99,9 Prozent „friedliebende Muslime“? Zur Unhaltbarkeit einer selbstbetrügerischen Standardlegende

 In Analyse der islamischen Herrschaftskultur

Als funktionsteilig organisierter und global vernetzter Tätigkeitskomplex ist die islamistische Bewegung[1] aus westeuropäischer Sicht nicht etwa nur ein regional eingrenzbares außenpolitisches Phänomen, das nur im arabisch-muslimischen oder asiatisch-islamischen Kulturkreis anzutreffen wäre. Vielmehr ist der Islamismus im Zuge der Einwanderung muslimischer Migranten nach Mittel- und Westeuropa auch in westliche Länder importiert worden. Dabei ist dieser Migrationsimport islamistischer Mentalitäten, Strukturen und Tendenzen nicht einfach nur der spontane Effekt ‚mitgebrachter‘ Subjektivitätsmerkmale von Teilen der eingewanderten Muslime, sondern auch als gezielte Expansion bzw. strategisch ausgerichteter „Kulturexport“ anzusehen.

Im einzelnen lassen sich folgende Haupterscheinungsformen des ‚Islamismus im Westen’ feststellen:

1) Der Auf- und Ausbau einer gegengesellschaftlichen Subkultur in Form der Etablierung abgeschotteter, islamistisch reglementierter und kontrollierter Sozialmilieus mit eigenen Moscheevereinen, Koranschulen, Kulturzentren, Freizeiteinrichtungen, Geschäften, Alltagsinstitutionen etc. Dieses Gegenmilieu – propagandistisch zusätzlich „befeuert“ durch djihadistische Internetseiten und islamisches Satellitenfernsehen – bildet gewissermaßen das „Übungsbecken“ für individuelle Ideologisierungs- und Radikalisierungsprozesse.

2) Die möglichst unauffällige Stationierung von ausgebildeten Terroristen und Djihadisten in westlichen Aufnahmeländern als logistische Teile des globalen islamistischen Terrornetzwerkes („Schläferzellen“).

3) Die Anwerbung und Rekrutierung von islamistischen Gotteskriegern und Attentätern innerhalb der radikalislamisch durchsetzten Sozialmilieus. So gab und gibt es westeuropäische Staatsangehörige (Migranten und Konvertiten) auf Seiten der Taliban, der Attentäter im Irak sowie der tschetschenischen Terrorkommandos.

4) Die Unterstützung islamistischer Bewegungen, Regimes und Terrorgruppen in den Herkunftsländern in Form von Spendensammlungen, Aufrufen, Demonstrationen etc. Das galt und gilt in Deutschland insbesondere für die Unterstützung der palästinensischen und algerischen Terrorgruppen sowie der iranischen Gottesdiktatur und der schiitischen „Hizbollah“ (Partei Gottes).

5) Die Integration des ‚zugewanderten’ Islamismus in den westeuropäischen Rechtsextremismus und sein beträchtlicher Anteil am Aufstieg des Antisemitismus in Europa.

In der medial und politisch gesteuerten öffentlichen Debatte wird der Blick auf den inländischen Islamismus zumeist auf den Aspekt des ‚Terrorismus’ eingeengt. Damit bleibt aber gerade der innere Verknüpfungs- und Verweisungszusammenhang zwischen orthodoxem Islam, islamistischer Radikalisierung und djihadistisch-terroristischer Praxis unaufgeklärt. Die politisch korrekte, aber realitätswidrige Standardbehauptung lautet: 99,9% der Muslime seien angeblich friedliebend, nur eine verschwindende Minderheit sei gewaltbereit[2].

Tatsächlich stellt aber die Herausbildung und Etablierung einer islamistischen Subkultur bzw. die Schaffung grund- und menschenrechtswidriger Sozialmilieus unter islamistischer Normierungs- und Kontrollherrschaft das wissenschaftlich und praktisch-politisch bedeutsamere Problem dar. Ohne die Existenz staatlich weitgehend unangefochtener und von der Islam-Lobby propagandistisch geschützter islamistischer Sozialmilieus und Einrichtungen (Moschevereine, Kulturzentren etc.) würde es zudem viel schwieriger sein, Djihadisten zu rekrutieren und operative Schutz- und Ruheräume für „Schläfer“ und terroristische ‚Logistiker’ zu installieren.

