahme von prekären Arbeitsverhältnissen, der Verteuerung der Lebenshaltungskosten und der daraus resultierenden deutlichen Zunahme von Doppelverdienerhaushalten etc. Daraus ergab sich und verstärkt sich ein neuartiger Anforderungsdruck bezüglich der gemeinsamen Bewältigung des familialen Alltagslebens. So wird z. B. angesichts der divergierenden institutionellen Zeitregime, denen die Familienmitglieder ausgesetzt sind, die Integration der einzelnen Lebensführungen zu einer gemeinsamen Lebensführung zu einer anspruchsvollen und spannungsgeladenen Aufgabe. Eltern und Kinder begegnen sich immer seltener, ihre Kommunikation bzw. erzieherisch relevante Kontaktdichte wird ausgedünnt, die sprachvermittelte Eltern-Kind-Koordination erodiert.

Infolgedessen hat sich vielfach auch das „entspannte Feld“ der zwar elterlich, zumeist mütterlich kontrollierten, aber dennoch relativ autonomen und individuell gestalteten außerschulischen Freizeit aufgelöst, in der „unfunktionales“ Lesen und Spielen ohne Computer noch Spaß machte und Spielkameradschaften und Freundschaften noch jenseits vom „Taxi Mama“ sowie Aufenthaltskontrolle via Handy selbst hergestellt wurden. An die Stelle selbsterkundender und übender Identitätsentwicklung ist nun in Ermangelung heimischer Aufsichtspersonen das nivellierende und tendenziell entindividualisierende Panoptikum des Horts und der Ganztagsschule mit einem oftmals überforderten Betreuungspersonal getreten. Folgende kritischen Anmerkungen sind hier geboten: Der Trend zur fremdbestimmten und überwachten Dauervergemeinschaftung von Kindern und Jugendlichen mag zwar immer noch besser sein als die in vielen oftmals bildungsfernen Zuwanderermilieus praktizierte autoritär-patriarchalische, gehorsamsfixierte, anregungsarme und sprachdefizitäre Familiensozialisation. Andererseits kann aber ein kontinuierliches Übermaß an vorgegebenem (unfreiwilligem) Gruppenaufenthalt die auch entwicklungspsychologisch relevante Balance zwischen Selbstorientierung (Für-sich-sein-Wollen) und Kollektivorientierung (Mit-anderen-zusammen-sein-Wollen) negativ beeinflussen[26]. Hinzu kommt, dass die Qualität der pädagogischen Betreuung in Krippen, Kindergärten, Horteinrichtungen etc. oftmals mangelhaft ist. So hält die „Nationale Untersuchung zur Bildung, Betreuung und Erziehung in der frühen Kindheit“ (NUBBEK 2012[27]) fest, dass in den Bildungsbereichen Literalität, Mathematik, Naturwissenschaft und interkulturelles Lernen über 50 Prozent der untersuchten Kindergarten- und altersgemischten Gruppen eine unzureichende Qualität aufweisen. „Bei einem höheren Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund in den Gruppen zeigen sich in allen IQS-Maßen (…) niedrigere Werte der pädagogischen Prozessqualität“ (S. 8). Die Untersuchung stellt aber auch fest, dass der Bildungs- und Entwicklungstand der Vorschulkinder stärker mit Merkmalen der Familie als mit Merkmalen der außerfamiliären Betreuung zusammenhängt und somit überzogene Erwartungen an den kompensatorischen Effekt von Betreuungseinrichtungen unrealistisch sind.

Zudem ist folgender politischer Handlungswiderspruch festzustellen: Während die Regierenden einerseits auf die Kindergarten- und Vorschulerziehung als nachsorgenden Allheilmechanismus setzen, der angeblich häuslich-primärsozialisatorische Defizite komplett ausgleichen kann, hat die Einführung des Betreuungsgeldes gezeigt, dass gerade Migrantenfamilien und bildungsferne Eltern den dadurch gewährten Mitnahmeeffekt nutzen und es in großer Zahl unterlassen, ihre Kleinkinder unter drei Jahren in die Kita zu schicken. Die Geldprämie setzt also vor allem für jene Milieus falsche Anreize, für deren Kinder Sprachförderung und Bildungsanregung besonders nötig wären.

  1. Die wachsende Durchdringungs- und Prägungsmacht der technologisch runderneuerten spätkapitalistischen Werbe-, Freizeit- und Medienindustrie mit dem Effekt, dass Fernseher, Computerspiele, Handyverfügbarkeit, SMS und Chat-Room in Kombination mit den so auf neue Weise ermächtigten Peers zu „eigentlichen“ Sozialisationsinstanzen avancieren. Schon im Jahr 2000 hatte bei der Altersgruppe zwischen 14 und 29 Jahren der PC den Büchern den Rang abgelaufen. Fünf Jahre zuvor hatte es unter den Jugendlichen noch doppelt so viele Buchleser wie PC-Benutzer gegeben. Längst sind Kinder und Jugendliche als relevante Zielgruppe der Programm-Macher und Werbefachleute „entdeckt“ worden. Nach einer Grundlagenstudie von ARD und ZDF aus dem Jahr 2004 hatte sich zu diesem Zeitpunkt der Anteil der Kinder, die über ein eigenes Fernsehgerät verfügten, mit 39 Prozent seit 1990 mehr als verdoppelt. Generell gilt, dass die Massenmedien längst zum zentralen Multiplikator und „Vernetzer“ ästhetischer Muster der szenetypischen Selbstinszenierung und Lebensgestaltung geworden sind und damit die Ausbildung von Jugendkulturen entscheidend bestimmen.

