Muslime in Deutschland: (Des-)Integration, religiöse Bindung, weltanschaulich-politische Orientierung und islamistische Radikalisierungspotentiale. Kritische Darstellung und Kommentierung der Studie des Bundesministeriums des Inneren

 In Analyse der islamischen Herrschaftskultur
  1. Einleitung

Kurz vor Weihnachten 2007 präsentierte Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) der Öffentlichkeit eine umfangreiche Studie über Muslime in Deutschland, die noch dessen Vorgänger Otto Schily (SPD) 2004 beim Institut für Kriminalwissenschaften, Abteilung Kriminologie, an der Universität Hamburg in Auftrag gegeben hatte[1]. Zunächst wurde die Studie in den Printmedien mit ausgewählten Daten auf breiter Front zitiert und kommentiert, bis dann nach den Weihnachtsfeiertagen die von Roland Koch im Kontext des hessischen Landtagswahlkampfs angestoßene Debatte über die Verschärfung des Jugendstrafrechts die innenpolitische Diskussion auf sehr fragwürdige Weise dominierte.

Die Veröffentlichung dieser Studie fällt in eine Zeit, die durch eine starke Polarisierung der welt- und innenpolitischen Debatte über die reaktionären und militant-aggressiven Potentiale der islamischen Herrschaftskultur geprägt ist sowie eine enorme Handlungsdichte und globale Präsenz von Gewalt ausübenden Akteuren aufweist, die sich legitimatorisch auf den Islam berufen. Dazu gehören nicht nur im Untergrund tätige Terrorgruppen, sondern ganze Staatseliten und zivilgesellschaftlich wirksame Bewegungen mit Massenanhang.

In einer ganzen Reihe von Zeitungsartikeln wurde auf Befragungsergebnisse der Studie verwiesen, wonach vierzig Prozent der erwachsenen Muslime in Deutschland „fundamental orientiert“ seien, vierzehn Prozent (deutlich mehr als dreihunderttausend) ein distanziertes Verhältnis zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit und/oder eine hohe Akzeptanz von politisch-religiös motivierter Gewalt zeigten und ca. sechs Prozent (fast einhunderttausend Personen) als „gewaltaffin“ einzustufen seien. Etwa 12 Prozent sind nach der Studie als „islamisch-autoritaristisch“ einzustufen, d. h. als eine Einstellungsgruppe zusammenzufassen, die „starke moralische Kritik an der westlichen Demokratie“ mit einer „starken Befürwortung von Todesstrafe unter Bezug auf islamisches Recht“ verbindet.

Sofort meldeten sich reflexartig die einschlägig bekannten berufsmuslimischen Verbandssprecher und die ihnen nahe stehenden „Islamexperten“ zu Wort, und erklärten – zum Teil die konzeptionellen und begrifflichen Schwächen der Studie als Brücke für die eigene Abwehrargumentation ausnutzend – man dürfe die problematischen Ergebnisse nicht überbewerten, demokratiefeindliche Einstellungen seien bei Einheimischen genauso verbreitet wie bei Muslimen und überhaupt mache das richtige Islamverständnis immun gegen Gewalt und Radikalismus. Doch diese medial handelsüblichen Relativierungsrituale, die bei den Autoren der Studie freilich selber schon interpretatorisch eingebaut sind, greifen hier nicht: Zum einen ist die plumpe Abwehr inhaltlich begründeter Islamkritik als „islamophob“ mittlerweile hinlänglich als demagogisches Täuschungsmanöver durchschaut und besitzt keine „Abschreckungskraft“ mehr. Zum anderen wäre auch aus der Perspektive einer Erforschung des Verbreitungsgrades rechtsextremistischer Einstellungen unter Einheimischen der Hinweis auf ein gleich großes Potential unter Zugewanderten kein abschwächendes oder relativierendes Argument, sondern für den „demokratischen Rechtsstaat“ eher ein alarmierendes Signal. Und drittens ist die vorurteilstheoretische Vergleichsbasis, mit der die Autoren diese Gleichsetzung insinuieren, wenigstens zum Teil doch sehr in Zweifel zu ziehen. (Darauf wird in Folgendem noch ausführlich eingegangen.)

Insgesamt betrachtet ist die Gesamtstudie „Muslime in Deutschland“ die bislang umfangreichste Untersuchung über den Grad und das Ausmaß der religiösen Bindung sowie die weltanschaulich-politischen Einstellungen/Orien-tierungen von Zuwanderern aus islamisch geprägten Ländern. Sie enthält einerseits zwar zahlreiches aufschlussreiches Datenmaterial, ist andererseits aber mit einer Reihe theoretisch-konzeptioneller Fehler/Fragwürdigkeiten und problementstellenden Interpretationen behaftet. Auf jeden Fall kommt niemand an einer gründlichen Aneignung und kritischen Analyse dieser Veröffentlichung vorbei, der ernsthaft am Problemkomplex Islam/muslimische Zuwanderer theoretisch und/oder praktisch arbeitet.

  1. Struktur und Fragehorizont der Gesamtstudie

Die Gesamtstudie „Muslime in Deutschland“ umfasst im Einzelnen vier gesonderte Untersuchungen:

1) Die Hauptstudie in Form einer telefonischen Befragung der erwachsenen muslimischen Wohnbevölkerung über 18 Jahren in vier deutschen Großstädten (West-Berlin, Hamburg, Köln und Augsburg) mit insgesamt 1.000 Interviews. 43,2% (n=419) der Interviews wurden in deutscher Sprache geführt, 47,5% (n=461)in türkischer Sprache, 3,4% (n=33)in arabischer Sprache, 2,7% (n=26) in persischer Sprache und 3,2% (n=31) in einem Mix von Sprachen. In 30 Fällen stellte es sich im Nachhinein heraus, dass es sich nicht um Personen der Zielgruppe gehandelt hat. Angesichts der hohen Zahl von Interviewverweigerern (n=857) bei dieser Studie ist zu vermuten, dass in dieser „Gruppe der Skeptischen“ ein noch höherer Anteil von antidemokratischen und Gewalt befürwortenden Kräften anzutreffen ist. (Dafür spräche die ablehnende Vorsicht, auf die die Autoren bei ihren qualitativen Interviews im Umfeld der muslimischen Organisationen und Moscheevereine gestoßen sind.)

2) Eine standardisierte Befragung von Schülerinnen und Schülern der 9. und 10. Jahrgangsstufe – unterteilt nach niedriger, mittlerer und hoher Bildungsstufe – anhand einer Zufallsauswahl von Schulklassen in den Städten Hamburg, Köln und Augsburg. Insgesamt lagen aus den drei Städten 2.683 auswertbare Fragebögen vor, von denen 500 von muslimischen Schülern stammen.

3) Eine postalische Befragung von 1.115 Studierenden aus Hamburg, Augsburg, Köln und Berlin (FU) mit 197 (17,9%) Muslimen.

4) Eine Durchführung von 60 qualitativen, themen- und leitfadengestützten Interviews mit muslimischen Männern aus dem Umfeld von Moscheen, muslimischen Organisationen und Vereinen (Verbandsislam) im Großraum Hamburg auf der Grundlage eines Snowball-Sampling-Verfahrens.

Die Forschungsintention der Gesamtstudie richtet sich primär auf folgende subjektiven Einstellungs-, Erfahrungs- und Kompetenzaspekte der Untersuchungsteilnehmer:

  1. Verhältnis zu Deutschland als Aufnahmeland, sprachlich-soziale

Integration und Einstellungen zur Integration.

  1. Ausgrenzungs- und Diskriminierungserfahrungen.
  2. Religiosität und Muster religiöser Orientierung.
  3. Einstellungen zu Demokratie und Rechtsstaat.
  4. Einstellungen zu politisch-religiös motivierter Gewalt.

Im Rahmen der Befragung von Schülern und Studierenden wurden auch vergleichsweise Muster von integrationsbezogenen und islamkritischen Einstellungen von Nichtmuslimen mit Migrationshintergrund, Fremdenfeindlichkeit und integrationsbezogene Einstellungsmuster bei einheimischen nichtmuslimischen Jugendlichen sowie autoritäre, demokratiekritische, intolerante und „gewaltaffine“ Einstellungen bei nichtmuslimischen Studierenden erfasst.

III. Zum aktuellen Forschungsstand

In ihren einleitenden Ausführungen zum aktuellen empirischen Forschungsstand über weltanschaulich-politische Einstellungen und Orientierungen von Muslimen beziehen sich die Autoren u. a. auf die Studie von Heitmeyer u. a. (1997), Befragungen des Zentrums für Türkeistudien in Essen, die Shell-Studie Jugend 2000, eine weltweit sowie auch in mehreren europäischen Großstädten durchgeführte Vergleichsstudie von Gallup sowie auf eigene Untersuchungen (Wetzels und Brettfeld 2003). Alle Studien kommen zu dem Ergebnis, dass der Grad der religiösen Bindung bei Muslimen – absolut und relativ betrachtet – besonders hoch ist. „So zeigte die Shell-Jugendstudie, dass 85% der türkischstämmigen Jugendlichen sich als religiös bezeichnen, während unter deutschen Jugendlichen sich nur knapp die Hälfte so beschreiben … Als ein Hintergrund dessen wird u. a. ausgeführt, dass Religion und Religionszugehörigkeit in der Lebenswelt von Türkinnen und Türken im Grunde eine Selbstverständlichkeit ist, die Norm darstellt und nicht, wie bei vielen Nicht-Muslimen, einer Entscheidung des Einzelnen überlassen ist“ (S. 16f). Zudem zeigt sich Folgendes: Je höher der Grad der Religiosität, desto stärker werden traditionelle (autoritäre und patriarchalische) Werte, Normen und Familienkonzepte vertreten und desto geringer ist die sprachlich-soziale Integration. Zudem geht bei Muslimen ein niedriger sozialer Status mit einem hohen Grad an Religiosität einher. Das Zentrum für Türkeistudien weist auf einen subjektiven Bedeutungszuwachs der Religion in allen Alterstufen hin. So bezeichneten sich in Nordrhein-Westfalen im Jahre 2000 57% als sehr oder eher religiös, während dies im Jahr 2005 76% taten. Bundesweit sei zwischen 2000 und 2005 ein Anstieg von 73% auf 83% zu verzeichnen gewesen. Entsprechend hat auch die Quote des mindestens wöchentlichen Moscheebesuchs zwischen 2000 und 2005 von 30,7% auf 41,6% zugenommen. Für zwei Drittel der türkischstämmigen Muslime sind nichtmuslimische Schwiegertöchter und Schwiegersöhne letztlich unakzeptabel. 2005 stimmten 46,6% der Aussage zu, dass muslimische Frauen in der Öffentlichkeit ein Kopftuch tragen müssten. 2000 habe diese Quote noch bei 27,2% gelegen. Sprachen sich 2000 19% für getrennte Klassenfahrten und getrennten Schwimmunterricht aus, so waren es 2005 30%.