Im Gegensatz zu der grobschlächtigen, schönfärberischen und im Endeffekt realitätswidrigen Aufteilung der Zuwanderer aus islamisch geprägten Staaten in 99,9% Prozent friedliebende und 0,1% terroristische Muslime ist zunächst einmal grundsätzlich zu unterscheiden zwischen politisch-kulturell integrationsbereiten Muslimen, welche die säkular-demokratischen Grundprinzipien und Menschenrechte anerkennen bzw. die kulturelle Moderne akzeptieren und jenen ‚fundamentalistischen’ Muslimen, die das ablehnen und die demokratische Grundordnung durch ein schariatisches Herrschaftsregime ersetzen wollen. So wäre im Näheren zu unterscheiden zwischen:

a) streng gläubigen Muslimen, die den schariatischen Normenkodex befolgen und auch entgegen den europäischen Grundwerten und Verfassungsprinzipien praktizieren[3],

b) lau gläubigen Muslimen, die nur punktuell und/oder aus Gewohnheit an islamischen Riten festhalten und sich tendenziell einer säkularen Lebensführung anpassen,

c) „Zwangsmuslimen“, die nur aufgrund des äußeren kulturell-sozialisatorischen und (groß-)familären Drucks Mitglieder der muslimischen Glaubensgemeinschaft bleiben und

d) jenen oppositionell-demokratischen Zuwanderern, die nicht zuletzt deshalb hierher gekommen sind, um der islamischen Herrschaftsordnung und ihren Repressionen zu entrinnen (Ex-Muslime).

Bezogen auf die problemrelevante Gruppe der ‚streng gläubigen’ bzw. ‚schariatischen’ Muslime bilden unmittelbar gewaltbereite und -ausübende Kräfte einerseits und gegenüber dem deutschen Staat und der einheimischen Bevölkerung unmittelbar nicht gewalttätige Akteure andererseits eine funktional-strategische Wirkungseinheit. In kritischer Abgrenzung zur medial vorherrschenden Beruhigungsfloskel, nach der die gewaltbereiten Islamisten nur eine winzige Minderheit im angeblichen Gegensatz zur „Mehrheit der friedliebenden Muslime“ darstellen, sind hier noch einmal folgende Zusammenhänge hervorzuheben:

Erstens: Der Islamismus ist nicht etwa aus dem „Nichts“ entstanden und verkörpert gegenüber dem „eigentlichen“ Islam keinesfalls das illegitime „ganz Andere“. Tatsächlich ist der Islamismus inhaltlich fest im konservativen Scharia-Islam verankert, stellt eine selektive Radikalisierung dieser herrschaftskulturell vorherrschenden Ideenformation dar und basiert auf einer langen historischen Traditionslinie. D. h.: Der Islamismus mit seiner terroristischen Speerspitze ist nicht durch eine „chinesische Mauer“ vom ‚Mehrheits-Islam’ getrennt, sondern er verfügt in zahlreichen Ländern der arabischen, afro-islamischen und asiatisch-islamischen Welt über eine Massenbasis, genießt die teils offene, teils verdeckte Unterstützung repressiver islamistischer Regime, es existieren stabile Brücken und Übergänge zum islamischen Konservatismus der Rechtsgelehrten und somit eine beträchtliche Grauzone zwischen Mehrheits-Islam und islamistischen Milieus. Für eine große Zahl von jungen islamistisch indoktrinierten Koran-Schülern in allen Teilen der Welt ist Bin Ladin ein Held/Märtyrer bzw. so etwas wie der Che Guevara der neototalitären Weltbewegung des Islamismus.[4]

Zweitens: Zur Veranschaulichung des Islamismus als gegliederte politisch-kulturelle Erscheinung ist ein Vergleich mit dem deutschen Rechtsextremismus erhellend: Nicht jeder DVU- oder NPD-Wähler wirft Brandsätze in Asylantenheime, nicht jeder Funktionär der Neonazis beteiligt sich selbst aktiv an der rassistischen Treibjagd auf farbige Ausländer durch deutsche Innenstädte, nicht jeder gewalttätige Skinhead wiederum ist formelles Mitglied einer Neonazi-Organisation. Aber in summa existiert in Deutschland ein relativ konstantes „rechtsextremistisches Einstellungspotential“ von ca. 15 – 20 Prozent der Gesamtbevölkerung als Resonanz- und Rekrutierungsboden, als Unterstützung gewährende und Rückhalt gebende ‚Subkultur’ sowie im Bedarfsfall als informell-spontanes „Solidaritätskomitee“. Berechtigterweise käme kein ernsthafter Politiker auf die abwegige Idee, diese nicht unmittelbar Gewalt ausübenden rechtsextremistisch ideologisierten Kräfte als „friedliebende Deutsche“ zu bezeichnen. Analog hierzu stellen nicht so sehr die unmittelbar gewaltbereiten Islamisten das gesellschaftspolitische Hauptproblem dar. Bedeutsamer ist vielmehr die zielbezogene Bündelung all jener muslimischen Kräfte, die eine feindselig-ablehnende und aktiv-kämpferische Haltung gegenüber der kulturellen Moderne einnehmen, an der ‚friedlichen’ Installierung religiös-diktatorischer Einflusszonen und Gegenmilieus innerhalb der europäischen Gesellschaften arbeiten und damit eine totalitär orientierte Desintegrationspolitik verfolgen[5].

