Zur Funktion der Sarrazin-Debatte für die postdemokratische Krisengesellschaft

 In Spätkapitalistische Systementwicklung

Die herrschenden Kräfte in Politik, Wirtschaft, Medien, Kirchen, Gewerkschaften, Justiz, Wissenschaft etc. sind relativ „einträchtig“ und koordiniert darum bemüht, das Problem der migrationsbedingten Etablierung und Ausdehnung islamischer Herrschaftskultur in Deutschland „kleinzuarbeiten“ und die diesbezüglichen kritischen Stimmungen innerhalb der Bevölkerung gezielt zu diskreditieren. Die Motivbasis hierfür bildet ein Gemisch aus spezifischen ökonomischen und politischen Gruppeninteressen sowie ein Geflecht aus verqueren ideologischen Ausrichtungen (Kulturrelativismus, Multikulturalismus, postmodern-nihilistischer Neoliberalismus, gutmenschelnder moralischer Narzissmus).

Eine zentrale Rolle spielt in diesem ideologischen Krieg gegen die erfahrungsgesättigte Mehrheitsmeinung innerhalb der Bevölkerung der Apparat der weitgehend gleichgeschalteten Massenmedien. Die Behauptung, es gäbe in spätkapitalistischen Gesellschaften, also unter Bedingungen der Verwandlung von „Meinung“ in Ware und der weitgehenden Monopolisierung von „Öffentlichkeit“ realiter „Demokratie“ und „Meinungsfreiheit“, war immer schon ein leeres und verlogenes Geschwätz. „Meinungsfreiheit“ ohne die Möglichkeit, diese auch chancengleich kundzutun, unterscheidet sich von offener Meinungsunterdrückung im Endeffekt nur durch die noch hinzu kommende zynische Verlogenheit. John Rawls würde angesichts der politisch korrekten und zensierten Meinungsdiktatur einen chronischen Brechreiz bekommen[1].

Aktuell lässt sich die spätkapitalistische Meinungsmanipulation an zwei Gegebenheit studieren:

1) An der Gleichschaltung der Medien zu Brain-washing-Zentralen im Dienste der aktuell auf Pakistan ausgerichteten Helferindustrie.

2) An der Aufbereitung der neu aufgelegten „Sarrazin-Debatte“.

Wie „funktioniert“ diese Debatte?

  1. Zum einen eignet sich Sarrazin aufgrund folgender Eigenschaften ideal als Quotenheld: Er ist ein „Verräter“ aus den Reihen der Staatselite und des politischen Establishments, der zugleich bewusst provozieren will und schlagzeilenträchtige verbale Attacken mit hohem Aufschreipotential produziert. Damit ist er ein „gefundenes Fressen“ für die profitorientierte Meinungsindustrie, der es primär auf Absatz und weniger auf Präzision und Qualität der Informationsware ankommt. Spätkapitalistische Massenkommunikation wird nie etwas mit „herrschaftsfreiem Diskurs“ zu tun haben, sondern ist immer nur ein ungleicher Kampf um Hegemonie (womit Gramsci über Habermas – trotz dessen gut gemeintem Normativ – eindeutig die Oberhand behält).
  2. Trotz ungleicher Kampfbedingungen kann es passieren, dass die Herrschenden die ideologische „Lufthoheit“ über die Köpfe der Beherrschten verlieren. Und genau das geschieht aktuell nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen europäischen Ländern in Bezug auf das Islamthema. Obwohl der ARD-Talker Beckmann sich selbst und vier weitere KombattantInnen – darunter eine Nahkämpferin wie die olivgrüne Künast – gegen den sichtlich limitierten Sarrazin aufbietet (wie dereinst Kerner zweieinhalb Pfaffen oder genauer: zwei Kirchenfürsten und Heiner Geissler gegen Richard Dawkins), muss er doch am Ende bekennen, die Zuschauerrückmeldungen hätten ergeben, dass 70 Prozent für Sarrazin und 30 Prozent für die islamservilen Gesundbeter votierten. Welch ein blamables Dilemma.
  3. Dennoch ist es ein Segen für die an Hegemonieverlust leidenden Herrschenden, dass es angesichts dieser Einstellungslage so jemanden wie Sarrazin gibt. Denn dieser vertritt einen sozialbiologistisch unterlegten Diskurs, der für offen rechtsradikale Kräfte anschlussfähig ist und die entsprechenden kontraproduktiven Trittbrettfahrer anzieht wie das Licht die Motten:

„Herr Sarrazin hat klar zum Ausdruck gebracht, dass er nicht Fremder im eigenen Land werden will und hat damit die Politik der NPD seit 40 Jahren bestätigt und ich freue mich, dass er sich traut, das auszusprechen.“ Für den Fall, dass Sarrazin aus der SPD ausgeschlossen werde oder austrete, macht der NPD-Vorsitzende Voigt dem Bundesbank-Vorstand ein Angebot: „Es würde mich freuen, wenn er als Berater dem NPD-Parteivorstand zur Verfügung stünde oder gar als Ausländerrückführungs-Beauftragter der NPD fungiert.“

Damit erfüllt Sarrazin genau die Funktion, die der vorherrschenden Verharmlosungselite noch bleibt: Möglichst viel Material zusammenklauben, um Islamkritik per se als „rassistisch“, „fremdenfeindlich“, „islamophob“ zu verleumden und damit „Abschreckung“ zu erzeugen. Die Verbindung des medial „hochgepushten“ Sarrazin zur NPD – vermittelt über einen defekten Diskurs – ist dafür hervorragend geeignet. So lässt sich auch vortrefflich verdrängen, dass in Deutschland bereits jetzt schon auf einen NPDler fünf Islamisten kommen und die „Bereicherung“ Deutschlands mit zugewanderten religiösen Reaktionären, islamischen Rechtskonservativen und islamistischen Rechtsextremisten passiv erduldet wird.

Die aktuell tobenden Auseinandersetzungen um Sarrazins Buch „Deutschland schafft sich ab“ haben zudem den regressiven Effekt, die „Islam-Debatte“ noch weiter zu desorientieren und auf das Glatteis einer anrüchigen Diskussion um Erbbiologie, Genetik und Intelligenzforschung zu schieben. Damit wird aber gerade vom Wesentlichen abgelenkt, nämlich von der wissenschaftlichen Analyse der weltanschaulich-normativen Grundinhalte des Islam. Nicht irgendwelche „Gene“, sondern genau diese sozialisationswirksamen Inhalte sind es, die aufgrund ihrer ausgeprägten Menschenrechtswidrigkeit und Unvereinbarkeit mit der kulturellen Moderne ein enormes integrationsbehinderndes bis -feindliches Potential in sich bergen und entfalten.

Solange also „Islamkritik“ in Deutschland von der herrschenden Meinungsmaschinerie als „rechtspopulistisch“ und tendenziell „biologistisch“ inszenierbar und instrumentalisierbar und damit aufs Glatteis manövrierbar ist und nicht von einer fortschrittlich-emanzipatorischen Bewegung angeführt wird, dürfte hier noch lange das Schäuble-Diktat der Deutschen Islamkonferenz die Staatsräson bestimmen und wie ein Fettauge auf dem überholten Staatskirchenrecht schwimmen.

 

[1] John Rawls : Eine Theorie der Gerechtigkeit. „Jedermann soll gleiches Recht auf das umfangreichste System gleicher Grundfreiheiten haben, das mit dem gleichen System für alle anderen verträglich ist.“.

Recent Posts
0

Start typing and press Enter to search