Auf der anderen Seite hat sich in den Medien und Schulbuchverlagen eine neue Spezies von Berufsvulgarisierern und Profivereinfachern herausgebildet, die den allgemeinen Bildungsrückgang massenpädagogisch dolmetscht und marktgerecht umsetzt. Aus der Not defizitärer Sozialisationsverläufe wurde eine profitable Tugend gemacht; auf orthographische Kompetenzmängel wurde mit einer gewinnträchtigen Rechtschreibreform geantwortet; auf die schwindende Fähigkeit, komplexere Texte zu lesen und sich differenziert auszudrücken (Vermassung des „restringrierten Codes“) reagierte man mit einer „unterhaltungspädagogischen“ Absenkung des Anforderungsniveaus; „wer forderte, daß sich die Schule auf die Vermittlung zentraler kognitiver Fähigkeiten konzentrieren sollte, anstatt unter dem Diktat eines mutwillig vom Zaun gebrochenen virtuellen Wettbewerbs mit Lustbarkeitsangeboten aller Art zu werben, wurde als Kulturpessimist, als rückständig und reaktionär gebrandmarkt.“ (Liessmann 2012, S. 77). D. h. die rückschrittlichen Demonteure des emanzipatorischen Bildungskonzeptes warfen sich selbst das Mäntelchen des „Reformers“ um.

  1. Die angesichts der demographischen Veränderungen (Zunahme der älteren und Abnahme der jüngeren Alterskohorten vor dem Hintergrund einer Reduzierung des Bevölkerungsumfangs/„Schrumpfvergreisung“) häufig und zum Teil durchaus zutreffend erhobene Forderung nach „mehr Zuwanderung“ kontrastiert auffällig mit der realen Konstitution der aktuellen Zuwanderungspopulation. Denn zu konstatieren ist das Anwachsen einer großen Schicht bildungsferner, desintegrierter und weltanschaulich-normativ divergenter Zuwanderer mit einem zumeist orthodox-islamischen (vormodernen) Sozialisationshintergrund und einem starken Anomiepotenzial. Das bedeutet: Die Gesamtbilanz der akkumulierten Zuwanderung fällt in Deutschland eindeutig negativ aus. So „hatte sich innerhalb von 15 Jahren – vom Schuljahr 1965/66 bis zum Schuljahr 1980/81 – die Gesamtzahl der ausländischen Schüler verzwanzigfacht: von 35.000 auf 637.000. Insgesamt sind 53 Prozent der ca. 2,5 Millionen türkischstämmigen Einwohner über den Familiennachzug nach Deutschland gekommen. (…) Da in der Türkei von 1955 bis 1975 die Bevölkerungszahl von 24 auf 40 Millionen Menschen gestiegen war – was einem Wachstum von 2,4% jährlich entsprach – hatte (und hat) der türkische Staat ein großes Eigeninteresse an der Auslagerung eines Teils seiner Überbevölkerung. Damit profitierte er zum einen unmittelbar durch die Entlastung des eigenen Arbeitsmarktes und zum anderen zusätzlich durch Deviseneinnahmen sowie durch Gratismodernisierung in Form reimportierter Qualifikationen“ (Krauss im Anschluss an Luft 2008, S. 348f.).

Im Vergleich mit anderen Migrantengruppen schneidet die Großgruppe der türkisch-muslimischen Zuwanderer im Hinblick auf ihren Integrationsstand mit Abstand am schlechtesten ab[28]. „Besonders alarmierend sind der hohe Anteil von Personen ohne Bildungsabschluss und die sehr hohe Erwerbslosigkeit unter den Jugendlichen. In kaum einem Bereich verläuft die Integration dieser Herkunftsgruppe wirklich gut“ (Berlin-Institut 2009, S. 36). Der 8. Bericht der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration über die Lage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland (Juni 2010, S. 126) hält fest: „Während nur 15 % der Bevölkerung ohne Migrationshintergrund im Alter von 20 bis 64 Jahren keinen beruflichen Abschluss haben, gilt dies für 44% der Befragten mit Migrationshintergrund. Am höchsten liegt der Anteil der Unqualifizierten mit 72 % bei den in Deutschland lebenden Menschen türkischer Herkunft, von denen fast jede/r Fünfte (18,2 %) Deutsche/r ist.“

Aktuell hat sich die Lage kaum verbessert: „68 Prozent der Türken im erwerbsfähigen Alter (…) haben bis heute keinen beruflichen Abschluss, 33% nicht einmal einen Schulabschluss. (…) Jeder fünfte aus der Türkei zugewanderte und noch in Deutschland lebende Mann und jede dritte Frau haben weder einen Schul- noch einen Berufsabschluss. Das ist mehr als in jeder anderen Migrantengruppe. Der Anteil hat sich weder bei den Männern noch bei den Frauen im Vergleich der Daten von 2005 zu 2010 stark verändert“ (Berlin-Institut 2014, S. 30f.). In der Gruppe der 30- bis unter 35-Jährigen bleiben immer noch 53% der türkischstämmigen Personen ohne beruflichen Abschluss. (Vgl. Bildungsbericht 2014, S. 41).

Aufgrund des geringen Qualifikationsniveaus ist auch der Anteil der Langzeitarbeitslosen (Erfahrung mit länger als 12 Monate andauernder Arbeitslosigkeit) bei männlichen Türken mit 43,6% besonders hoch (zum Beispiel im Vergleich zu Polen mit 28,9%).[29]

Generell sind bundesweit Menschen mit Migrationshintergrund zwei- bis dreimal so häufig arbeitslos wie Einheimische und mehr als doppelt so häufig auf staatliche Transferleistungen angewiesen wie Personen ohne Migrationshintergrund.

Dabei liegen Menschen mit türkischem Migrationshintergrund bei fast allen Arbeitsmarktindikatoren deutlich unter dem Durchschnitt aller Migranten[30]. „In keiner anderen Gruppe finden sich weniger Erwerbspersonen, nirgendwo ist der Anteil der Hausfrauen höher und sind weniger Erwerbstätige im öffentlichen Dienst und in Vertrauensberufen beschäftigt“ (Berlin-Institut 2014, S. 46).

Während türkisch-muslimische Zuwanderer einerseits im Durchschnitt das schlechteste Qualifikationsprofil und deshalb eine besonders hohe Rate von Arbeitslosengeld-II-Beziehern aufweisen, leben sie andererseits vergleichsweise in größeren Bedarfsgemeinschaften mit einem höheren Kinderanteil und daraus resultierend mit einem höheren Transfereinkommen.