Drittens: Kritisch zu hinterfragen ist zudem der unter dem Vorzeichen der Terrorismusbekämpfung dominant gewordene, bezogen auf das reale Bedrohungspotential aber einseitige bzw. reduktionistische Gewaltbegriff. In dieser definitorisch eingeengten Perspektive werden nur jene Islamisten als „gewaltbereit“ erfasst, die an der Vorbereitung und Durchführung von Anschlägen, Attentaten, Entführungen etc. beteiligt sind. Diskursiv ausgespart bleiben dabei aber jene Kräfte, die innerhalb der muslimischen Einwanderermilieus Repressions- und Kontrollmacht ausüben und in diesem Kontext intramuslimische Gewalt anwenden[6] oder dazu ausrufen[7]. Das gilt zum Beispiel für die Praktiken großfamilialer Ehrenmoral sowie für die Einschüchterung und Bestrafung unbotmäßiger Frauen und Mädchen, die sich etwa dem Zwang arrangierter Ehen entziehen. Rechnet man diese interne Gewaltpraxis hinzu und bezieht auch kriminelle Gewaltanwendung muslimisch sozialisierter Tätergruppen sowie das beträchtliche homophobe Einstellungspotential unter Muslimen hinzu, dann gerät das herkömmliche Aufteilungsklischee noch stärker ins Wanken.

Das vereinigende Ziel der islamistischen Bewegung ist die Errichtung eines totalitären Gottesstaates. Angesichts der aktuellen Kräfteverhältnisse in Europa ist ein gewaltsamer Weg zu diesem Ziel auf längere Sicht ausgeschlossen. Was bleibt ist die Option einer allmählichen Islamisierung Europas durch:

a) eine im Vergleich zur einheimischen Bevölkerung nachhaltig höhere Geburtenrate, was die Aufrechterhaltung islamisch-patriarchalischer Kontrollmacht über Geist, Körper und Heiratsverhalten der unterworfenen Frauen unabdingbar macht („die Wahrheit hinter dem Kopftuch“) sowie

b) die sukzessive Eroberung und Ausdehnung sozialer Handlungs- und Herrschaftsräume, in denen islamische Normen, Gesetze, Regeln, Vorschriften etc. eine unanfechtbare Geltung erlangen. In diesen Kontext gehören der zunehmende Bau von repräsentativen Großmoscheen, die Durchsetzung eines flächendeckenden Islamunterrichts im deutschen Schulsystem, das Streben nach islamischer Kleidung im öffentlichen Dienst (Kopftuch für weibliche Beamte), die Forderungen nach islamischen Separateinrichtungen (Krankenabteilungen, Altenheime, Gräberfelder etc.), das Postulat islamkonformer Berichterstattung einschließlich entsprechender Medienkontrolle und Vieles andere mehr.

Dabei erweisen sich die „Überalterung“, Entdemokratisierung und geistig-kulturelle Dekadenz der deutschen Aufnahmegesellschaft[8] sowie die politische und juristische Willfährigkeit des formalistischen Rechtsstaates als begünstigende Rahmenbedingungen dieser islamistischen Terraineroberung auf leisen Sohlen.

