Respekt für den Führer und antirassistische Demagogie als Abwehrmechanismus

 In Spätkapitalistische Systementwicklung

Anmerkungen zum Fall Mesut Özil

In der „Affäre Özil“ geht es um mehr als „nur“ um Fußball und den DFB. Es geht, wie sich jetzt in den öffentlichen Stellungsnahmen zunehmend zeigt, um einen exemplarischen Fall misslungener Integration, um die demagogische Kaschierung dieses Sachverhalts mit Hilfe der notorischen Rassismuskeule sowie um unhaltbare Schuldzuweisungen.

  1. Zunächst ist festzuhalten, dass Özils freudestrahlendes Auftreten an der Seite eines repressiven Demokratiezerstörers wie Erdogan, der sein Land mittels brutaler Methoden in eine Präsidialdiktatur verwandelt hat, durch nichts zu rechtfertigen oder kleinzureden ist. Tatsächlich hat Özil, wie es in einer Pressemitteilung der Kurdischen Gemeinde in Deutschland zutreffend heißt, „respektlos gegenüber den vielen Opfern des Erdogan Regimes gehandelt, die entweder in den Gefängnissen sitzen, mit Berufsverboten belegt sind, im Exil oder im Untergrund leben müssen.“ Aus diesem Grund hätte der DFB sofort handeln und Özil, aber auch Gündogan, aus dem Kader der deutschen WM-Auswahl ausschließen müssen.
  2. In seiner nachtretenden Stellungnahme, die keinerlei kritische Selbstreflexion erkennen lässt, beruft sich Özil auf seine türkischen Wurzeln und behauptet, sich nicht mit Erdogan zu treffen, hätte bedeutet, diese Wurzeln nicht zu respektieren, unabhängig davon, wer Präsident sei. Bei dem „einfachen Foto“ sei es nicht um Politik gegangen, sondern um Respekt für das höchste Amt des Landes seiner Eltern.

Bei diesem Rechtfertigungsversuch handelt es sich nicht nur um faule Ausreden, sondern um durchaus repräsentative Bezeugungen einer erschreckend autoritätshörigen und zugleich pathetischen Unterwerfungshaltung gegenüber einer ultrareaktionären nationalistischen Herrschaftskultur sowie um die desintegrative Unfähigkeit auch noch der zweiten und dritten Generation türkisch-muslimischer Immigranten, repressive Traditionen endlich zu überwinden. Gibt es wirklich keine anderen Möglichkeiten, sich auf „türkische Wurzeln“ zu beziehen als diese Form unmündiger Respektbezeugung, wie sie Özil für sich als Rechtfertigung reklamiert?

  1. Die Kehrseite dieser dogmatisch-unkritischen Unterwerfungshaltung gegenüber der türkisch-nationalistischen Herkunftskultur ist dann – neben dem Hang zur Selbstgerechtigkeit und Selbstinszenierung als Opfer – die Schuldzuweisung an die Kritiker bzw. an die „böse Aufnahmegesellschaft“. Hier ist Özil nur ein Beispiel für viele aus der türkisch-sunnitischen und generell islamischen Community in Deutschland. Wer ihre reaktionären Einstellungen, rückständigen Traditionen, antiemanzipatorischen Normen und autoritären Denk- und Handlungsmuster kritisiert, wird in totaler demagogischer Umkehrung der realen Sachverhalte als „Rassist“, „Fremdenfeind“, „Nazi“ verleumdet. Ultrarechte Zuwanderer und ihre grünen und sozialdemokratischen Zulieferer etikettieren einheimische Verteidiger der säkular-demokratischen Grundprinzipien als „Rechte“. Hier reiht sich der „unpolitische“ Fußballprofi nahtlos ein. Ja, geht’s noch, Özil und Co? Bei aller Kritik auch an einheimischen Rechtsextremisten: Aber wenn etwas in Deutschland und Europa an die Nazis erinnert, dann sind das heute vornehmlich die Jubelparaden und Huldigungsaufmärsche für Erdogan und andere AKP-Politiker sowie die Umtriebe der Grauen Wölfe.
  2. Wie viele Türkeistämmige in Deutschland ist Özil –  unter dem Diktat von Erdogans Assimilationsphobie und den herkunftskulturellen „Wurzelzwängen“ – hier nie richtig angekommen. Materiell (mit dem Bauch) ist man gerne Deutscher, aber politisch-ideologisch (im Kopf) und emotional (im Herzen) ist man sunnitisch-nationalistischer Türke geblieben. Weil es dem Marktwert als Profifußballer genutzt hat, entschied man sich für die deutsche Nationalmannschaft. Aber die Loyalität gilt dennoch dem Land der angestammten Autoritäten. Nur wer wie Merkel, ihre regierungspolitische Entourage und der DFB „Integration“ lediglich als Reklame und/oder Phrase kennt, kann darüber einfach hinwegsehen.

Warum die orthodox-muslimischen und nationalistischen Türkeistämmigen auf Kritik und Ablehnung stoßen, hat nur in sehr seltenen Fällen mit echtem Rassismus zu tun. Die wirkliche Ursache liegt vielmehr in deren Einstellungen und Verhaltensweisen. Dazu abschließend ein Texthinweis und ein drastisches Video, das die Larmoyanz so mancher „Vielfaltsprediger“ hoffentlich ein wenig relativiert:

Studie zu Deutsch-Türkischen Lebens- und Wertewelten

Ein kurzer Abriss

http://www.gam-online.de/text-wertewelten.html

Die neuen türkischen Herrenmenschen in Deutschland‼

https://www.youtube.com/watch?v=KdYg_gwlUxI

 

(23.07.2018)

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