Im Vergleich zu ausländischen Männern haben ausländische Frauen „häufiger keine abgeschlossene Berufsausbildung (56% zu 40%). Dies ist vor allem bei türkischen Frauen der Fall (70%); der entsprechende Anteil liegt bei Polinnen nur bei 24%“ (BAMF: Fortschritte der Integration 2010, S. 15f.). Damit korrespondiert, dass Türkinnen sehr viel seltener ganz- oder halbtagserwerbstätig sind als Frauen anderer Ausländergruppen (aus Polen, Italien, Ex-Jugoslawien und Griechenland).

Trotz ihres mit Abstand niedrigstem Bildungsniveau im Vergleich zu anderen Zuwanderergruppen weisen Personen türkischer Herkunft die geringsten Teilnahmequoten an Weiterbildungsmaßnahmen auf. (Vgl. Bildungsbericht 2014, S. 146).

Eine Ländervergleichsstudie der Kompetenzen von Grundschülerinnen und -schülern der vierten Jahrgangsstufe in den Fächern Deutsch und Mathematik kam nicht umhin, signifikante Leistungsunterschiede in Abhängigkeit von der Höhe des Migrantenanteils je Bundesland einzuräumen. Bei näherer Betrachtung zeigte sich, dass nicht der Migrantenanteil an sich, sondern ein spezifischer Anteil ausschlaggebend ist. So ergab sich zwischen den Schülerleistungen und den Anteilen von Kindern mit Eltern aus EU-Staaten kein erkennbarer Zusammenhang. „Ganz anders sieht es indessen aus, wenn man den Anteil der Migranten aus der Türkei, dem Nahen und Mittleren Osten und Afrika in den Blick nimmt (in Bayern 5 Prozent, in Bremen 11,7 Prozent). Hier ist der Zusammenhang zwischen Schülerleistungen und Migrantenanteil hochsignifikant negativ. Tatsächlich wird die Variation in den Schülerleistungen zwischen den Bundesländern zum größten Teil allein durch die Variation in den Anteilen von Migranten aus der Türkei, dem Nahen und Mittleren Osten und Afrika erklärt.“[31]

Sowohl in den Kompetenzbereichen des Lesens und Zuhörens als auch in Mathematik wiesen Kinder türkischer Herkunft die größten Leistungsnachteile auf[32].

Der schwache Bildungserfolg der türkischen Migrantengruppe wird aufgrund eines stereotypen Vorurteils in Form der verschwörungstheoretischen „Benachteiligungsthese“ immer wieder einseitig dem deutschen Bildungssystem angelastet, während der soziokulturelle Effekt der islamisch-patriarchalisch normierten und gegenüber der westlich-säkularen Lebensumwelt divergenten Familiensozialisation ausgeblendet bleibt. Ein bildungsfernes Elternhaus an-und-für-sich determiniert aber nicht zwangsläufig und monokausal einen Bildungsmisserfolg, wie Kinder nichtislamischer Zuwanderer belegen. So haben im krassen Gegensatz zu den Türkischstämmigen die russlanddeutschen Aussiedler der zweiten Generation bei relativ ähnlicher soziökonomischer Ausgangslage schon zu 47% eine Hochschulreife erlangt – ein weiterer Beleg für die Unangemessenheit des monokausalen Ökonomismus als Abwehrargument gegenüber soziokulturellen, darunter religiös-kulturellen Einflussfaktoren.[33] Flaig (2013, S. 36) verweist zutreffend auf das Beispiel ostasiatischer Zuwanderer. Deren Bildungs- und Integrationsverlauf zeigt, dass eine ungünstige soziale Situation keinesfalls die schulischen und beruflichen Chancen kausalmechanisch determiniert. „Jugendliche ostasiatischer Herkunft sind im Durchschnitt weitaus leistungswilliger und darum sozial erfolgreicher als arabische und türkische. Bei gleicher sozialer Lage divergieren die kulturellen Dispositionen dramatisch.“

Die soziokulturelle Desintegration zahlreicher Muslime lässt sich schlaglichtartig auch auf der Ebene subjektiver Einstellungen, hier nur bezogen auf die Türkischstämmigen in Deutschland (TiD) ablesen[34]:

So stimmten 2012 72% der TiD der Aussage zu: „Der Islam ist die einzig wahre Religion“. 2010 waren es 69%.

2010 stimmten „nur“ 33% der TiD der folgenden Aussage zu:

„Ich wünsche mir, dass in Deutschland irgendwann mehr Muslime als Christen wohnen.“ 2012 waren es nun 46%.

Speziell in Deutschland, vor dem Hintergrund der Beschneidungsdebatte und der damit verbundenen medialen Hetzkampagne gegen Atheisten sowie angesichts des Umstandes, dass von „gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“ fast immer nur in Bezug auf Muslime als Objekt gesprochen wird (Heitmeyer u. a.), ist das folgende Ergebnis besonders zu gewichten:

„Atheisten empfinde ich als minderwertige Menschen“ Zustimmungsrate 2012: 25%; 2010: 22%.

„Juden empfinde ich als minderwertige Menschen“. Zustimmungsrate 2012: 18%; 2010: 14%.

Bemerkenswert ist auch folgender Befund: 31% 2010 und 46% 2012 stimmten der folgenden Aussage zu:

„Wenn ich in Deutschland im Falle der Arbeitslosigkeit keine Sozialleistungen bekommen würde, würde ich sofort in die Türkei gehen.“

45% der Türken in Deutschland stehen der kostenlosen Koranverteilungsaktion der Salafisten positiv gegenüber, 22% äußerten auch eine Spendenbereitschaft für diese Aktion (bei den 15- bis 29-Jährigen waren es sogar 36%).

Wer also jetzt noch sagt „Wehret den Anfängen“, hechelt der realen Entwicklung weit hinterher.