 

Anhang 1

Publik-Forum Nr. 14 27.7.2007

Krieg gegen die ganze Welt

Für den ehemaligen radikalen britischen Islamisten steht fest: Die Motive der Terroristen sind vor allem theologischer Natur

Vor nicht allzu langer Zeit war ich noch ein Mitglied jener losen Formation halbautonomer und primär durch ihre Ideologie verbundener Gruppen, die sich wohl am besten als Netzwerk des britischen Dschihad beschreiben lässt. Da pflegte ich jeweils mit meinen Gefährten in triumphierendes Gelächter auszubrechen, wenn im Fernsehen wieder einmal behauptet wurde, dass islamistische Terrorakte wie die Anschläge vom 11. September oder die Bombenattentate in Madrid und London einzig durch die Außenpolitik des Westens verursacht seien. Indem sie ihren Regierungen die Schuld für unser Handeln zuschoben, nahmen uns diese Kommentatoren die Propagandaarbeit ab. Und wichtiger noch, sie lenkten die Aufmerksamkeit von der eigentlichen Triebfeder unseres Handelns ab: der islamistischen Theologie.

Obwohl viele islamische Extremisten in Großbritannien tatsächlich Zorn über den Tod ihrer Glaubensbrüder in anderen Ländern verspüren, ist dies doch nicht die wichtigste Ursache ihres Handelns. Was mich und viele meiner Gefährten dazu antrieb, in Großbritannien – unserer Heimat – und in anderen Ländern Terroranschläge zu planen, war das Gefühl, für die Erschaffung eines revolutionären Staates zu kämpfen, der am Ende der ganzen Welt die Gerechtigkeit des Islam bringen würde.

Aber wie kam es dazu, dass diese (fragwürdige) Utopie mit anhaltender Gewalt durchgesetzt werden sollte? Wie rechtfertigen radikale Islamisten solchen Terror im Namen ihrer Religion? Auf individueller Ebene mögen Muslime dem Säkularismus zustimmen oder ihn ablehnen, aber zumindest gegenwärtig erlaubt die formelle islamische Theologie – im Gegensatz zur christlichen – keine Trennung von Staat und Religion; diese werden als ein und dasselbe verstanden. Die jahrhundertealte islamische Rechtstradition beschreibt auch das Verhältnis und die Interaktion zwischen dem Dar ul-Islam (»Haus des Islam«, den muslimischen Ländern) und dem Dar ul-Kufr (den Ländern der Ungläubigen) ab und hält Verhaltensregeln für den Handel, für Krieg und Friedenszeiten bereit.

Die Radikalen führen diese Grundsätze nun zwei Schritte weiter. Im ersten Schritt argumentieren sie, dass derzeit kein wahrer islamischer Staat existiere und dass demzufolge die gesamte Welt Dar ul-Kufr sein müsse. Schritt zwei heißt dann: Da der Islam den Unglauben bekämpfen muss, erklärt man der ganzen Welt den Krieg. Wie ich selbst wurden viele meiner einstigen Weggefährten von extremistischen Predigern in Pakistan und Großbritannien belehrt, dass diese neue Klassifizierung der Welt als Dar ul-Harb (»Haus des Krieges«) es jedem Muslim gestatte, die fünf geheiligten Rechte zu verletzen, die jedem unter der Herrschaft des Islam lebenden Menschen garantiert sind: Leben, Besitz, Land, Geist und Glaube. Im Haus des Krieges ist alles erlaubt, auch feige, verräterische Anschläge auf Zivilisten.

Die Hauptursache für den Erfolg der Radikalen ist die Tatsache, dass die meisten islamischen Institutionen in England schlicht und einfach nicht über Theologie reden wollen. Sie weigern sich, die schwierige und oft komplexe Frage nach dem Stellenwert der Gewalt im Islam anzugehen; stattdessen wiederholen sie das Mantra, dass der Islam eine friedvolle Religion und der Glaube eine persönliche Angelegenheit sei, und hoffen, dass sich diese ganze Debatte irgendwie in nichts auflösen wird.

Das hat den Radikalen im Bereich des religiösen Denkens freies Spiel gelassen. Als einer, der einst selbst neue Anhänger für die extremistische Lehre rekrutierte, muss ich es wissen: Jedes Mal, wenn wir aus einer Moschee verwiesen und verbannt wurden, fühlte sich das an wie ein moralischer und religiöser Sieg.

Außerhalb Großbritanniens gibt es Denker, die diesen Zwei-Schritte-Revisionismus rückgängig machen wollen. Eine Handvoll Gelehrte aus der arabischen Welt hat versucht, dem Radikalismus mit einer historischen Argumentation einen Riegel vorzuschieben: Die islamischen Juristen seien beim Aufsetzen der Regeln für einen Krieg stets von der Vorstellung eines existierenden islamischen Staatswesens ausgegangen, welches den Krieg in einer verantwortungsbewussten und mit den islamischen Glaubensregeln konformen Weise handhaben würde. Mit anderen Worten: Als Individuen haben die Muslime nicht das Recht, im Namen des Islam der Welt den Krieg zu erklären.