Die Hälfte der erwachsenen türkisch-muslimischen Zuwanderer hat weder einen deutschen Schulabschluss noch eine berufliche Ausbildung. Während die Zahl der erwerbstätigen Migranten sinkt, steigt der Anteil der Arbeitslosen und Rentner.

Von den über drei Millionen Muslimen in Deutschland waren 2001 ca. 309.000 in Vereinen und Verbänden organisiert. Laut dem Verfassungsschutzbericht von 2006 sind in Deutschland 28 nationale und internationale islamistische Organisationen aktiv, deren Gesamtmitgliederzahl auf 32.150 Personen geschätzt wird. Mit 27.250 Mitgliedern ist die Islamische Gemeinschaft Milli Görüs davon die mit Abstand größte Vereinigung.

Des Weiteren berichten die Autoren über Studien, in denen die biographischen Entwicklungsverläufe islamistischer Attentäter analysiert werden sowie über britische Umfragen unter Muslimen nach den Londoner Anschlägen vom Juli 2005.

  1. Ausgewählte Untersuchungsdaten
  2. Allgemeine Daten

Bevor der theoretisch-konzeptionelle und fragestrukturelle Ansatz der Studie kritisch betrachtet wird, sind hier zunächst einige ausgewählte Untersuchungsergebnisse anzuführen:

Von den 970 Probanden der Hauptstudie (telefonische Befragung der erwachsenen muslimischen Wohnbevölkerung) sind 59,3% männlich. Das Durchschnittsalter liegt bei 38,9 Jahren, die Altersspanne der Befragten bei 18 bis 80 Jahren. 39,6% besitzen die deutsche Staatsbürgerschaft, ein Teil besitzt eine weitere Staatsbürgerschaft (türkisch, iranisch). 71,8% davon besaßen zuvor eine türkische Staatsbürgerschaft, 6,3% eine iranische und 5,1% eine afghanische. Die Übrigen verteilen sich auf asiatische, afrikanische und arabische Nationen. Von den 60,4% der Ausländer sind 83,3 Prozent türkische Staatsbürger, 4,2% stammen aus anderen europäischen Staaten (die Hälfte davon aus Ex-Jugoslawien), 3,1% aus Afghanistan und 2% aus dem Iran.

Die binnenkonfessionelle Aufteilung zeigt folgendes Bild: 55,7% Sunniten, 6,9% Schiiten, 8,5% Aleviten, 0,5% Ahmadi sowie 28,5%, die keine Differenzierung vornehmen wollten.

Von den Befragten befinden sich 23% seit ihrer Geburt in Deutschland. Von den erst nach ihrer Geburt nach Deutschland Zugewanderten sind 52% im Zuge der Familienzusammenführung nach Deutschland gekommen, 21,4% als Gastarbeiter, 9,2% zum Studium/Ausbildung, 8,1% als Kriegsflüchtlinge, 5,1% als Asylbewerber und 3,4% aus anderen Gründen.

Von den Befragten sind 74% verheiratet und 9,4% liiert. Die Kinderzahl der Probanden liegt im Durchschnitt bei 2,4. Von den Verheirateten geben 95,8% an, dass der Ehepartner auch ein Muslim ist. Muslimische Frauen mit einem nichtmuslimischen Ehemann kommen überhaupt nicht vor. D. h. gemischte Ehen zwischen Muslimen und Nichtmuslimen sind eine sehr seltene Ausnahme. Dieser integrationspolitisch und weltanschaulich-normativ äußerst zentrale Tatbestand einer selbstregulierten soziokulturellen Abschließung der Muslime in Deutschland wird von den Autoren unzureichend akzentuiert und untersuchungsstrategisch sowie interpretatorisch überhaupt nicht gewichtet. Dabei handelt es sich bei diesem nahezu absoluten Tatbestand einer sozialisatorischen Selbstisolation um einen herausragenden Desintegrationsfaktor mit enormer Langzeitwirkung.

43,3% der Befragten sind vollzeiterwerbstätig, 10,8% teilzeitbeschäftigt und 4,3% geringfügig beschäftigt. 10,5% sind arbeitslos, 4,8% befinden sich in beruflicher Ausbildung, 3,8% sind wegen Mutterschaft oder Elternzeit beurlaubt. 3,3% studieren oder gehen noch zur Schule (1,5%). Die übrigen befinden sich im Ruhestand oder bezeichnen sich als Hausmann/Hausfrau.

1,6% gaben an, über keinen Schulabschluss zu verfügen. Einen Grundschulabschluss (mindestens 4 und höchstens 7 Jahre bis zum Abschluss) besitzen 17,8%. Damit liegt das Bildungsniveau eines Fünftels unterhalb des Niveaus eines Hauptschulabschlusses. 27,8% haben einen Hauptschulabschluss, 23,2% geben einen Realschulabschluss und 29,6% Abitur oder Fachabitur an.

Ein Drittel verfügt über keinen berufsqualifizierenden Abschluss. Mit den Angelernten zusammen beträgt der Anteil der beruflich gering Qualifizierten 47,7%. Während von den weiblichen Befragten 41,6% keinen berufsqualifizierenden Abschluss haben, liegt diese Quote bei den männlichen Probanden bei 27,4%.

  1. Sprachlich-soziale Integration und Integrationseinstellungen

Abzüglich der 30 Personen, die bereits seit ihrer Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen und diesbezüglich nicht befragt wurden, fühlen sich lediglich 1,7% nur als Deutsche im Unterschied zu jenen 10,5%, die sich eher als Deutsche definieren.31,4% fühlen sich gleichermaßen Deutschland und dem Herkunftsland verbunden, während sich 56,4% eher oder ausschließlich (28,3%) dem Herkunftsland verbunden fühlen.

Mindestens ein Drittel der Befragten benutzt in der Freizeit kaum die deutsche Sprache, liest überwiegend oder nur nichtdeutsche Zeitungen und sieht nur oder überwiegend nichtdeutsche Fernsehsendungen.

Die Autoren teilen die Befragten in vier Gruppen ein, wonach 19,4% als sprachlich-sozial schlecht integriert, 37,6 als mäßig integriert, 32,0% als zufriedenstellend integriert und 11,9% als gut bis sehr gut integriert bestimmt werden.

94,4% stimmen der Aussage zu, dass Ausländer in Deutschland ihre Kultur behalten sollten. Dabei bleibt inhaltlich unaufgeklärt, was hier primär unter „Beibehaltung der Kultur“ verstanden wird: Tanz-, Musik- und Esskultur etc., Pflege von landsmannschaftlicher Heimatverbundenheit, religiöse Riten, islamische Alltags- und Erziehungsnormen, soziokulturelle Heiratsinzucht, Koranunterricht etc.? Anderseits stimmen 82,6% der Aussage zu, dass Zuwanderer ihr Verhalten an die deutsche Kultur anpassen sollten. Dabei bleibt wiederum unaufgeklärt, was denn nun genauer unter „deutscher Kultur“ verstanden wird: Sauerkraut, Volksmusik, der 1. FC Köln oder die Verinnerlichung der demokratischen Grundrechte. 17, 4% lehnen eine solche Anpassung ab und etwa die gleiche Zahl ist der Meinung, dass Ausländer, die in Deutschland ihre Kultur behalten möchten, unter sich bleiben sollten. Die Autoren gelangen anhand von Clusteranalysen[2] zu drei integrationspolitisch relevanten Einstellungsgruppen:

1) Die Trägergruppe der Akzeptanzforderung (16%). Diese Personen befürworten mit Nachdruck die Beibehaltung der eigen Kultur, worunter im Näheren die ungebrochene Durchsetzung der identitätsprägenden islamischen Gesamtnormativität (Rituale, Alltagsvorschriften, Praktiken, Erziehungs- und Heiratsverhalten etc.) zu verstehen ist, die es innerhalb der Aufnahmegesellschaft und gegen deren Widerstand möglichst umfassend zur Geltung zu bringen gilt. Die Aufnahmegesellschaft soll folglich zur Akzeptanz der muslimischen Herrschaftskultur verpflichtet werden. Dazu ist es strategisch unabdingbar, sich den politisch-praktischen und institutionell-organisatorischen Gepflogenheiten des Aufnahmelandes pragmatisch anzupassen. „Anpassung“ heißt hier also nicht „übereinstimmende Identifikation mit Grundregeln der Aufnahmegesellschaft“, sondern deren strategische Nutzung bei gleichzeitiger inhaltlich-normativer Ablehnung von wesentlichen rechtlichen, moralischen und kulturell-normativen Standards einer säkular-demokratischen Gesellschaft. Ziel der strategisch-operativen Anpassung ist eine Veränderung der Gesellschaft im Sinne der Installierung möglichst zahlreicher Elemente der islamischen Herrschaftskultur bei gleichzeitiger tendenzieller Zurückdrängung/Schwächung einer säkular-individualrechtlich konstituierten (westlich-nichtmuslimischen) Lebensordnung. Wie sich im Kontext der qualitativen Interviews im Umfeld von muslimischen Verbänden/Organisationen herausstellt, wird diese offensive „Akzeptanzforderung“, die sich im Kern als ‚reformislamistische’ Grundorientierung bestimmen lässt, vor allem von der jüngeren und besser ausgebildeten Generation der streng gläubigen Muslime vertreten.