Die negative Synergie der angeführten Faktoren und Zusammenhänge wirkt sich im Schulsystem in Form des Sinkens der Nettolernrate pro Unterrichtszeit (Stunde, Schuljahr, Gesamtschulzeit) aus: Je geringer die durchschnittlichen sprachlichen Voraussetzungen und je höher die mitgebrachten Aufmerksamkeits- und Verhaltensdefizite sowie die kulturell-normativen Diskrepanzen, desto bescheidener das Lernergebnis gemessen an Umfang und Aneignungstiefe des behandelten Lernstoffs[35] Das bedeutet auch: In dem Maße, wie der Gesamtdurchschnitt des Bildungsniveaus sinkt, sind auch die Noten und Zertifikate zunehmend weniger aussagekräftig im Hinblick auf den wahren Leistungshintergrund. Generell ist davon auszugehen, dass die Schulen oftmals schlicht überfordert sind, die bereits schon zum Zeitpunkt des Schuleintritts vorhandenen (primärsozialisatorisch bewirkten) Entwicklungsprobleme der Kinder in ausreichendem Maße zu kompensieren. Zwar lassen sich noch mit großem Förderaufwand verbundene leichte Verbesserungen im unteren Leistungsbereich erzielen, aber insgesamt ist eine stagnative Verfestigung des auch im internationalen Vergleich relativ dürftigen Leistungsniveaus feststellen[36]

Folgen des Bildungsverfalls

Das Absinken des durchschnittlichen Bildungsniveaus führt tendenziell nicht nur (a) zu einer Reduktion der Produktivität und Kreativität des gesellschaftlichen Gesamtarbeiters und damit zu einer ökonomischen Leistungsfähigkeitseinschränkung. Es paralysiert auch (b) die geistig-moralischen Ressourcen und subjektiven Überzeugungsgrundlagen einer demokratischen Gesellschaft, die hinsichtlich ihres Funktionierens unverzichtbar auf die Teilhabekompetenz und -motivation sowie die entsprechenden ethisch-politischen Einstellungen ihrer Mitglieder angewiesen ist.

Wenn das heutige Schulsystem eine schleichende Transformation von einer Stätte der Bildung und Wissensvermittlung zu einer sozialtherapeutischen Reparaturwerkstatt primärsozialisatorischer Sprach- und Verhaltensdefizite durchläuft, elementare Kulturtechniken wie Schreiben, Lesen und (Kopf-)Rechnen nur noch rudimentär und/oder methodisch inadäquat vermittelt werden, der Anteil vormodern-religiös sozialisierter Migranten- und traumatisierter Flüchtlingskinder je Einschulungskohorte steigt und gleichzeitig statt europäischer Werte- und Normenvermittlung eine multikulturalistische Umerziehung zu Gunsten nichtwestlicher, insbesondere islamischer Herrschaftskulturen erfolgt, wird die gesellschaftlich-normative Identitätsgrundlage der kulturellen Moderne, worauf die europäischen Gemeinwesen beruhten, mittelfristig zerstört.

Diese (Um-)Erziehung zur unreflektierten und unkritischen Akzeptanz vormodern-antisäkularer Herrschaftskulturen (das verklärte bzw. exotisierte „Andere“) die dem Geist und der Normativität der kulturellen Moderne grundsätzlich zuwiderlaufen, findet im Schulsystem auch auf eine scheinbar sanfte und spielerische Weise statt, in welcher die noch naturgemäß naive kindliche Psyche gezielt korrumpiert und im Sinne selbstverleugnender Hinnahmebereitschaft präformiert wird: Ein Beispiel: „Gerade ist eine fünfte Klasse aus Harburg da, um sich mal eine Moschee anzusehen. Am Ende des Besuches dürfen sich die Kinder auch mal in Richtung Mekka zu Boden werfen, Mädchen und Jungen. Der Spaß ist groß. Sie lachen noch, als sie ihre Schuhe wieder anziehen. In der Zentrum-Moschee hatte der damalige CDU-Bürgermeister Ole von Beust vor Jahren bei einem Besuch angekündigt, dass es einen Staatsvertrag zwischen den islamischen Gemeinden und der Stadt Hamburg geben soll. Inzwischen ist der Vertrag geschlossen, allerdings mit der Unterschrift von Beusts Nachnachfolger Olaf Scholz (SPD).“[37]

Um einen konkreten Gegenvorschlag zu machen: Wie wäre es denn, den Mädchen und Jungen der fünften Klasse vor dem Moscheebesuch mal die Geschichte von Malala Yousafzai zu vermitteln und nach dem Moscheebesuch die dort übliche Geschlechtersegregation sowie die islamischen Heiratsvorschriften zu besprechen?

Verzichtet man im Elternhaus und im kulturrelativistisch umfunktionierten Schulsystem hingegen darauf, den Heranwachsenden eine kritisch-emanzipatorische Grundhaltung und Überzeugung nahe zu bringen, zu der auch die Ausprägung von aktiver Gegenwehrbereitschaft angesichts repressiv-aggressiver Anmaßung gehört, dann darf man sich auch nicht darüber wundern, dass identitäts- und orientierungslose „Weicheier“ entstehen, die den sich radikalisierenden Muslimkids und späteren muslimischen Herrenmenschen hilflos gegenüberstehen. Ein aktuelles Hauptproblem des deutschen Bildungssystem besteht darin, dass die zugewanderten Muslime vom Kinderhort bis zur Universität nicht zu Respekt, Anerkennung und Übernahme der in Europa und Deutschland geltenden säkular-demokratischen Werte, Grundprinzipien und Regeln gebildet und erzogen werden, sondern umgekehrt die nichtmuslimischen Heranwachsenden zur selbstdeformierenden Anpassung, Hinnahme und tendenziellen Unterwerfung gegenüber der islamischen Herrschaftskultur mit ihren grund- und menschenrechtswidrigen Inhalten und Normen.

Je höher der Anteil von funktionellen Analphabeten, notorischen Nichtlesern und Nichtlesenkönnern, desintegrierten Schulabbrechern, studierunfähigen Abiturienten und kapital-funktional verschulten, aber ungebildeten „Bachelors“ wächst, desto flacher, lückenhafter und „unüberzeugter“ fällt der Aneignungsprozess des antiken und modern-europäischen Kulturerbes aus. Infolgedessen wird nicht nur ein aufklärungshumanistisch-menschenrechtlicher und säkular-demokratischer Grundkonsens systematisch erschwert, wenn nicht gänzlich als normative Basis und wertmäßige Klammer hochpluralistischer Gesellschaften außer Kraft gesetzt. Vielmehr kommt es zu einer scheinbar paradoxen, aber höchst kapitalfunktionalen Gleichzeitigkeit von einem pseudolibertär-konsumistischen Hedonismus und einer selbstvergessenen und selbstverstümmelnden „Toleranz“, Nachgiebigkeit und Wehrlosigkeit, ja ignoranten Schönfärberei gegenüber migrationsimportierten autoritär-menschenrechtsfeindlichen Herrschaftskulturen[38].