Tatsache ist, dass die britischen Muslime Bürger dieses Landes sind. Wir sind nicht mehr Einwanderer im Land der Ungläubigen. Meine Generation wurde hier geboren, ist hier aufgewachsen, hat hiesige Schulen besucht, arbeitet hier und wird hier bleiben. Und mehr als das: In einem noch nie da gewesenen Maß wird es den Muslimen in Großbritannien heute zugestanden, dass sie ihre religiöse Identität durch ihre Kleidung, den Bau von Moscheen, die Einrichtung von Friedhöfen und nicht zuletzt im Genuss gleicher Rechte vor dem Gesetz gestalten können.

Aber es reicht nicht zu sagen, dass die Muslime, weil sie sich hier nun einmal zu Hause fühlen, die Passagen im Koran einfach überblättern sollen, die zum Töten der Ungläubigen aufrufen. Wenn man sich um die Auseinandersetzung mit diesen jahrhundertealten theologischen Postulaten drückt, dann wird die Kluft zwischen der islamischen Theologie und der modernen Welt jeden Tag tiefer. Es mag eine unangenehme Tatsache sein: Aber der Grund dafür, dass Abu Qatada – der fundamentalistische Religionsgelehrte, den palästinensische Militante unlängst im Tausch gegen den BBC-Journalisten Alan Johnston freibekommen wollten – eine große Gefolgschaft hat, liegt darin, dass er hochgelehrt ist und dass seine religiösen Interpretationen und Rechtssprüche auf einer soliden argumentativen Basis stehen. Auch wenn ich seine Ansichten mittlerweile in keiner Weise mehr teile, kommt ihnen innerhalb des islamischen Kanons doch Gültigkeit zu.

Ich glaube, dass das Thema Terrorismus entmystifiziert werden könnte, wenn erst einmal Muslime und Nichtmuslime offen über die Ideen diskutieren würden, die den Terror unterstützen. Die britischen Muslime müssten sich zu diesem Zweck aus ihrer Starre der Abwehr und Verneinung lösen und gewahr werden, dass es keine Schande ist, wenn man sich das Vorhandensein extremistischer Strömungen innerhalb der islamischen Gemeinschaften hier und weltweit eingesteht. Aber diese Entmystifizierung kann nicht geleistet werden, solange die einzigen Brücken der Interaktion diejenigen zwischen den radikalen Islamisten und den Sicherheitsdiensten sind.

Wenn unser Land sich den radikalen und gewalttätigen Extremisten tatsächlich stellen will, dann müssen die islamischen Religionsgelehrten zunächst einmal über die Bücher gehen. Wir brauchen neue, zeitgemäße Regeln, ein revidiertes Verständnis der Rechte und Verantwortlichkeiten von Muslimen, deren Häuser und Seelen fest in dem verwurzelt sind, was ich das »Land der Koexistenz« nennen möchte. Und wenn dieses neue theologische Terrain erschlossen ist, dann werden Muslime im Westen sich von längst obsoleten Weltbildern befreien und die Regeln des Zusammenlebens neu formulieren können; dann werden wir vielleicht entdecken, dass das Konzept des Tötens im Namen des Islam nur mehr ein Anachronismus ist.

Hassan Butt

Der 27-jährige Hassan Butt, als Sohn pakistanischer Eltern in Manchester geboren, war in der radikalen islamistischen Gruppierung Al-Muhajiroun aktiv. Im vergangenen Jahr wandte er sich vom religiösen Extremismus ab. In der Zeitung »Observer« nahm Butt zu den jüngsten Attentaten in Großbritannien Stellung. Wir dokumentieren Auszüge aus seinem Text (in der Übersetzung der Neuen Zürcher Zeitung).

 

Anhang 2

Von http://de.danielpipes.org | Originalartikel bei: http://de.danielpipes.org/article/3710

Wie Muslime denken

von Daniel Pipes New York Sun 27. Juni 2006

Wie denken Muslime weltweit?