2) Die Trägergruppe der Segregationstendenz (23%). Den Anhängern dieser Auffassungslinie geht es ebenso wie den Vorgenannten um die möglichst umfassende Beibehaltung der eigenen islamischen Herrschaftskultur. Allerdings orientieren sie weniger auf eine offensive Durchsetzung nach außen als vielmehr auf einen defensive Verteidigung ihrer „Andersartigkeit“ sowie auf eine von der Aufnahmegesellschaft möglichst „ungestörte“ Selbststabilisierung durch Konzentration auf die Reproduktion der eigenen Gruppe. Rückzug bedeutet hier hartnäckige Verteidigung der überkommenen, religiös durchformten Lebensweise und wird primär von den Angehörigen der älteren Generation der muslimischen Zuwanderer vertreten.

3) Die Trägergruppe der Integration/Anpassung (61%). Diese Probanden betonen genauso wie die Personen der beiden vorgenannten Gruppen die Beibehaltung und Pflege der mitgebrachten Kultur, befürworten aber auch eine subjektive (nicht nur strategisch-operative) Anpassung an das Herkunftsland auf der Verhaltensebene und distanzieren sich eindeutig von der ethnischen oder kulturellen Segregation. Ob es sich hierbei aber in Gänze wirklich um eine qualitativ deutlich abgehobene Mehrheit oder aber nur um eine graduell abgeschwächte Version islamisch-herrschaftskultureller Selbstbehauptung handelt, lässt sich anhand der dafür zu „bescheidenen“ Fragestellung nicht wirklich aufklären.

Bei den muslimischen Schülern jedenfalls fanden die Autoren 41,7% Anhänger der „Akzeptanzforderung“, 24,4% Integrationsbefürworter und 25,4% Segregationsbefürworter. „Demnach sind jugendliche Muslime offenbar wesentlich stärker geneigt einzufordern, in ihrer kulturellen Eigenart akzeptiert und durch die Umgebung anerkannt zu werden, als das für die muslimische Allgemeinbevölkerung gilt. Die Bereitschaft zur Anpassung des Verhaltens an die Andersartigkeit der Umgebung der Aufnahmegesellschaft ist bei ihnen geringer als in der Allgemeinbevölkerung“ (S. 228).

  1. Religiosität

Nur 4,5% der telefonisch Befragten erklären „absolut nicht gläubig“ zu sein und weitere 8,1% bezeichnen sich als „eher nicht gläubig“. Demgegenüber geben 53,5 % an „eher gläubig“ und 33,8% „sehr stark gläubig“ zu sein. Auch 85% der jugendlichen Muslime beschreiben sich als eindeutig gläubig und nur 4,8% als gering/nicht religiös, wobei bei ihnen ein noch höherer Grad an religiöser Bindung anzutreffen ist als in der muslimischen Allgemeinbevölkerung. Damit gelangen die Autoren zu einem gegenüber dem Zentrum für Türkeistudien gegenteiligen Schluss. Nimmt man die rituelle Religionsausübung (Frequenz der Gebete und Moscheebesuche) hinzu, dann sind knapp 9% der muslimischen Allgemeinbevölkerung als „nicht religiös“, ein Drittel als „etwas religiös“, knapp 40% als „religiös“ und 16,6% als „sehr religiös“ zu bezeichnen.[3] „Diese Ausprägung von Religiosität variiert systematisch mit der Bildung: Je geringer der höchste Schulabschluss, desto höher das Ausmaß der Religiosität“ (S. 112). Bei den Jugendlichen sind 20,3% „sehr religiös“ und 44,7% „religiös“.

In den herkömmlichen, zumeist verfehlten Diskursen und Untersuchungen über den Islam wird zumeist der zentrale Sachverhalt verkannt, dass es sich bei ihm nicht um eine primär spirituelle Privatreligion handelt, sondern in erster Linie um eine im weltlichen Alltagshandeln strikt umzusetzende vormoderne Vorschriftenreligion mit einem absolutistischen Geltungs- und Herrschaftsanspruch. „Gottesdienst“ bedeutet hier die beständige alltagspraktische (normative) Reproduktion zwischenmenschlicher Herrschaftsverhältnisse. Vor diesem Hintergrund sind vor allem die folgenden Daten von besonderem Interesse:

67,1% der telefonisch Befragten aus der muslimischen Allgemeinbevölkerung stimmten der nachstehende Aussage eher (27%) oder völlig (40,1%) zu: „ Mein Glaube ist die Richtschnur für alle meine Entscheidungen im Alltag“. Noch etwas höher ist die Alltagsrelevanz des Islam für die muslimischen Jugendlichen mit 70,9%. 89% der telefonisch Befragten glauben, dass der Koran die wahre Offenbarung Gottes ist und immerhin noch 68,6% sind der Überzeugung, dass sie ins Paradies kommen, wenn sie als rechtschaffender Muslim gelebt haben. 47,3% sind der Auffassung, dass jeder gute Moslem verpflichtet ist Ungläubige zum Islam zu bekehren, aber für 29,9% sollte es verboten sein, Moslems dazu zu bringen, ihre Religion zu wechseln. 31,8% stimmen der Aussage zu „Wer die Regeln des Korans nicht wörtlich befolgt ist kein richtiger Moslem“.43,3% sind der Ansicht, dass Menschen, die den Islam modernisieren, die wahre Lehre zerstören. 15,6% gehen davon aus, dass die Nichtmuslime von Allah verflucht sind.

Besonders aussagekräftig hinsichtlich der realen weltanschaulich-politischen Einstellungen der Muslime in Deutschland sind die folgenden Befunde:

Der Aussage „Der Islam ist die einzig wahre Religion“ stimmen 65,6% „völlig“ (53,4%) oder „eher“ (12,2%) zu. 45% sind der Meinung, „Nur der Islam ist in der Lage, die Probleme unserer Zeit zu lösen“ und 50,6% sind der Überzeugung „Auf lange Sicht wird sich der Islam in der ganzen Welt durchsetzten“. 55,9% meinen in Deutschland deutlich sehen zu können, dass die christlichen Religionen nicht in der Lage sind, die Moral zu sichern. Und 71% sehen die Sexualmoral der westlichen Gesellschaften als völlig verkommen an. Damit wäre das orthodox-reaktionäre und für islamistische Radikalisierungsprozesse innerhalb der erwachsenen muslimischen Bevölkerung vorhandene Potential schon recht deutlich umrissen, das auch im Nachhinein weder durch empiristische „Hüttchenspielereien“ noch durch relativistische Interpretation nicht mehr glaubwürdig weggedeutet werden kann.

Als wenig überraschend ist der Umstand zu betrachten, dass der Besuch einer Koranschule die individuelle Ausprägung eines „fundamental-orientierten“ Einstellungsprofils nachhaltig fördert: „Je länger der Besuch einer Koranschule andauerte, desto höher ist die Rate der fundamental Orientierten und desto geringer ist die Quote der gering Religiösen und der Traditionellen“ (S. 134).

Die Autoren gelangen ihrerseits anhand des Antwortverhaltens der Probanden auf die Gesamtheit der Fragen zum Kernbereich „Religiosität“ (Gläubigkeit, rituelle Praxis, Alltagsrelevanz des Islam, Inhalte religiöser Überzeugungen) zu folgender Gruppeneinteilung:

1)       „Fundamental orientierte“ Muslime: 40,6%.

2)       „Orthodox-religiöse“ Muslime: 21,7%

3)       „Traditionell-konservative“ Muslime: 19,0%

4)       „Gering religiöse“ Muslime 18,8%.

  1. h.: Einem knappen Fünftel gering religiös orientierten Zuwanderern aus islamischen Staaten steht eine überwältigende Mehrheit von streng-religiösen, traditionell-konservativen und fundamental-orientierten Muslimen entgegen, die in ihren Grundeinstellungen in großen Teilen als pro-islamistisch zu kennzeichnen ist und insgesamt einen starken importierten Block einer „religiös-islamischen Rechten“ darstellt. Besonders aufschlussreich ist hier zudem folgender Tatbestand: Obwohl die Autoren sichtlich bemüht sind, ihre Untersuchungsergebnisse interpretatorisch abzuschwächen, gelingt es ihnen nicht, ein signifikantes „moderat-reformislamisches“ Lager auszuweisen, auf das sich die gängigen Verharmlosungsdiskurse doch so gerne beziehen.

Aus theoretisch-kritischer Perspektive ist gegenüber der starren interpretatorischen Grenzziehung zwischen „orthodox-religiösen“ und „fundamental orientierten“ Muslimen einzuwenden, dass hier die inhaltlich-glaubensdogmatische Einstellungsebene gegenüber der im Interview zugegebenen (taktisch-strategischen) Verhaltensebene in Relation zu nichtorthodoxen Muslimen und Andersgläubigen (Selbstaufwertungs- und Abwertungstendenz) zu stark und die weltanschaulich-normative sowie koranisch-schriftgläubige (fundamentalistische) Übereinstimmung zu schwach gewichtet wird. Um den ideologischen „Übergangskorridor“ von einer „orthodox-gesetzesislamischen“ zu einer „islamistischen“ Grundeinstellung auch empirisch in seiner tatsächlichen Gradualität genauer auszuleuchten, bedarf es differenzierterer und erweiterter Fragestellungen auf der Grundlage entsprechender islamismustheoretischer Arbeiten[4] sowie qualitativer Interviews, wie sie die Autoren ja auch schon in der vierten Teilstudie vorgenommen haben.