Kant unterschied noch zwischen den kognitiven Modi des Glaubens, des Meinens und des Wissens. Der aufgezeigte Bildungsverfall führt nun in Verbindung mit dem Migrationsimport geburtenstarker religiös-antiemanzipatorischer Herrschaftskulturen und dem kulturrelativistischen Umerziehungsprogramm inmitten der europäischen Spätmoderne zu einem anteilsmäßigen Überhandnehmen des irrationalen Glaubens und des Meinens (oftmals in einer orthographisch bemitleidenswerten Form unaufgeklärter Dummheit) zu Lasten des Wissens. Dadurch wird vor allem auch der öffentliche Diskurs „runtergezogen“ und ebenso die Voraussetzung dafür geschaffen, dass der systemkonforme Meinungsjournalismus der politischen Korrektheit trotz seiner wahrheitswidrigen Unwissenschaftlichkeit hingenommen und „geglaubt“ wird.

Das neuzeitliche und aufklärungshumanistische Konzept der „freien Wissenschaft“ – ohne religiöse, politische und ökonomische Bevormundung und Bindung -, das dem Leitwert der Wahrheit im Interesse des menschlichen Fortschritts folgt, ist längst zum Ballast des globalen („postrealsozialistischen“) Kapitalismus und seiner Verwertungsinteressen geworden. Dieser heutige weltweit agierende postdemokratische Kapitalismus und die ihm untergeordneten Auftrags- und Erfüllungswissenschaften verkörpern ein Projekt der Gegenaufklärung im Gewand eines gutmenschlich „aufgehübschten“ Multikulturalismus, der nach außen als Marktöffnungsideologie und nach innen als politisch-moralisches Dressurinstrument fungiert. De facto aber liegt der zentrale Trugschluss des Multikulturalismus in dem Dogma, dass die konfliktlose Koexistenz gegensätzlicher (normdivergenter) Kulturen innerhalb einer Gesellschaft ohne gemeinsame politische, rechtliche und wertmäßige Basis möglich sei. In Wahrheit aber fördert der Multikulturalismus die Herausbildung abgeschotteter Parallel- und Gegengesellschaften und bewirkt so das Scheitern realer Integration[39]. „In der Konsequenz bedeutet der Multikulturalismus die Selbstzerstörung der westlichen europäischen Gesellschaften“ (Ley 2012, S. 78).

In Interesse der global agierenden Großkapitale und ihrer ökonomisch-politisch-ideologischen Lobbygruppen wurde zunächst die gesamte Hochschullandschaft geistig „postmodernisiert“, d. h. von den emanzipatorischen Theorien/„Erzählungen“ der kritischen Geistes-, Sozial- und Subjektwissenschaften gereinigt und für die (weltmarktgerechte) kulturrelativistische Beschönigung nichtwestlicher Herrschaftsformationen geöffnet (Austreibung der Philosophie der Aufklärung und des herrschaftskritischen „westlichen Marxismus“). Damit wurde die geistige Landschaft im gleichen Atemzug unter anderem auch für den Angriff islamischer Protagonisten auf das Geschichtsbild Europas präpariert, das besagt, erst der Islam habe Europa zivilisiert. Tatsächlich aber hat die  sog. Blütezeit des Islam, wie Flaig (2013 S. 172-180) sehr zutreffend herausstellt, im Grunde keinerlei eigenständige islamische Basis, sondern beruht auf der imperialen Aneignung hellenistischer Kultur. Gerade das progressive Sozialerbe der Antike in Gestalt der republikanisch-demokratische Tradition der Griechen fand in der islamisch-imperialistischen Kultur keine Fortsetzung[40], sondern wurde erst mit dem Renaissancehumanismus und der Aufklärung als Fundament der kulturellen Moderne reanimiert.

In einem zweiten Schritt wurde dann die deutsche Hochschullandschaft anschließend in Gestalt des Bolognaprozesses kapitalgerecht ökonomisiert und bürokratisiert. Das dadurch dominant gewordene Qualitätsmanagement gemäß ökonomistischer Verwertungskriterien führt zum Verlust der universitären Autonomie sowie zur Demontage des Prinzips „Bildung durch Wissenschaft“.

Zentraler Effekt dieses zweiphasigen Prozesses ist die Preisgabe der europäischen Werte der Aufklärung als vermeintlicher Standortvorteil im Wettbewerb um Weltmarktanteile, gerade auch im Hinblick auf die reichen islamischen Ölrentenstaaten.

Der spätkapitalistische bzw. postsäkular-proislamische (Erfüllungs-)Staat und seine politische Klasse haben zudem durch eine verfehlte, an kurzsichtigen Profitinteressen ausgerichtete Einwanderungs- und Integrationspolitik die Entstehung und Ausbreitung integrations- und bildungsresistenter Gegenmilieus überhaupt erst zugelassen[41]. Während einerseits im Rahmen des Bildungsverfalls die Herausbildung und Vermittlung einer europäisch-emanzipatorischen Identität und Grundhaltung zunehmend verschüttet bzw. bewusst vernachlässigt wird, fördert der postdemokratische Staat andererseits mit der flächendeckenden Einführung von bekenntnisreligiösem Islamunterricht und der Etablierung islamischer Theologieinstitute die Bewahrung und Verfestigung einer desintegrativen Identität der Zuwanderer als reaktionäre Alternative zur menschenrechtlichen Moderne[42].

Nicht zuletzt hat die von den Regierenden zu verantwortende Politik eine latent bürgerkriegsähnliche politisch-ideologische Spaltung der Zivilgesellschaft in Gegner und Freunde der religiös-reaktionären Zuwandermilieus heraufbeschworen – und zwar jenseits der klassischen Links-Rechts-Achse. Ob und inwieweit die „entbildeten“ und multikulturell zersetzten Bevölkerungen in Deutschland und Europa ihre Konflikte untereinander und gegenüber den herrschenden Kräften – im Kontext auch durchaus wahrscheinlicher sozialökonomischer Verwerfungsprozesse – auch militant austragen werden oder sich quietistisch durch den Niedergangsprozess hindurchquälen, wird die Zukunft zeigen.