Um das herauszufinden führte das Pew Research Center for the People & the Press im Frühjahr eine groß angelegte Einstellungs-Umfrage durch, die den Titel „The Great Divide: How Westerners and Muslims View Each Other“ trug (Der große Graben: Wie Westler und Muslime einander sehen). Es wurden Muslime in zwei Gruppen von Ländern befragt: sechs mit lange bestehender, mehrheitlich muslimischer Bevölkerung (Ägypten, Indonesien, Jordanien, Nigeria, Pakistan, Türkei) und vier in Westeuropa mit neuen muslimischen Bevölkerungsminderheiten (Frankreich, Deutschland, Großbritannien, Spanien).

Die Umfrage, die auch die westliche Sicht auf Muslime betrachtet, ergab einige bestürzende, aber nicht unbedingt überraschende Ergebnisse. Ihre Themen können in drei Rubriken eingeteilt werden:

Ein Hang zu Verschwörungstheorien: In nicht einer der befragten muslimischen Bevölkerungen gibt es eine Mehrheit, die glaubt, dass die Anschläge vom 11. September 2001 in Amerika von Arabern ausgeführt wurden. Die Anteile reichen von 15% in Pakistan, die Araber dafür verantwortlich machen, bis 48% unter den französischen Muslimen. In Bestätigung negativer Trends in der Türkei sank die Anzahl der Türken, die mit dem Finger auf Araber deuten von 46% im Jahr 2002 auf heute 16%. Mit anderen Worten: In jeder der zehn muslimischen Bevölkerungsgruppen betrachtet die Mehrheit den 11. September als eine Täuschung, begangen von der amerikanischen Regierung, Israel oder einer anderen Einrichtung.

Muslime hegen ebenfalls weit gehend Vorurteile gegenüber Juden; das reicht von 28% unvorteilhafter Bewertungen unter französischen Muslimen bis zu 98% in Jordanien (das zwar eine moderate Monarchie, aber eine mehrheitlich palästinensische Bevölkerung hat). Darüber hinaus betrachten Muslime in bestimmten Ländern (insbesondere in Ägypten und Jordanien) Juden als verschwörerisch und verantwortlich für die schlechten Beziehungen zwischen Muslimen und dem Westen.

Verschwörungstheorien betreffen auch größere Themen. Auf die Frage: „Was ist für das Fehlen an Wohlstand in der muslimischen Nation verantwortlich?“ nennen zwischen 14% (in Pakistan) und 43% (in Jordanien) die Politik der USA und anderer westlicher Staaten, nicht auf einheimische Probleme wie mangelnde Demokratie oder Bildung oder das Vorhandensein von Korruption oder den radikalen Islam.

Die Verschwörerei deutet auf einen weit verbreiteten Unwillen in der Umma sich mit diesen Realitäten auseinanderzusetzen und stattdessen die sichereren Plattitüden von Verschwörungen, finsteren Plänen und Intrigen vorziehen. Das deckt auch große Probleme auf sich an die Moderne anzupassen.

Unterstützung von Terrorismus: Alle befragten muslimischen Bevölkerungsgruppen zeigten eine solide Mehrheit in der Unterstützung für Osama bin Laden. Gefragt, ob sie Vertrauen zu ihm haben, antworteten die Muslime positiv, was von 8% (in der Türkei) bis 72% (in Nigeria) reicht. Gleichermaßen sind Selbstmord-Bombenanschläge populär. Die Zahl der Muslime, die sie für gerechtfertigt halten, reicht von 13% (in Deutschland) bis 69% (in Nigeria). Diese schockierenden Zahlen deuten darauf hin, dass der Terrorismus bei Muslimen tief verwurzelt ist und auf Jahre hinaus eine Gefahr bleiben wird.

Britische und nigerianische Muslime am stärksten entfremdet: Großbritannien sticht als paradoxes Land hervor. Nicht-Muslime haben auffallend wohl gesonnenere Ansichten zum Islam und Muslimen als sonst im Westen; z.B. sehen nur 32% der befragten Briten Muslime als gewalttätig an, bedeutend weniger als ihr Gegenpart in Frankreich (41%), Deutschland (52%) oder Spanien (60%). In der Auseinandersetzung um die Mohammed-Karikaturen zeigten die Briten mehr Sympathie für die muslimische Sichtweise als die anderen Europäer. Weiter gefasst machen die Briten Muslime weniger für den schlechten Zustand der westlich-muslimischen Beziehungen verantwortlich.

Die britischen Muslime antworten auf dieses Wohlwollen mit den bösartigsten antiwestlichen Attitüden, die in Europa zu finden sind. Unter ihnen betrachten viel mehr die Westler als gewalttätig, gierig, unmoralisch und arrogant als bei ihren Gegenüber in Frankreich, Deutschland und Spanien. Darüber hinaus sind ihre abgefragten Ansichten zu Juden, die Verantwortung für den 11.9. oder den Platz der Frau in der westlichen Gesellschaft bemerkenswert extremer.