Was die Gruppe der partiell glaubensentleerten „traditionalistisch-konservativen“ Muslime betrifft, die zwar für die formale Einhaltung der islamischen Gebote und Rituale eintritt, aber die innere religiöse Bindung und Ausrichtung im Alltagshandeln vermissen lässt, so handelt es sich hierbei wohl primär um stark nationalistisch orientierte türkische Zuwanderer, die von der Idee der „Türkisch-Islamischen Synthese“[5], einem Kernideologem der türkischen Rechten, geprägt sind.

  1. Zur Kritik der konzeptionellen Ausrichtung der Studie
  2. Der konzeptionelle Grundfehler der Studie besteht darin, dass die Autoren die objektive Bedeutungsebene (den Islam als subjektunabhängige Glaubens- und Normenvorgabe in Gestalt von Koran, Sunna und Scharia) und die subjektive Einstellungs- und Verhaltensebene (die konkreten Überzeugungen sowie die Lebenspraxis der Muslime) begrifflich nicht klar voneinander trennen, um sie dann explizit und kontrolliert aufeinander zu beziehen. Da sich die Menschen gegenüber den objektiv vorgefundenen Lebensumständen grundsätzlich ‚bewußt’ verhalten können, d. h. hier: religiöse Glaubensvorgaben und Prinzipien möglichst strikt übernehmen, modifizieren oder ablehnen können, gilt das natürlich auch für die Relation Islam/Muslime. Zu fragen wäre also zunächst nach objektiven Grundaussagen/Behauptungen, Normen, Wertungen etc. des Islam, wie sie im Koran, der Hadithsammlung, dem islamischen Recht (in Gestalt der vier Rechtsschulen), autoritativen Kommentaren etc. vorliegen und als Richtschnur des Handelns der Muslime dienen sollen. Anstatt dieser Frage konzeptionell und untersuchungsstrukturell nachzugehen, lenken die Autoren mit folgendem Satz von der Kernproblematik der objektiven Beschaffenheit des Islam als prämoderner Vorschriften- Religion ab: „Weder dem Islam noch anderen Religionen ist auf der Individualebene religiöser Überzeugungen und Praktiken a priori eine extremistische oder – im Gegensatz dazu – eine demokratie- oder toleranzförderliche Qualität zu Eigen“ (S. 55). Dieser Satz ist weniger trivial als vielmehr falsch und desorientierend, indem er zum einen die umrissene Problemrelation verschüttet bzw. konfundiert und mit Hilfe der unhaltbaren Konstruktion einer „Individualebene des Islam“ dessen objektiv problematischen Inhaltsmerkmale aus dem Untersuchungs- und Reflexionshorizont verbannt. Damit bleiben dann aber wesentliche islamische Glaubensinhalte als objektive Bezugs- und Legitimationsbasis herrschaftslegitimierender, demokratiefeindlicher und antiemanzipatorischer Einstellungen/Normorientierungen von Muslimen von vornherein außer Betracht. Um welche – eigentlich primär untersuchungsrelevanten – objektiven Inhalte/Vorgaben handelt es sich hierbei?

1) Zunächst ist hier der universelle Herrschaftsanspruch des Islam als letztgültig offenbarte, einzig wahre und überlegene Religion anzuführen. So heißt es in Sure 3, Vers 110 des Koran: „Ihr seid die beste Gemeinde, die für die Menschen erstand. Ihr heißet, was Rechtens ist, und ihr verbietet das Unrechte und glaubet an Allah“. Dabei ist diese herrschaftliche Abgrenzung und Selbstaufwertung der ‚Gemeinschaft der Rechtgläubigen’ gegenüber der Masse der Anders- und Nichtgläubigen nicht etwa ein besonderes Merkmal des Islamismus, sondern gehört zum wesentlichen Kern der islamischen Weltanschauung. Mitnichten ist der Islam bloße (spirituelle) Religion, sondern in seiner Grundbeschaffenheit immer schon ‚Politik’, d. h. Artikulation und Festschreibung einer kulturspezifischen Form zwischenmenschlicher Herrschaftsbeziehungen gemäß religiöser Behauptungen und daraus abgeleiteter Vorschriften mit absolutem Gültigkeitsanspruch.

2) Dieser universelle Herrschaftsanspruch des Islam lässt eine prinzipielle Gleichberechtigung von Muslimen und Nichtmuslimen grundsätzlich nicht zu.Entsprechend werden Juden und Christen in ihrer Eigenschaft als „Schriftbesitzer“ unter den Voraussetzungen einer islamischen Vormachtstellung als Schutzbefohlene bzw. minderberechtigte Bürger zweiter Klasse definiert und behandelt, während Nichtgläubige nur die Wahl zwischen dem Übertritt zum Islam oder dem Tod haben.

3) Der Islam tritt aber nicht nur nach außen mit einem imperialen Herrschaftsanspruch auf, sondern dient auch nach innen als normative Begründung und Rechtfertigung einer intramuslimischen Herrschaftsordnung[6]. Unter Verweis auf den Koran, Sure 4, Vers 59 („O ihr, die ihr glaubt, gehorchet Allah und gehorchet dem Gesandten und denen, die Befehl unter euch haben“), werden die irdischen Herrschaftsbeziehungen innerhalb der islamischen Gemeinwesen sakralisiert, d. h. als heiliges Gebot Allahs sanktioniert. Damit zielt das islamische Herrschaftskonzept auf die Errichtung eines gottesherrschaftlichen Kalifats – im Gegensatz zu einer säkularen Demokratie.

4) Der Islam sanktioniert einen ausgeprägt repressiven Patriarchalismus und somit eine absolute Ungleichstellung und Beherrschung der Frau. Die Grundlage hierfür bietet die folgende unmissverständliche Aussage des Korans (Sure 4, Vers 34):

„Die Männer sind den Frauen überlegen wegen dessen, was Allah den einen vor den anderen gegeben hat, und weil sie von ihrem Vermögen (für die Frauen) auslegen. Die rechtschaffenen Frauen sind gehorsam und sorgsam in der Abwesenheit (ihrer Gatten), wie Allah. Diejenigen aber, für deren Widerspenstigkeit ihr fürchtet – warnet sie, verbannt sie aus den Schlafgemächern[7] und schlagt sie. Und so sie euch gehorchen, so suchet keinen Weg wider sie; siehe Allah ist hoch und groß.“

5) Der Islam negiert das Recht auf negative Religionsfreiheit bzw. auf sanktionslosen Religionsaustritt und sieht für den „Abfall vom Glauben“ schwere Strafen vor. Denn: Der Unglaube ist die schwerste Sünde, er macht die Werke des Menschen nichtig und wertlos.

  1. Die Nichtaufdeckung und Nichtüberprüfung der Korrespondenz zwischen grundlegenden islamischen Glaubensinhalten und muslimischen Überzeugungen/Einstellungen/Handlungsbereitschaften manifestiert sich negativ in Form der Aussparung zentraler Inhaltsbereiche bei der Konstruktion demokratiebezogener Fragestellungen. So finden folgende relevanten Aspekte (Messkriterien für „Demokratiedistanz“) in den entsprechenden Fragebatterien keine Berücksichtigung:
  2. a) Das Prinzip der Gleichberechtigung von Anders- und Nichtgläubigen in einer Gesellschaft mit muslimischer Bevölkerungsmehrheit[8];
  3. b) Die Meinungs-, Organisations- und Versammlungsfreiheit für nichtreligiöse (säkular-humanistische) Kräfte in einer Gesellschaft mit muslimischer Bevölkerungsmehrheit;
  4. c) Die Prinzip der Gleichberechtigung von Mann und Frau;
  5. d) Das Recht auf negative Religionsfreiheit und sanktionslosen Religionsaustritt;
  6. e) Das Recht auf freie Partnerwahl;
  7. f) Das Recht auf voreheliche Sexualität und
  8. g) Die Straffreiheit für Homosexualität.

Tatbestand ist, dass auch „demokratiedistante“ bzw. rechtsextremistische Kräfte, die sich in einer Minderheitenposition befinden, in Verfolgung ihrer politischen Ziele demokratische Grundrechte in Anspruch nehmen (zum Beispiel Aufmärsche, Kundgebungen und Demonstrationen der NPD oder öffentliche Veranstaltungen der Islamisten anlässlich des alljährlichen Al-Quds-Tages oder des Karikaturenstreits etc.) und damit den vom demokratischen Rechtsstaat gewährten Handlungsspielraum für ihre antidemokratischen Interessen nutzen oder besser: missbrauchen. Schon aus Gründen strategisch kalkulierter Zweckmäßigkeit liegt es demnach nahe, dass diese Kräfte auch eine Zustimmung zum Erhalt eben dieser Handlungsmöglichkeiten kundtun und sich in dieser selektiven Hinsicht positiv zu bestimmten Grundrechten äußern. Allerdings ist es gänzlich verfehlt, eine solche Zustimmung als stabilen Indikator für eine demokratiebejahende Einstellung oder als abschwächenden Faktor einer ansonsten „demokratiedistanten“ Grundposition heranzuziehen.

Der Aussage „Die Befolgung der Gebote meiner Religion ist für mich wichtiger als Demokratie“ stimmen 46,7% zu. 33,6% befürworten die Todesstrafe und nach Auffassung von 65,5% der Befragten sollte der Staat Zeitungen und Fernsehen kontrollieren, um Moral und Ordnung sicher zu stellen. 48% wollen an den vielen Kriminellen in Deutschland (zu denen auch viele muslimische Straftäter zählen) sehen können, wohin Demokratie führt. Da ist man dann auch kaum noch darüber beruhigt, dass nur ca. 10% sich trauen, der Forderung zuzustimmen, bestimmte Straftaten nach dem islamischen Recht (mit Körperstrafen nach der Scharia) zu ahnden.