Literatur:

Autorengruppe Bildungsberichterstattung: Bildung in Deutschland 2014. Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zur Bildung von Menschen mit Behinderungen. Bielefeld 2014.

BASF: Langzeitstudie über Rechtschreib- und elementare Rechenkenntnisse bei Ausbildungsplatzbewerbern. Ludwigshafen Oktober 2009.

Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung: Ungenutzte Potenziale. Zur Lage der Integration in Deutschland. Berlin 2009.

Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung: Neue Potenziale. Zur Lage der Integration in Deutschland. Berlin 2014.

Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF): Fortschritte der Integration. Zur Situation der fünf größten in Deutschland lebenden Ausländergruppen. Forschungsbericht 8. Nürnberg 2010.

Crouch, Colin: Postdemokratie, Frankfurt am Main 2008.

Flaig, Egon: Gegen den  Strom. Für eine säkulare Republik Europa. Springe 2013.

Freie Universität Berlin: Zusammenfassung, „Später Sieg der Diktaturen? Zeitgeschichtliche Kenntnisse und Urteile von Jugendlichen“. Berlin 2012.

Holzkamp, Klaus: Sinnliche Erkenntnis – Historischer Ursprung und gesellschaftliche Funktion der Wahrnehmung, Frankfurt am Main 1973. Neu veröffentlicht Hamburg 2006.

Kant, Immanuel: Akademieausgabe Band VIII (a) der Preußischen Akademie der Wissenschaften. Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht. Auf Korpora: http://korpora.org/Kant/

Kohlhammer, Siegfried: Das Ende Europas? Ansichten zur Integration der Muslime. In: Krauss, Hartmut (Hrsg.): Feindbild Islamkritik. Wenn die Grenzen zur Verzerrung und Diffamierung überschritten werden. Osnabrück 2010, S. 263-276.

Krauss, Hartmut: Islam, Islamismus, muslimische Gegengesellschaft. Eine kritische Bestandsaufnahme. Osnabrück 2008.

Krauss, Hartmut; Vogelpohl, Karin: Spätkapitalistische Gesellschaft und orthodoxer Islam. Zur Realität eines Desintegrationsverhältnisses jenseits von Verdrängung, Verschleierung und Bewältigungsromantik. In: Krauss, Hartmut (Hrsg.): Feindbild Islamkritik. Wenn die Grenzen zur Verzerrung und Diffamierung überschritten werden. Osnabrück 2010, S. 217-262.

Lenzen, Dieter: Bildung statt Bologna! Berlin 2014.

Ley, Michael: -Die kommende Revolte, München 2012.

Liessmann, Konrad Paul: Theorie der Unbildung. Die Irrtümer der Wissensgesellschaft. München 2012.

Spitzer, Manfred: Digitale Demenz. Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen. München 2012.

Stanat, Petra u. a.: Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern am Ende der vierten Jahrgangsstufe in den Fächern Deutsch und Mathematik. Ergebnisse des IQB-Ländervergleichs. Zusammenfassung. 2011.

 

Anmerkungen:

[1] Auch Crouch (2008, S. 79) stellt die Bildungsstrategie als verabsolutiertes Mittel der Aufstiegsmobilität in Frage: „Doch da nur eine Minderheit in den Genuß des sozialen Aufstiegs kommen kann und sich dieser überdies nur in Konkurrenz zu allen anderen realisieren lässt, ist es eigentlich merkwürdig, dass ausgerechnet diese Strategie als Lösung für alle Probleme des Lebens empfohlen wird.“

[2] Zu rekapitulieren wäre hier die von Klaus Holzkamp (1973/2006) dargelegte qualitative Differenz zwischen orientierender und begreifender Erkenntnistätigkeit und den dadurch bedingten Formen individueller Lebensführung.

[3] Dabei geht es natürlich nicht um die Vermittlung des gesamten historisch akkumulierten Wissens- und Kulturerbes, das von einem einzelnen Individuum gar nicht aufgenommen und verarbeitet werden kann, sondern um die Vermittlung der grundlegenden Kulturtechniken (Lesen, Schreiben, Textinterpretation, Rechnen) sowie um ausgewählte Wissensgebiete, künstlerische Tätigkeitsformen und sportliche Aktivitäten, über deren genaue Inhalte und didaktischen Darbietungen gesondert zu diskutieren wäre.

[4] Familie Powerpoint. http://www.zeit.de/2009/47/DOS-Analphabeten

[5] Diese „Umverteilungslinke” hat nichts mehr zu tun mit Marx’ und Engels’ Programm der emanzipierten Menschheit, die sich vom Religions- und Kapitalfetisch befreit und die Leitung ihrer gesellschaftlichen Angelegenheiten unter ihre eigene Kontrolle bringt. Sie fungiert lediglich noch als reformistischer Klientelverband, der den „zu kurzgekommenen“ Globalisierungsverlierern ein wahres Leben im Falschen vorgaukelt und mit einer abartigen Rassismusverleumdungspropaganda reaktionär-antihumanistische Zuwanderungskulturen im Profitinteresse der Migrations- und Integrationsindustrie „beschützt“.

[6] http://blogs.epb.uni-hamburg.de/leo/files/2011/12/leo-Presseheft_15_12_2011.pdf

[7] „Darüber befinden sich weitere 13,3 Millionen Erwachsene, deren Schriftsprache auch bei gebräuchlichem Wortschatz fehlerhaft ist.“ http://blogs.epb.uni-hamburg.de/leo/files/2011/12/leo-Presseheft_15_12_2011.pdf S. 4.

[8] http://blogs.epb.uni-hamburg.de/leo/files/2011/12/leo-Presseheft_15_12_2011.pdf      S. 4. Eine ähnlich hohe Quote von Funktionalen Analphabeten gibt es auch in Frankreich und Großbritannien. Vgl. ebenda.