Die Lage in Großbritannien spiegelt das „Londonistan„-Phänomen wider, bei dem die Briten vorauseilend katzbuckeln und Muslime auf diese Schwäche mit Aggression antworten.

Die nigerianischen Muslime haben allgemein die kriegerischsten Ansichten zu Fragen wie dem Zustand der Beziehungen zwischen dem Westen und den Muslimen, die angebliche Unmoral und Arroganz der Westler und der Unterstützung für bin Laden und Selbstmord-Terror. Dieser Extremismus entstammt zweifelsohne dem gewalttätigen Stand der christlich-muslimischen Beziehungen in Nigeria.

Ironischerweise ist die stärkste muslimische Entfremdung in den Ländern zu finden, wo man den Muslimen entweder am stärksten oder wenigsten entgegen kommt. Das deutet darauf hin, dass ein Mittelweg der beste ist, bei dem Muslime weder Sonderprivilegien bekommen, wie sie sie in Großbritannien erhielten, noch sich in einem fortgeschrittenen Zustand der Feindseligkeit befinden wie in Nigeria.

Insgesamt sendet die Pew-Umfrage eine nicht zu leugnende Botschaft der Krise aus allen Ecken der muslimischen Welt.

Von http://de.danielpipes.org | Originalartikel bei:http://de.danielpipes.org/article/3710

 

Anhang 3

Junge britische Muslime wenden sich verstärkt dem Islam zu

Scharia, Kopftuch, islamische Schulen und islamistische Strömungen finden bei jungen Muslimen viel mehr Zuspruch als bei ihren Eltern. Eine Umfrage unter britischen Muslimen zeigt, dass junge Muslime offenbar sehr viel stärker als ihre Eltern oder Großeltern einem politischen und auch radikalen Islam zuneigen. Die Umfrage wurde von Populus im Auftrag der konservativen Organisation Policy Exchange ausgeführt. Das Ergebnis scheint zu bestätigen, dass eine wachsende Zahl junger Muslime der „dritten Generation“ von einer muslimischen Identität angezogen wird und sich inmitten der westlichen Kultur aus dieser zurückzieht. Das würde sie für den Terrorismus anfälliger machen, weist aber vor allem daraufhin, dass mit der Integration etwas schief gelaufen ist.

Nur 60 Prozent der Befragten gaben an, dass sie lieber nach den britischen Gesetzen leben würde, und erstaunliche 37 Prozent der 16-25-Jährigen erklärten, sie würden die islamische Scharia vorziehen, bei den über 55-Jährigen sind dies hingegen nur 17 Prozent. Über die Hälfte der Jungen ist der Meinung, dass eine muslimische Frau keinen Nicht-Muslim oder nur mit Erlaubnis der Eltern heiraten dürfe. 52 Prozent der Jungen sagen auch, eine Frau dürfe nur einen Mann heiraten, ein Mann hingegen bis zu vier Frauen.

Und 71 Prozent sagen, Homosexualität sei falsch und müsse verboten werden. Befragt wurden telefonisch und über das Internet für das Meinungsbild 1003 Muslime. Dass die Religion für fast alle Muslime eine entscheidende Grundlage für ihre Identität ist, zeigt sich daran, dass 86 Prozent angaben, die Religion spiele in ihrem Leben die wichtigste Rolle. Die Hälfte betet täglich die vorgeschriebenen fünf Mal.

Dabei neigen die jungen Muslime durchaus extremen Positionen zu. 36 Prozenten der 16-24-Jährigen sind der Meinung, dass Muslime, die sich einem anderen Glauben zuwenden, getötet werden sollten.

Die Jungen befürworten auch sehr viel stärker als die Älteren die Forderung, dass Frauen unter das Kopftuch gehören oder den Hidschab tragen sollen, also bis auf Gesicht und Hände alles bedecken. Das vertreten drei Viertel der Jungen.

Bedenklich ist auch, dass die Jungen ihre Kinder offenbar lieber von der britischen Gesellschaft abschotten und religiös stärker beeinflussen wollen, da 40 Prozent ihre Kinder gerne in eine islamische Schule schicken würden. Bei den Älteren sagen das 20 Prozent. Mit 13 Prozent neigt ein nicht unerheblicher Teil der Jungen zum militanten Islamismus. Sie sympathisieren mit al-Qaida und anderen Gruppen, die bereit sind, „gegen den Westen zu kämpfen“.