  1. In der öffentlichen Debatte wird oftmals fälschlich unterstellt, die Vertreter der Islamkritik würden den Islam mit dem djihadistischen Terrorismus gleichsetzen. Tatsächlich verhält es sich vielmehr so, dass unter dem Eindruck der offensichtlichen globalen Dominanz islamisch motivierter Terroranschläge und Selbstmordattentate von Seiten der staatlichen Sicherheitsorgane und der ihr verpflichteten Politik und Wissenschaft ein verengter Gewaltbegriff in Umlauf ist. In dessen definitorisch einseitig reduzierter Perspektive werden nur jene Muslime als „gewaltbereit“ erfasst, die an der Vorbereitung und Durchführung von Anschlägen, Attentaten, Entführungen etc. beteiligt sind. Alle übrigen Muslime gelten per se als „friedlich“. Diskursiv ausgespart bleiben dabei aber jene Kräfte, die innerhalb der muslimischen Einwanderermilieus Repressions- und Kontrollmacht ausüben und in diesem Kontext intramuslimische Gewalt anwenden[9]oder dazu ausrufen[10]. Das gilt zum Beispiel für die Praktiken großfamilialer Ehrenmoral sowie für die Einschüchterung und Bestrafung unbotmäßiger Frauen und Mädchen, die sich etwa dem Zwang arrangierter Ehen entziehen. Rechnet man diese interne (familiale) Gewaltpraxis als wesentliche Dimension hinzu und bezieht neben gewalttätig-aggressiven Reaktionen auf Islamkritik (Karikaturen, Filme, Bücher, Interviews etc.) auch kriminelle Gewaltanwendung muslimisch sozialisierter Tätergruppen sowie das beträchtliche antisemitische und homophobe Einstellungspotential unter Muslimen hinzu, dann gerät das herkömmliche Aufteilungsklischee noch stärker ins Wanken. Leider bleiben aber diese integralen Aspekte aus dem Untersuchungsbereich „Einstellungen zu politisch-religiös motivierte Gewalt“ fast gänzlich ausgeklammert[11].

Unter der Rubrik „Einstellung zu bewaffnetem Kampf und körperlicher Gewalt mit religiöser Motivation“ zeigt das Antwortverhalten dann in dieser „gestutzten“ Perspektive u. a. folgende Ergebnisse:

38,3% sehen in einer nicht näher definierten Bedrohung des Islam durch die westliche Welt einen Rechtfertigungsgrund dafür, dass Muslime sich mit Gewalt verteidigen. Nur eine kleine Minderheit von 7,6% bekennt offen ihre Bereitschaft, körperliche Gewalt gegen Ungläubige anzuwenden, wenn es der islamischen Gemeinschaft dient. 44,3% gehen davon aus, dass Muslime, die im bewaffneten Kampf für den Glauben streben, ins Paradies kommen. Die Aussage „Selbstmordattentate sind feige und schaden der Sache des Islam“ wird in Dissonanz dazu aber nur von 8,7% abgelehnt. Die Vorgabe der Aussage „Kein Moslem ist berechtigt, im Namen Allahs andere Menschen zu töten“ ist insofern unbrauchbar, da hier offen bleibt, wer denn nun mit „andere Menschen“ gemeint ist: Muslime oder Ungläubige?

Im Vergleich zur muslimischen Allgemeinbevölkerung ist die Rate massiver Gewaltbefürworter unter jugendlichen Muslimen doppelt so hoch. Die Autoren kommen im Rahmen ihres konzeptionellen Ansatzes zu dem Ergebnis, dass die Gesamtmenge muslimischer Jugendlicher mit „demokratiedistanten“ Einstellungen und/oder religiös konnotierten Vorurteilen und/oder einer hohen Akzeptanz politisch/religiös motivierter Gewalt 29,2% der Probanden umfasst.

Insgesamt ergibt sich damit, dass aufgrund a) der um wesentliche Kernbereiche beschnittenen Erfassung der Demokratieeinstellung sowie der positiven Fehldeutung bestimmter Antworten und b) der operationalen Anwendung eines kriminologisch-sicherheitspolitisch verengten Gewaltbegriffs, der wesentliche milieuinterne und nichtterroristische Gewaltdimensionen ausblendet, die Autoren zu einer gravierenden Verkleinerung bzw. Unterschätzung des realen „islamismusaffinen“ (besser: islamistischen) Potentials unter den Muslimen in Deutschland gelangen. Dennoch ist auf der Grundlage auch dieser Untersuchungsergebnisse festzustellen, dass im Gegensatz zu öffentlichen Stellungnahmen der muslimischen Verbände und ihnen nahe stehender „Islamexperten“ der Anteil antidemokratisch-autoritärer Einstellung bei Muslimen im Vergleich zu Einheimischen fast doppelt so hoch ist. Den diesbezüglichen relativistischen Abwehrversuchen, den Faktor Bildung vom religiös-kulturellen Hintergrund abzutrennen und zum Zwecke der Kritikimmunisierung des Islam zur Geltung zu bringen, ist entgegenzuhalten, dass es ja gerade die religiös-kulturelle Prägung der Jugendlichen im Rahmen von traditionell-konservativen Sozialisationsprozessen ist, die ‚moderne’ Bildungsorientierungen einschließlich sprachlicher Voraussetzungen systematisch erschwert und so eigenständig zu selbstinduzierter „Benachteiligung“ bzw. „Minderausstattung“ für den spätkapitalistischen „Kampf um Arbeitsplätze“ führt[12].

  1. Das ‚übergreifende‘ und vereinheitlichende Ziel der islamistischen Bewegung besteht in der Errichtung einer religiösen Diktatur auf der Grundlage ‚absolut‘ gültiger islamischer Normen und Vorschriften. Diese Übereinstimmung in der religiös-totalitären Zielsetzung sowie in der hasserfüllten Ablehnung der ‚kulturellen Moderne‘ hat nun aber nicht zu einer einheitlichen Vorgehensweise der unterschiedlichen islamistischen Kräfte geführt. Zu konstatieren ist vielmehr eine Differenzierung in zwei unterschiedliche strategische Lager: Einerseits hat sich ein militant-aggressiver Flügel herausgebildet, der offen für die gewaltsame Einführung einer islamistischen Herrschaftsordnung eintritt und Terroranschläge gegen die „Feinde des Islam“ befürwortet, unterstützt und z. T. auch selbst ausführt. Andererseits hat sich gerade unter den Bedingungen der westlichen Diaspora ein „Islamismus auf leisen Sohlen“ etabliert, der darum bemüht ist, hinter der Maske einer taktisch und rhetorisch geschickt getarnten Außendarstellung innerhalb der westlichen Aufnahmeländer islamistisch reglementierte und kontrollierte Gegenmilieus zu installieren und auszubauen, d. h. eine Strategie der schleichenden Islamisierung zu betreiben. Allerdings sollte diese strategische Differenzierung nicht als feindschaftliche Spaltung missverstanden werden. Vielmehr kommt es im Rahmen von Moscheevereinen, islamischen Zentren und ähnlichen Einrichtungen immer wieder zu kommunikativen und kooperativen Verknüpfungen zwischen offen militanten und nach außen gemäßigten Islamisten.

Vor diesem Hintergrund ist es nun aber unzureichend, sich mit der Feststellung zu begnügen, dass eine „fundamentale Ausrichtung“ nicht unmittelbar mit „Gewaltbereitschaft“ und „Extremismus“ gleichgesetzt werden kann. Denn wenn man „Islamismus“ mit „Terrorismus“ gleichsetzt und mit Hilfe dieser reduktionistischen Definition die ‚nichtterroristischen’ Praxisformen islamistischer Akteure im Grunde legitimiert bzw. entproblematisiert und fehletikettiert, gelangt man begrifflich-methodisch zu einer radikalen Verkennung der realen Gefährdungsprozesse. Nicht etwa nur der offen Gewalt befürwortende Anteil von ungeschminkten Al Qaida-Sympathisanten stellt eine Bedrohung dar. Wesentlich bedeutsamer ist vielmehr die alltägliche Praktizierung einer islamistischen Grundüberzeugung in Form z. B. von Mediennutzung, Erziehungsverhalten, familialer Normensetzung und Sanktionierung, selektiver Kommunikation mit „Gleichgesinnten“, integrationsfeindlicher Einstellung, Artikulation islamistischer Überzeugungen und Unterstützung islamistischer Bestrebungen durch Spenden, Verteilen von Propagandamaterial u. ä. Auf diese Weise trägt die zumeist unspektakuläre und von der Aufnahmegesellschaft in der Regel gar nicht wahrgenommene subjektive Alltagspraxis „streng gläubiger“ Muslime zu Installierung und Reproduktion von antidemokratisch-repressiven ‚Gegenmilieus‘ bei, die den in ihr sozialisierten und unterworfenen Individuen keine freiheitliche soziokulturelle Wahlmöglichkeit lassen[13]. Diese ‚binnentotalitäre‘ Eliminierung oder zumindest doch sehr weitgehende Ausschließung subjektiver Wahl- und Entscheidungsfreiheiten durch die Setzung absoluter islamischer Verhaltensvorschriften erzeugt nicht nur integrationsresistente Menschen mit einer autoritär-aggressiven und feindselig-antiaufklärerischen Persönlichkeitsstruktur, sondern verstärkt zudem die spätkapitalistischen Zersetzungstendenzen des sozialen und normativen Zusammenhalts. Zudem erfährt das einheimische Lager des Rechtsextremismus durch den zugewanderten Islamismus einen enormen Zuwachs und behindert so zusätzlich das Eintreten für eine progressive Gesellschaftsveränderung.