[9] „Würde man auch Zugewanderte ohne mündliche Deutschkenntnisse hinzuziehen und innerhalb dieser Gruppe proportional oder über-proportional viele funktionelle Analphabet/inn/en vorfinden, müssten diese Personen der Zahl von 7,5 Millionen noch einmal hinzugezählt werden.“

http://blogs.epb.uni-hamburg.de/leo/files/2011/12/leo-Presseheft_15_12_2011.pdf  S. 8.

[10] http://www.barmer-gek.de/barmer/web/Portale/Versicherte/Komponenten/gemeinsame__PDF__Dokumente/ Reports/Arztreport-2012,property=Data.pdf

[11] http://bildungsklick.de/a/82274/barmer-gek-arztreport-20121-1-millionen-kinder-mit-sprachentwicklungsstoerungen/

[12] Familie Powerpoint. http://www.zeit.de/2009/47/DOS-Analphabeten

[13] Dennoch liegt die Quote insbesondere in Ballungsgebieten wie Nordrhein-Westfalen immer noch recht hoch: So in Krefeld 10,2% ohne Hauptschulabschluss, Mönchengladbach 8,4%, Duisburg 8,4%, Düsseldorf 6,6%. http://www.rp-online.de/nrw/staedte/krefeld/viele-jugendliche-ohne-hauptschulabschluss-bid-1.637383

[14] „Bis 2025 wird die Zahl der unter 30-Jährigen um 2,7 Millionen sinken.“ (Der Spiegel Nr.29/15.7.13, S. 38). Bereits 2012 blieben 70.000 Ausbildungsplätze unbesetzt. Umso schwerer wiegt gerade in Zukunft der Anteil ausbildungsunfähiger Schulabgänger.

[15] Zur bewertungstechnischen Verschleierung der Kompetenzmängel von Hauptschulabgängern vgl. Krauss/Vogelpohl 2010, S. 233ff.

[16] Neue Osnabrücker Zeitung vom 8. Juni 2001, S. 8.

[17] „Die Fragen bezogen sich im Wesentlichen auf den Stoff der siebten und achten Klasse, waren weder schwierig formuliert noch sonderlich anspruchsvoll. (…) So waren die Wortarten bestimmter Wörter zu bestimmen, ebenso Konjunktive und Pluralbildungen. (…) 77.5 Prozent der bayrischen Teilnehmer in Erlangen erkannten ‚käme’ nicht als Form des Konjunktiv Imperfekt, 88,2 Prozent bestimmten ‚manche’ nicht als Pronomen, und 86,6 Prozent konnten ‚dort’ nicht als Adverb identifizieren.“ Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 17. April 2007, S 1f.

[18] Auch hier zeigt sich die tendenzielle Irrelevanz und Inflationierung von formalen Bildungsabschlüssen und Benotungen. „Etwa 80 Prozent der Studenten in Deutschland verlassen die Hochschulen mit einem guten bis sehr guten Abschluss. (…) Vor einer Inflation der Einsen wird gewarnt, von Kuschelnoten war die Rede“ (Neue Osnabrücker Zeitung vom 16. November 2012, S. 5).

[19] Trotz eines gewachsenen Anteils von Personen mit einem formal hohen Bildungsabschluss sinkt laut einer Studie des Allensbacher Instituts von 2009 das allgemeine Bildungsniveau. „Gerade bei den Befragten mit Abitur hätten sich die Kenntnisse seit den Siebzigerjahren ‚dramatisch verschlechtert‘, so die Studie“.http://www.t-online.de/eltern/schulkind/id_50685826/allgemeinwissen-fuer-schueler-so-wichtig-ist-allgemeinbildung.html

[20] Vgl. Der Spiegel 40/2012 S. 48-49. Hinzu kommt, dass infolge der Schaffung eines einheitlichen europäischen Hochschulraumes („Bologna-Prozess“) „auch in Geistes- und Sozialwissenschaften sehr viel Stoff, aber häufig nur oberflächlich und auswendig gelernt werden muss“ (ebenda, S. 49).

[21] http://www.t-online.de/eltern/schulkind/id_50685826/allgemeinwissen-fuer-schueler-so-wichtig-ist-allgemeinbildung.html

[22] Höhere Mathematik ist vielen zu hoch. Mit Crashkursen will die Universität Defizite von Studienanfängern ausgleichen. Neue Osnabrücker Zeitung vom 9 September 2014, S. 16.

[23] Der Spiegel Nr.25/17.6.2013, S. 100.

[24] Der Spiegel Nr.25/17.6.2013, S. 101.

[25] Im Zentrum der Untersuchung stand eine standardisierte Befragung von 4.627 Jugendlichen der Abschlussklassen aller (Regel-)Schultypen mit Hilfe eines Fragebogens in den Bundesländern Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Zudem wurde eine Längsschnittanalyse mit 30 Schulklassen mit 785 Schülern in den genannten Bundesländern durchgeführt. Ergänzend befragte man in vier Berliner Gedenkstätten 60 Schulklassen (1.992 Schüler) unabhängig von deren Bundeslandherkunft.

[26] Kant rückt mit dem Widerspruch (Antagonism) der „ungeselligen Geselligkeit“ folgende dialektische Bestimmung des Menschen ins Blickfeld: Einerseits die menschliche Neigung, sich zu vergesellschaften; andererseits der Hang, sich zu vereinzeln bzw. zu isolieren: „Hierzu liegt die Anlage offenbar in der menschlichen Natur. Der Mensch hat eine Neigung, sich zu vergesellschaften: weil er in einem solchen Zustande sich mehr als Mensch, d. i. die Entwickelung seiner Naturanlagen, fühlt. Er hat aber auch einen großen Hang, sich zu vereinzelnen (isoliren): weil er in sich zugleich die ungesellige Eigenschaft antrifft, alles bloß nach seinem Sinne richten zu wollen, und daher allerwärts Widerstand erwartet, so wie er von sich selbst weiß, daß er seinerseits zum Widerstande gegen andere geneigt ist“ (Kant, Akademieausgabe VIII a, S. 20f.).

[27] http://www.nubbek.de/media/pdf/NUBBEK Broschuere.pdf

[28] Als Ursache für diesen Tatbestand wird von der „politisch korrekt“ voreingenommenen und nicht mehr wahrheitsorientierten Auftragsforschung im Sinne eines monokausalen Ökonomismus einzig die „Bildungsferne“ verabsolutiert, diese aber nicht mit dem tiefer liegenden soziokulturell bedingten Sozialisationsmuster und den Heiratsregeln dieser islamisch geprägten Gruppe korreliert.