Munira Mirza, Mitautorin des Berichts Living Apart Together: British Muslims and the paradox of multiculturalism über die Umfrage, meint, dass für die Hinwendung zum Glauben und für den Rückzug der jungen Muslime aus der britischen Gesellschaft die Regierung zumindest mit verantwortlich sei. Sie habe dazu beigetragen, die Unterschiede durch die Politik des Multikulturalismus zu vertiefen: „Die Entstehung einer starken muslimischen Identität in Großbritannien ist teilweise das Ergebnis der in den 80er Jahren eingeführten multikulturellen Politik, die die Unterschiede auf Kosten der gemeinsamen nationalen Identität hervorgehoben und die Menschen nach ethnischen, religiösen und kulturellen Aspekten aufgeteilt hat.“

http://www.heise.de/tp/r4/artikel/24/24542/1.html



[1] Vgl. hierzu das Islamismus-Sonderheft (13/2007) der Zeitschrift „Aufklärung und Kritik“. Zeitschrift für freies Denken und humanistische Philosophie. Herausgegeben von der Gesellschaft für kritische Philosophie Nürnberg.
[2] Wie schlecht es um den Bewusstseinsstand der deutschen Sicherheitspolitik bestellt ist, geht daraus hervor, dass sogar ein Exponent wie der Präsident des Bundeskriminalamtes, Jörg Ziercke, genau diese Standardlegende reproduziert. So im Rahmen seines Vortrages zum Thema „Terrorismusbekämpfung und Innere Sicherheit in Deutschland“ an der Osnabrücker Universität am 14.11.2007.
[3] Mit dem Bekenntnis, dass es keinen Gott gibt außer Allah und das Mohammed sein Gesandter ist, verpflichtet sich der gläubige Muslim zur Anerkennung und Einhaltung der Gesetze Allahs als oberstes Gebot. Damit lehnt er zugleich jede Art von (menschlichen) Gesetzen ab, die sich nicht mit den Geboten und Vorschriften Allahs vereinbaren lassen. Von daher ist eine Versöhnung zwischen einem nicht grundlegend reformierten Islam und der kulturellen Moderne prinzipiell ausgeschlossen. Einen nichtdoktrinären Ausweg bietet hier nur die subjektive bzw. individuell-willkürliche Distanzierung von der ‚strengen’ Auslegungsform.
[4] Genau so wie es in Nazi-Deutschland das Phänomen des „backing Hitler“ gegeben hat, existiert heute das Phänomen des „backing fundamentalism“ in der islamischen Welt.
[5] „Die Intoleranz des Islamismus, seine Propaganda gegen die westliche Zivilisation, den Pluralismus und den demokratischen Rechtsstaat mit Gewaltenteilung und Meinungsfreiheit und nicht zuletzt die Ablehnung der Menschenrechte machen ihn zwangsläufig zu einer der Hauptursachen von Integrationsverweigerung“ (Luft 2002, S. 128).
[6] Diese verfassungswidrige intramuslimische Gewaltpraxis wird von den Staatsschutzorganen in der Regel nicht oder nur unzureichend erfasst und bleibt somit auch im „nachgelagerten“ politischen und medialen Offizialdiskurs weitgehend ausgeklammert. Auf diese Weise kommt es dann sehr oft zur objektiv schönfärberischen Unterschätzung des muslimischen Gewaltpotentials.
[7] Bedeutsam sind hierbei z. B. von muslimischen Gelehrten herausgegebene Fatwas (Rechtsgutachten) als ideologische Instrumente zur Legitimierung islamistischer Gewaltanwendung.
[8] Das Streben nach der Schaffung einer gottzentrierten totalitären Kontrollgesellschaft mit mittelalterlichen Grundzügen bedeutet einen Frontalangriff auf die in ihren Wurzeln aufklärungshumanistisch und vernunftsphilosophisch konstituierten westlichen Gesellschaften. Der Tatbestand, dass angesichts dieser externen Wiederkehr der geistig-religiösen Pest so wenig intellektuelle Abwehrbereitschaft zu konstatieren ist und im Gegenteil pseudoprogressive Kräfte sogar noch als Hilfs- und Verteidigungstruppen der Islamisten fungieren, stellt ist ein untrügliches Verfallssymptom dar.
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