  1. Die Untersuchung belegt, dass eine sehr große Zahl von Muslimen in Deutschland die „westliche Kultur“ in einer sehr einseitigen und vulgär-primitiven Weise als „degenerierten Hedonismus“ und „dekadenten Materialismus“ wahrnimmt und bewertet (ohne die unsägliche Bigotterie sowie die autokratische Repression in den eigenen islamischen Herkunftsländern zu reflektieren). Gleichzeitig fühlt sich diese muslimische Mehrheit „marginalisiert“, „gedemütigt“ und „diskriminiert“, wenn angesichts einer Vielzahl von weltweiten Terroranschlägen mit muslimischen Tätern/Tätergruppen, zahlreichen Gewalttaten und Repressionsmaßnahmen im Namen des Islam bzw. im Kontext islamischer Herrschaftsverhältnisse (Ehrenmorde, Steinigungen, Todesstrafen, Zwangsverheiratungen, Mordaufrufe gegen Islamkritiker etc., gewalttätiger Intoleranz anlässlich des Karikaturenstreits) kritische Einstellungen innerhalb der einheimischen Bevölkerung vorhanden sind und zum Teil auch kommuniziert werden.

Gegenüber diesen Einstellungen und mentalen Dispositionen von Muslimen lassen die Autoren nicht nur eine (politisch korrekte/erwünschte) unkritische Haltung erkennen, sondern weichen auch in folgender Hinsicht vom Pfad einer seriösen wissenschaftlichen Untersuchung ab:

1) Neben der unkritischen Übernahme der zum Teil selbstgerechten und unter Muslimen sehr verbreiten Tendenz, sich als Opfer zu inszenieren und sich „beleidigt“ und „gedemütigt“ zu fühlen bzw. „nicht anerkannt“ zu werden (individuelle und kollektive Viktimisierung und Marginalisierung) ist hier die untersuchungstechnisch unhaltbare Asymmetrie anzuführen, nur Muslime als Objekt von Ausgrenzung und Diskriminierung zusehen, nicht aber einheimische und nichtmuslimische Probanden sowie nicht angepasste Muslime (Schüler, Gleichaltrige) als mögliche Opfer von muslimischen Übergriffen, Raub- und Rohheitsdelikten sowie Diskriminierungen („Scheiß Deutscher“, „Schweinefleischfresser“, kopftuchlose „Hure“ etc.) zu befragen. Das ist gerade vor dem Hintergrund überproportional hoher Anteile von jugendlichen muslimischen Straftätern und devianten Jugendcliquen mit muslimischer Zusammensetzung besonders unverständlich[14]. Damit bleibt einmal mehr die gesellschaftspolitisch höchst kardinale Frage ungeklärt, ob nicht vielmehr muslimisch-dominantes (darunter gewaltkriminelles und pro-islami-stisches) Auftreten die Ursache für „Diskriminierungsreaktionen“ ist als umgekehrt.

2) Als unhaltbar muss auch die Gleichsetzung stereotyper antisemitischer Vorurteile bei muslimischen Schülern und Studierenden mit erfahrungs-, informations- und wissensbasierten, wenn auch zum Teil „übergeneralisierten“, Urteilen über Muslime als überzeugte Anhänger einer inhaltlich objektiv problematischen Religion gesehen werden. So ist es – vor dem Hintergrund der realpolitischen Fakten- und Nachrichtenlage – schlicht abwegig, folgende Items auf eine Stufe zu stellen bzw. gegeneinander zu verrechnen:

(a) „Menschen jüdischen Glaubens sind überheblich und geldgierig“

und

(b) „Muslime sind intolerant und gewalttätig“.

Genau so gut könnte man dann auch die Protokolle der Weisen von Zion und die Protokolle der Gerichtsprozesse gegen muslimische Terroristen als gleichgewichtig behandeln.

Verschwörungsideologische Hetze ohne realempirische Referenz ist – auch im Diskurs der Vorurteilsforschung – etwas ganz anderes als faktenbezogene und erfahrungsbasierte Überverallgemeinerung. Dass einheimische Jugendliche signifikant deutlich weniger religiös, autoritär und antisemitisch eingestellt sind als muslimische Jugendliche ist im Übrigen – gerade in der Perspektive der zukunftsbezogenen Rechtsextremismusforschung – als ein sehr wesentliches Datum anzusehen: „Bezogen auf antisemitische Vorurteilsbekundungen äußern junge Muslime mit 15,7% die höchste Zustimmung. Bei den Nichtmuslimen mit Migrationshintergrund liegt diese Quote bei 7,4% und bei den einheimischen Jugendlichen bei 5,4%“ (S. 275).

Interessant wäre in diesem Kontext auch ein Vergleich bezüglich der deutschen Erinnerungskultur im Hinblick auf die nazistische Judenvernichtungspolitik einerseits und den türkischen Umgang mit der vorausgehenden Vernichtung der Armenier andererseits gewesen.

Grundsätzlich gilt es hier Folgendes festzuhalten: Tatsächlich gibt es in Deutschland eine überschaubare Minderheit von rassistisch-fremdenfeindlich bzw. „ausländerfeindlich“ eingestellten Menschen. Kennzeichnend für diesen völlig zu Recht scharf kritisierten Einstellungstyp ist die pauschal-negative Bewertung und Ausgrenzung von Nichtdeutschen nur aufgrund ihres körperlich sichtbaren und sprachlich wahrnehmbaren Andersseins, das zugleich als abstammungsbiologisch minderwertig und nicht mit der deutschen Volksgemeinschaft vereinbar diskriminiert wird. D. h.: Nichtdeutsche werden vermittels dieses stereotyp-reflexhaft wirksamen Wahrnehmungs- und Bewertungsrasters von vornherein und unabhängig von ihren konkreten weltanschaulich-politischen, geistig-moralischen und kulturell-normativen Überzeugungen, Handlungsdispositionen, Praktiken und Absichten negativ etikettiert. Dabei ist dieses rassistisch-fremdenfeindliche Wahrnehmungs- und Bewertungsraster das Produkt der spontan-sozialisatorischen und/oder indoktrinär vermittelten Aneignung einer entsprechenden rassistisch-fremdenfeindlichen Ideologie.

Von diesem rassistisch-fremdenfeindlichen Einstellungstyp gilt es nun aber die erfahrungs-, informations- und wissensbasierte, also inhaltlich begründete bzw. begründbare Kritik an muslimischen Zuwanderern begrifflich klar abzugrenzen und zu unterscheiden. Denn Menschen werden hier nicht a priori aufgrund rein äußerlicher Körpermerkmale oder bloßen „Nichtdazugehörens“ diskriminiert, sondern im Hinblick auf ihre konkreten weltanschaulich-politischen und kulturell-normativen Überzeugungen, Orientierungen und Praktiken etc. kritisiert. Nicht das irreversible (natürliche) Anderssein „an sich“ wird hier fokussiert, sondern die spezifische (kontingente) Form dieses Andersseins anhand eines begründeten, d. h. argumentativ reflektierbaren „Leitfadens“. Betrachtet man nun die objektiven Glaubensgrundlagen und Inhalte des Islam sowie die repressiv-antiemanzipatorische Praxis quantitativ und qualitativ bedeutender muslimischer Akteure, dann kann nicht ernsthaft bestritten werden, dass es „gute Gründe“ für eine kritische Einstellung gibt. Zwar mag es in diesem Kontext zu inadäquaten „Überverallgemeinerungen“ kommen („Alle Muslime sind intolerant und gewalttätig“ anstatt „Zahlreiche/zu viele Muslime sind intolerant und gewaltig“). Aber das ist immer noch kein Grund, islamkritische Einstellungen als „islamophob“ zu irrationalisieren bzw. zu pathologisieren und mit rassistisch-fremdenfeindlichen oder mit antisemitischen Einstellungen (insbesondere auch von Muslimen) auf eine Stufe zu stellen. Vor allem dann nicht, wenn man die Diskriminierungs- und Misshandlungserfahrungen von Einheimischen mit muslimischen Tätern außer Betracht lässt.

Solange und insoweit Wissenschaftler – mit oder ohne die Ummäntelung der mythischen „Wertfreiheit“ und vorgeblichen „Neutralität“ – dazu beitragen, den wesensmäßigen Unterschied zwischen rassistisch-fremdenfeindlichen Vorurteilen und begründeter Islamkritik zu verwischen, betreiben sie selber eine fatale Diskriminierungs- und Ausgrenzungspraxis, die ihrerseits dazu beiträgt, nichtrassistisch-islamkritische Einheimische zu marginalisieren und – angesichts der „politisch korrekten“ Tabuisierung islamkritischer Themen – zur leichten Beute von rechtspopulistischen Kräften zu machen.

  1. Einordnung der Studie

Die Studie liefert – trotz der aufgezeigten konzeptionellen und fragestrukturellen Defizite – eine Reihe von relevanten Daten über die weltanschaulich-politischen Einstellungen und soziokulturell-normativen Orientierungen der Muslime in Deutschland. Damit trägt sie im Sinne einer ausschnitthaften Momentaufnahme dazu bei, den im Folgenden knapp skizzierten, gesellschaftspolitisch immer relevanter werdenden Problemprozess ein Stück weit aufzuhellen.

1) Die zukünftige Entwicklung in Europa und in Deutschland wird durch eine gravierende Veränderung der Anteilsrelationen zwischen nichtmuslimisch-einheimischer und zugewanderter muslimischer Bevölkerung gekennzeichnet sein. Aufgrund einer höheren Geburtenrate wird sich die Zahl der Muslime in Deutschland in den nächsten zehn Jahren verdoppeln, während die deutsche Bevölkerung im gleichen Zeitraum deutlich abnehmen und älter werden wird.