[29] Vgl. BAMF 2010, S. 145.

[30] „Menschen mit türkischem Migrationshintergrund schneiden überall deutlich schlechter ab als Migranten aus den gesamten EU-27. Besonders groß fallen die Unterschiede in Berlin aus. Nirgendwo sind Menschen türkischer Herkunft öfter erwerbslos oder leben häufiger von öffentlichen Leistungen als in Berlin. Die türkische Gemeinschaft in Berlin ist relativ groß und gilt als in sich eher geschlossen, was offenbar eine Verbesserung der Lage über die Generationen erschwert.“ (Berlin-Institut 2014, S. 60).

[31] http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/forschung-und-lehre/deutscher-grundschulvergleich-die-zuwanderung-macht-die-differenz-11927910.html

[32] Vgl. Stanat u. a. 2011

[33] Zur Kritik des monokausal-ökonomistischen Benachteiligungsdogmas vgl. Krauss/Vogelpohl 2010 und Kohlhammer 2010.

[34] Vgl. http://www.interkulturelles-portal.de/c/document_library/get_file?p_l_id=10235&folderId= 175734&name=DLFE-9126.pdf

[35] Im besten politisch-korrekten Vernebelungsdeutsch drückt das auch der Bildungsforscher Klemm in seiner Antwort auf folgende Interviewfrage zur innerdeutschen Pisa-Studie aus, die Ende 2008 veröffentlicht wurde: „Auffällig ist, dass immerhin zwei der neuen Bundesländer zur Spitzengruppe gehören. Woran liegt das? Über die Gründe lässt sich nur spekulieren. Allerdings liegt in den neuen Bundesländern der Anteil der Jugendlichen ohne Migrationshintergrund bei mehr als 90 Prozent. In Nordrhein-Westfalen sind es nur 63 Prozent. Da wir es in Deutschland schlechter als andere Länder schaffen, Kindern mit Migrationshintergrund eine anständige Schulbildung zu vermitteln, zieht das die Ergebnisse der getesteten Schüler insgesamt herunter.“ http://www.goethe.de/wis/fut/bko/ de4066271.htm

[36] Die letzte PISA-Studie mit dem Schwerpunkt Lesekompetenz wies aus, dass die Schüler in Deutschland ihre Position zwar leicht verbessert haben, aber nach wie vor von den Spitzenländern (Shanghai/China, Südkorea, Finnland, Hongkong/China, Singapur, Kanada, Neuseeland, Japan, Australien) noch weit entfernt sind. Vor allem in der Gruppe der relational leistungsstarken Schüler hat sich nichts verbessert. „Und ausgerechnet im wichtigen Bereich ‚Reflektieren und Bewerten’ liegt eine relative Schwäche der 15-Jährigen über die Schulformen hinweg vor“, wie der deutsche Pisa-Forscher Klieme feststellte. Insgesamt sind die leichten Verbesserungen im Gesamtdurchschnitt darauf zurückzuführen, dass der Anteil der Schüler mit sehr schwachen Lesefähigkeiten von 22,6 auf 18,5 Prozent abgenommen hat. Zwar haben sich auch Schüler mit im Einzelnen nicht näher aufgeklärtem Migrationshintergrund im Vergleich zur ersten PISA-Studie aus dem Jahre 2000 verbessert, doch noch immer schneiden sie um 56 PISA-Punkte deutlich schlechter ab als gleichaltrige Einheimische.

[37] http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/nach-den-ausschreitungen-in-hamburg-und-ploetzlich-brach-ein-gewaltsturm-los-13199431.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2

[38] Der Kulturrelativismus und der postmoderne Fetisch der Andersheit/Diversität sind die neuen passförmigen Leitideologien des globalen Kapitalismus: egal ob die Frauen ganzköperverschleiert in Riad, nabelfrei in Saint-Tropez, mit Kopftuch in Istanbul oder mit Jeans bekleidet in Hongkong einkaufen – Hauptsache der Absatz und die Profitrate stimmen.

[39] Reale Integration beinhaltet die Übernahme eines Katalogs gemeinsamer Werte, Normen und Überzeugungen als übergeordnetes Ganzes.

[40] Flaig merkt auch an, dass die auf Bürgerfreiheit beruhende moderne europäische Kultur „so gut wie keine Wurzeln im Judentum und nur schwache im Christentum (hatte), mit der klassischen Antike hingegen verbinden sie mächtige Rezeptionsstränge. Sie konnte nur aufblühen, weil es gelang, die Geltungsansprüche monotheistischer Religionen zurückzudrängen. Gerade dort, wo unsere Kultur nicht christlich und nicht jüdisch ist, kann sie republikanisch und wissenschaftlich sein“ (2013, S. 180). Hier ist explizit zu ergänzen: Nur wenn die europäische Kultur ihre antithetische Beschaffenheit gegenüber der islamischen Herrschaftskultur begreift und explizit zur Geltung bringt, wird sie ihre Integrität bewahren.

[41] „Die absurde Idee, autochthone muslimische Religionsgemeinschaften bzw. Clans aus Anatolien und anderen nahöstlichen bzw. nordafrikanischen Gesellschaften in Europa zu integrieren, erweist sich als der größte Rückschlag auf dem Weg zu einer europäischen Zivilisationskultur, der nach den Verheerungen der europäischen politischen Religionen eingeschlagenen wurde. Der planlose Versuch der Integration von traditionellen bäuerlichen muslimischen Ethnien in eine hochkomplexe Gesellschaft gleicht einer politischen Schizophrenie.“ (Ley 2012, S. 79).

[42] Liessmann (2012, S. 64f.) trifft den Kern, wenn er feststellt: „als Glaube ist die Religion keine Sache des Denkens, deshalb kann es in einer wirklichen Bildungsstätte nur eine religionswissenschaftliche Propädeutik, die in alle großen religiösen Systeme einführt, geben, aber keinen konfessionell gebundenen Religionsunterricht“.

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