2) Die Ausdehnung/Erhöhung des muslimischen Bevölkerungsanteils in Europa und Deutschland ist gekoppelt an eine sehr markante soziokulturelle ‚Selbstabschließung’dieser anteilsmäßig wachsenden Zuwanderergemeinschaft. So zeigt die Studie, dass nur ein verschwindend geringer Prozentsatz der Muslime in Deutschland (4,2%) nichtmuslimische Ehepartner heiratet/heiraten darf.

3) Diese durch das religiös-normative Heiratsverhalten vermittelte ‚Selbstabschließung’ des muslimischen Bevölkerungsanteils führt zur Reproduktion relativ geschlossener Sozialisationsmilieus, die als Vermittlungsinstanzen religiös-autoritär und patriarchalisch bestimmter Subjektentwicklungsprozesse mit den dargestellten Einstellungs- und Verhaltensprofilen fungieren. Die Stabilität dieser Sozialisationsverhältnisse zeigt sich insbesondere darin, dass der Grad der religiösen Bindung, der tendenziellen Gewaltbereitschaft gegenüber der „Kultur der Ungläubigen“ und der offensiven Distanz zu säkular-demokratischen Prinzipien in der nachwachsenden Generation der muslimischen Schüler sogar noch größer ist als in der Elterngeneration[15]. Dabei ist die Herausbildung „islamismusaffiner“ bzw. antidemokratisch-antiwestlicher Bewusstseinsformen und -inhalte kein reines „Unterschichtenphänomen“, sondern findet sich auch mit ca. einem Drittel in recht ausgeprägtem Umfang unter muslimischen Studierenden.

4) Aus der Basis dieser soziokulturell abgedichteten muslimischen Lebens- und Sozialisationsmilieus heraus agieren die koordinierten Vertreter des Verbandsislam für die sukzessive Ausdehnung und ‚Anerkennung’ der islamischen Herrschaftskultur im Sinne der Festigung und Erweiterung islamisch geprägter, normierter und kontrollierter Institutionen, Sektoren und Einflusszonen in Gestalt eines kontinuierlichen Moscheebaus, der Durchsetzung von islamischem Religionsunterricht, der Einklagung des Kopftuchtragens im öffentlichen Dienst, der Einführung zahlreicher islamischer Vorschriften in öffentlichen Einrichtungen (Speiseverbote in Erziehungseinrichtungen, Badetage nur für muslimische Frauen, Antrag auf Sonderregelungen für muslimische Schüler/innen, Forderung nach islamischen Gräberfeldern, Einklagung des Schächtens etc.).

Anstatt mit einem sicherheitspolitisch und kriminologisch eingetrübten Blick nur auf den militant-terroristischen bzw. djihadistischen Flügel des Islamismus zu starren, stellt der nach außen „friedliche“ Block der legalistischen Islamisten – vor dem Hintergrund der expansiven islamischen Sozialisationsräume – das gesellschaftspolitisch letztendlich größere und nachhaltiger Bedrohungs- und Destabilisierungspotential dar[16]. Wenn 100 Prozent einer Bevölkerung von den Grundwerten und Prinzipien der „kulturellen Moderne“ bzw. einer säkular-demokratischen Gesellschaftsordnung überzeugt sind, dann ist es egal, wie sie sich ethnisch zusammensetzt. Aber wenn der eine Teil einer Bevölkerung an die menschenrechtlich fundierte Demokratie glaubt und der andere nicht, spielt es eine große Rolle, ob der menschenrechtlich-demokratisch orientierte Teil 90 oder nur 60, 50 oder 45 Prozent der Bevölkerung auf sich vereint. In diesem Sinne stellt der (zusätzliche) Migrationsimport einer großen Zahl von Menschen mit einer religiös-rechtsextremistischen Grundgesinnung und einem desintegrativen Sozialisationsstil ein zukünftiges gesellschaftspolitisches Kernproblem dar, das von der deutschen Öffentlichkeit bislang noch völlig unzureichend begriffen und behandelt oder aber anders ausgedrückt: politisch korrekt beschwiegen wird.

 

Literatur:

Bozay, Kemal: „…ich bin stolz, Türke zu sein!“. Ethnisierung gesellschaftlicher Konflikte im Zeichen der Globalisierung. Schwalbach/Ts. 2005.
Frerk
, Carsten: „Muslime“ in Deutschland. Eine Annäherung.http://fowid.de/fileadmin/textarchiv/Muslime_in_Deutschland__Carsten_Frerk___TA-2007-10.pdf
Heitmeyer
, Wilhelm/Müller, Joachim/Schröder, Helmut: Verlockender Fundamentalismus. Türkische Jugendliche in Deutschland. Frankfurt am Main 1997.
Kohlhammer
, Siegfried: Kulturelle Grundlagen wirtschaftlichen Erfolgs.http://www.eurozine.com/articles/2006-11-02-kohlhammer-de.html. (zuletzt eingesehen am 20.02.2008.)
Der Koran (herausgegeben von Kurt Rudolph und Ernst Werner), Leipzig 1984. 6. Auflage.
Krauss
, Hartmut: Faschismus und Fundamentalismus. Varianten totalitärer Bewegung im Spannungsfeld zwischen ‚prämoderner’ Herrschaftskultur und kapitalistischer ‚Moderne’. Osnabrück 2003.
Krauss
, Hartmut: Integration im Zeichen globaler Krisenverflechtung und soziokultureller Konfliktdynamik (Teil 2). In: HINTERGRUND IV-2006, S. 3-38.
Krauss
, Hartmut: Islamismus als religiöser Totalitarismus. In: Aufklärung und Kritik. Sonderheft 13/2007. Schwerpunkt: Islamismus. S. 199-231.
Pfahl-Traughber
, Armin: Die Islamismuskompatibilität des Islam. In: Aufklärung und Kritik. Sonderheft 13/2007a. Schwerpunkt: Islamismus. S. 62-78.
Pfahl-Traughber
, Armin: Islamismus als extremistisches und totalitäres Denken. In: Aufklärung und Kritik. Sonderheft 13/2007b. Schwerpunkt: Islamismus. S. 79-95.
Pfeiffer
, Christian; Wetzels, Peter: „Junge Türken als Täter und Opfer von Gewalt“. KFN-Forschungsbericht Nr. 81, Hannover 2000.
Tibi
, Bassam: Islamische Zuwanderung. Die gescheiterte Integration. Stuttgart München 2002.

 

[1] Der genau Titel der Studie lautet: Muslime in Deutschland. Integration, Integrationsbarrieren, Religion und Einstellungen zu Demokratie, Rechtsstaat und politisch-religiös motivierter Gewalt. Ergebnisse von Befragungen einer multizentrischen Studie in städtischen Lebensräumen. Autoren: Katrin Brettfeld und Peter Wetzels unter Mitarbeit von Ramzan Inci, Sarah Dürr, Jan Kolberg, Malte Kröger, Michael Wehsack, Tobias Block und Bora Üstünel. Hamburg, Juli 2007.

[2] Bei der Clusteranalyse handelt es sich um ein Verfahren, „mit dem Personen nach dem Kriterium der Ähnlichkeit ihres Antwortverhaltens in definierten Variablen so gruppiert werden, dass die Unterschiede innerhalb einer Gruppe möglichst gering, die Unterschiede zwischen den verschiedenen Gruppen (Clustern) hingegen möglichst maximal sind. Identifiziert werden mithin Gruppen, die ähnliche Kombinationen von Einstellungen, mithin Einstellungsmuster bezogen auf die … verwendeten … Items aufweisen“ (S. 99).

[3] Würde man nur den Moscheebesuch als Indikator für ‚Religiosität’ fokussieren, dann wären tatsächlich 58,9% der befragten Muslime „Nichtreligiöse“, da sie „nie“ oder „nur ein paar mal im Jahr“ die Moschee oder einen Gebetsraum besuchen. Wie aber die Antworten auf die anderen Fragen zu „Religiosität“ und  „Gläubigkeit“ verraten, würde man sich etwas Falsches vormachen, wenn man anhand dieses isolierten Einzelbefundes die weltanschauliche Grundeinstellung und Identität der „Muslime in Deutschland“ festmachen würde. Insofern zeigt die Studie ein erheblich präziseres Bild als die von Carsten Frerk (2007) vorgenommene Darstellung. Allerdings spricht die hohe Zahl von Nichtmoscheebesuchern auch und gerade unter gläubigen Muslimen sehr überzeugend gegen einen weiteren Moscheebau in Deutschland. Auch geht die These, dass die Muslime in Deutschland bislang vornehmlich in heruntergekommenen Hinterhöfen beten müssten, auf geradezu groteske Weise völlig an der Realität vorbei.

[4] Vgl. Krauss 2003 und 2007 sowie Pfahl-Traughber 2007a und 2007b.

[5] Zur „Türkisch-Islamischen Synthese“ vgl. zum Beispiel die prägnante Skizze bei Bozay 2005.

[6] Wie jede Form reaktionär-fundamentalistischer Religiosität besitzt auch der konservative Gesetzes-Islam eine Doppelgestalt: passiv-fatalistische Hinnahme bestehender Herrschaftsverhältnisse, die sich als göttlich legitimiert ausweisen; aktivistisch-militanter Einsatz für die Errichtung einer ‚absoluten’, göttlich sanktionierten Herrschaftsordnung, insofern bestehende Verhältnisse als ‚nicht göttlich sanktioniert’ angesehen werden.

[7] „D. h., brecht den Verkehr mit ihnen ab.“ Anmerkung des Übersetzers in: Der Koran 1984, S. 102.

[8] Aufschlussreich ist in diesem Kontext auch die folgende Asymmetrie zwischen westlicher und islamischer Herrschaftskultur auf dem Gebiet der Integrationspolitik: Während sich westliche Staaten wie Deutschland eine mit Steuergeldern üppig subventionierte Integrationsindustrie leisten, um das anwachsende muslimische Subproletariat halbwegs ruhig zu stellen, verfahren islamische Länder mit ihren ‚ungläubigen’ Einwanderern und ‚Gastarbeitern’ folgendermaßen: Ohne auch nur die Spur eines westlichen Protestes hervorzurufen, haben die (islamischen) Malediven zum Jahreswechsel allen Nicht-Muslimen des Landes per Gesetz kurzerhand die Staatsbürgerschaft entzogen und damit zu Staatenlosen gemacht. Bahrain und die Golfstaaten haben ihrerseits angeordnet, dass Ausländer nicht länger als sechs Jahre im Land verweilen dürfen, da man fürchtet, dass die vielen fremden Gastarbeiter eines Tages den Wunsch hegen könnten, sich auch politisch in den muslimischen Parlamenten repräsentieren zu lassen. Immerhin sind 37 Prozent der in den Golfstaaten lebenden Bürger ‚Ausländer’. Nun artikuliert auch Saudi-Arabien Angst vor künftigem internationalen Druck. So sagte der saudische Arbeitsminister Ghazi al-Gosaibi im Gespräch mit der Zeitung Al-Eqtisadiah ganz offen, man fürchte sich vor internationalen Pressionen, eines Tages die vielen im Lande lebenden ungläubigen Gastarbeiter integrieren oder gar an Wahlen beteiligen zu müssen. (Quelle: Middle East online 11. Februar 2008). Interessanterweise hatte Saudi-Arabien unlängst in deutlichem Kontrast hierzu die Europäische Union öffentlich dazu aufgefordert, die in Europa lebenden Muslime stärker zu integrieren.

[9] Diese verfassungswidrige intramuslimische Gewaltpraxis wird von den Staatsschutzorganen in der Regel nicht oder nur unzureichend erfasst und bleibt somit auch im „nachgelagerten“ politischen und medialen Offizialdiskurs weitgehend ausgeklammert. Auf diese Weise kommt es dann sehr oft zur objektiv schönfärberischen Unterschätzung des muslimischen Gewaltpotentials.

[10] Bedeutsam sind hierbei z. B. von muslimischen Gelehrten herausgegebene Fatwas (Rechtsgutachten) als ideologische Instrumente zur Legitimierung islamistischer Gewaltanwendung.

[11] Ausnahme ist hier lediglich die Frage nach der Verbreitung antisemitischer Einstellungen bei muslimischen Schülern und Studierenden. Dabei wissen es die Autoren eigentlich besser, wie aus anderen Veröffentlichungen hervorgeht (z. B. Pfeiffer/Wetzels 2000).

[12] Hier gilt folgende Überlegung von Kohlhammer (2006): „Ein … entscheidender kultureller Faktor ist die Lernbereitschaft einer Kultur, ihre Rezeptivität anderen Kulturen gegenüber. Die traditionelle islamische Gesellschaft versteht sich als die beste aller Gemeinschaften, sie hat von anderen Kulturen nichts mehr zu lernen. Diese kulturelle Arroganz stellt ein wichtiges Integrationshindernis dar und hat auch negative wirtschaftliche Folgen. Zwar haben auch die traditionellen muslimischen Familien oft eine positive Einstellung zu Schule und Lernen, aber dabei geht es um die orthodoxen, approbierten Inhalte, die die eigene Kultur und Religion vermitteln und bestätigen, geht es um den Koran, die Prophetenworte und um islamische Gelehrtheit, um die ruhmreiche arabische oder türkische Geschichte.

Das bietet das deutsche Schulsystem aber nicht, sondern es fördert eigenständiges kritisches Denken, ‚Hinterfragen’, innovative Kreativität. Die in der deutschen Schule erfolgreichen muslimischen Kinder, Mädchen vor allem, stellen so eher eine Bedrohung der Kohäsion der Familie dar, eine Bedrohung der Autorität und Kontrollmacht des Patriarchen. Der anhaltende schulische Mißerfolg türkischer und arabischer Kinder in Deutschland kann allein durch die Mängel des deutschen Bildungssystems nicht ausreichend erklärt werden: Andere Immigrantengruppen, zum Beispiel die Vietnamesen, sind viel erfolgreicher. Die Armut unter den Immigranten nehme deutlich zu, wird Anfang des Jahres berichtet. ‚Vor allem Bürger aus der Türkei seien häufig arm […] 23 Prozent der Zuwanderer lebten 2003 in Armut’, der Bundesdurchschnitt lag 2003 bei 13,5 Prozent. Laut Datenreport des Integrationsbeauftragten sind 37,9 Prozent der Ausländer in Berlin arbeitslos, gegenüber 17,4 Prozent der Deutschen. Fast 15 Prozent der Ausländer über 65 Jahre beziehen Sozialhilfe, aber nur 1,5 Prozent der Deutschen. 12,2 Prozent der ausländischen Schüler machen Abitur, aber 33,4 Prozent der deutschen.“

Von ausschlaggebender Bedeutung ist hier zudem die sozialisatorische Bedeutung der aus der Türkei importierten Bräute: „Nach der Zwangsverheiratung mit einem (manchmal verwandten) Mann türkischer Herkunft aus Deutschland kommt sie in eine türkische Familie, in der sie weitestgehend isoliert von der nichtmuslimischen Außenwelt und uninformiert über die deutsche Aufnahmegesellschaft wie in einer soziokulturell abgeschotteten Quarantänestation lebt. Der deutschen Sprache kaum oder gar nicht mächtig, kommuniziert sie mit ihren bald geborenen Kindern nur auf türkisch und erzieht sie nach den islamisch-traditionellen Regeln, nach denen sie selbst erzogen wurde und die für sie als einzig gewusste Orientierungen unhinterfragt und alternativlos gültig sind. In Verbindung mit der skizzierten patriarchalisch-autoritären Familienstruktur und deren Normengefüge sind die Produkte dieser Erziehungsprozesse dann oftmals jene aggressiv-machistischen Schulversager oder aber verängstigt-verschlossene und schicksalsergebene Mädchen und junge Frauen – bereit für die nächste Reproduktionsspirale islamischer Herrschaftskultur“ (Krauss 2006, S. 21).

[13] Es ist davon auszugehen, dass die heutige Konstitution der islamischen Subkultur in ihren normativen und geistig-moralischen Beschaffenheitsmerkmalen noch weitaus reaktionärer ist, als es die postfaschistische deutsche Ordnungskultur der fünfziger und sechziger Jahr je war, gegen die damals die 68er Bewegung recht erfolgreich zu Felde zog.

[14] Vgl. hierzu exemplarisch die Studie „Gewalt von Jungen, männlichen Jugendlichen und jungen Männern mit Migrationshintergrund in Berlin“, herausgegeben von der Landeskommission Berlin gegen Gewalt 2007.

[15] In der Studie von Heitmeyer/Müller/Schröder (1997, S. 129) stimmten 35,7% der befragten türkischen Jugendlichen folgender Aussage zu: „Wenn es der islamischen Gemeinschaft dient, bin ich bereit, mich mit körperlicher Gewalt gegen Ungläubige durchzusetzen.“ 24,3% bejahten die Aussage: „Wenn es der islamischen Gemeinschaft dient, bin ich bereit, andere zu erniedrigen.“ 28,5% regierten positiv auf die Aussage „Gewalt ist gerechtfertigt, wenn es um die Durchsetzung des islamischen Glaubens geht.“ Und 23,2% stimmten der Aussage zu: „Wenn jemand gegen den Islam kämpft, muß man ihn töten.“ In der vorliegenden Studie „Muslime in Deutschland“ stimmen 33,6% der Aussage zu „Die Bedrohung des Islam durch die westliche Welt rechtfertigt, dass Muslime sich mit Gewalt verteidigen“. 21,4% bejahen die Aussage „Gewalt ist gerechtfertigt, wenn es um die Verbreitung und Durchsetzung des Islam geht.“ Und 24,0% äußern Zustimmung zur Vorgabe „Wenn es der islamischen Gemeinschaft dient, bin ich bereit, körperliche Gewalt anzuwenden“ (S. 319).

[16] Auf einer Veranstaltung des IGMG-Gebietes Schwaben am 4. Juni 2001 in Neu-Ulm referierten vor 15.000 Teilnehmern der damalige IGMG-Vorsitzende Erbakan, sein Stellvertreter Karahan sowie die frühere Abgeordnete der islamistischen Refa Partisi (RP) im türkischen Parlament, Merve Kavakçi. Dabei rief Erbakan im Sinne seiner Kampagne zur Annahme der deutschen Staatsangehörigkeit den Anwesenden zu:

„Ich will deutsche Muslime sehen! Durch die Heirat von deutschen Muslimen mit türkischen Staatsangehörigen und dem Familiennachzug aus der Türkei könnte das Potential von deutschen IGMG-Anhängern rasch wachsen. In einem Zeitraum von fünf Jahren sei so das Ziel zu erreichen, eine erfolgreiche islamische Wahlpartei in Deutschland zu gründen. Voraussetzung für eine Teilnahme an Wahlen sei allerdings die deutsche Staatsangehörigkeit. Auch Karahan sprach von einer islamischen Partei in Deutschland, die in wenigen Jahren den Einzug in den Berliner Reichstag schaffen könne. Denn in Deutschland hielten sich etwa 7 Millionen Moslems legal oder illegal auf. In etwa fünf Jahren werde diese Zahl auf rund 11 Millionen anwachsen. Und in weiteren fünf Jahren etwa 16 Millionen betragen Dann sei man bereits so stark wie die ehemaligen Einwohner der DDR“ (vgl. Tibi 2002, S. 269f.). Auch wenn die im Zitat unterstellten Zahlen nicht stimmen, so ändert das doch nichts an der deutlich erkennbaren Grundabsicht.

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