Islamische Herrschaftsstrategie unter den Bedingungen westlicher Vorherrschaft
Der Islam gilt in den vordergründig-oberflächlichen Diskursen, wie sie in der politischen und medialen Öffentlichkeit westlicher Länder zählebig dominieren, gemeinhin und ohne nähere Reflexion als „Religion“. Und als „Religion“ falle der Islam – so die deutsche Version dieser fatalen Fehleinschätzung – unter den Deckungsschutz der Religionsfreiheit gemäß Artikel 4, (1) und (2) Grundgesetz.
Dabei wird in dieser verkürzten und unreflektierten Weise „Religion“ in unserem (europäisch-postaufklärerischen) Alltagsverstand herkömmlich als gesellschaftlich unverbindlicher, nur noch individueller/privater Glaube an die Existenz eines personalen Schöpfergottes angesehen, auf den sich die gläubigen Menschen in jenseitsbezogenen rituellen (gottesdienstlichen) Praktiken beziehen. Doch ist es gänzlich verfehlt, diesen naiv-oberflächlichen Religionsbegriff, wie er sich nach der Überwindung der christlichen Deutungs- und Normierungsherrschaft in Europa entwickelt hat, auf den Islam zu projizieren.
So ist auch im Verständnis des deutschen Grundgesetzes „Religion“ als modernisierte „Privatreligion“ unterstellt, die infolge des revolutionären Säkularisierungsprozesses im Rahmen des Übergangs von der feudalgesellschaftlichen Vormoderne zur bürgerlich-kapitalistischen Moderne keinen absoluten Geltungs- und Gehorsamsanspruch mehr erhebt/erheben kann und von Politik und Recht klar getrennt ist. Ein solches modernes, individualrechtliches Religionsverständnis kann aber nicht unversehens auf den Islam übertragen werden. Denn: „Den Religionswandel des Christentums in Richtung einer Privatisierung der Religion als Folge der Moderne, d. h. die Säkularisierung, lassen selbst liberale Muslime für den Islam nicht zu“ (Tibi 1996, S. 231).
Tatsächlich ist der Islam als Sonderform einer monotheistischen Weltanschauung nicht einfach eine „Religion“, sondern eine religiöse Ideologieform, die den Glauben an einen Schöpfergott mit einem absoluten gesellschaftlichen Herrschaftsanspruch verbindet.
Im Einzelnen weist diese monotheistische Ideologieform drei konstitutionslogische Grundkomponenten auf:
(a) die unbewiesene/unbeweisbare Behauptung der Existenz eines Schöpfergottes;
(b) die Behauptung einer Offenbarung des Willens dieser angeblich existierenden Gottheit sowie
(c) den Drang nach weltlicher (diesseitiger) Normierung der Gesellschaft und der Individuen gemäß dieser unbewiesenen/unbeweisbaren Willensoffenbarung.
D. h.: Aus der unbewiesenen Gottesbehauptung wird ein absolut und universell verbindlicher Vorschriftenkatalog abgeleitet, dem sich alle Menschen unterwerfen müssen. Dabei lautet die für die islamische Herrschaftslehre spezifische Basisbehauptung: Allah (der „Weltenherr“) existiert, er hat die Welt erschaffen und sein Wille geschehe.
In Gestalt des Islam wird damit die religiöse Selbstentfremdung des Menschen auf die Spitze getrieben und mit einem absoluten/universellen Herrschaftsanspruch verbunden.
In den islamischen Quellentexten (Koran, Hadithsammlung, Sira/Prophetenbiographie, Scharia) wird dieser absolute diesseitsbezogene Herrschaftsanspruch als „göttlicher Wille“ Allahs hypostasiert und kategorisch zum Ausdruck gebracht. Sehr klar kommt der islamische Überlegenheits- und Führungsanspruch in Sure 3, Vers 110 des Korans zum Ausdruck:
„Ihr (Gläubigen) seid die beste Gemeinschaft, die unter den Menschen entstanden ist (w. die den Menschen hervorgebracht worden ist). Ihr gebietet, was recht ist, verbietet, was verwerflich ist, und glaubt an Gott“.
Auch Sure 3, Vers 9 benennt sehr klar den Absolutheits- und unverhandelbaren Unterwerfungsanspruch des Islam:
„Als (einzig wahre) Religion gilt bei Gott der Islam“.
Eine angeblich (von Buchari und Muslim) überlieferte Aussage des Propheten Mohammed lautet:
„Mir wurde befohlen, die Menschen (arab. an-nas) solange zu bekämpfen, bis sie ‚Es gibt keinen Gott außer Allah‘ sagen. Wenn sie es gesagt haben, so bewahren sie ihr Leben und ihre Güter vor mir, es sei denn, sie begehen eine nach dem Islam strafbare Handlung; und ihre Rechenschaft ist (letzten Endes) bei Allah.“[1]
Und in einem weiteren Hadith wird der folgende Spruch Mohammeds wiedergegeben:
„Ich bin vor der Stunde (d. h. dem Tag der Auferstehung) gesandt worden mit dem Schwert, bis Allah der Erhabene allein ohne Beigesellung angebetet wird. Und meine Versorgung wurde mir im Schatten meines Speeres gegeben; und demjenigen, der sich meinem Befehl widersetzt, ist Erniedrigung und Unterwürfigkeit beschieden.“[2]
Betrachten wir den Gesamtinhalt der islamischen Weltanschauung, so zeigt sich immer wieder ein absoluter und universeller (modern gesagt: totalitärer) Herrschaftsanspruch als alles durchdringender und zusammenhangsstiftender Grundzug. Der Islam fungiert damit als Drehbuch bzw. religiös verbrämte Programmiersprache eines kulturspezifischen Systems zwischenmenschlicher Herrschaftsverhältnisse mit einem globalen Durchsetzungsanspruch.
Das zentrale Hindernis, das der im Koran festgelegten islamischen Weltherrschaft entgegensteht und die absolute Geltungsmacht der islamischen Weltanschauung einschränkt, ist die im Grunde gotteslästerliche Existenz von „Ungläubigen“, die sog. Kuffar. Als Feinde der islamischen Weltherrschaft und des umfassenden Islamisierungsstrebens sind die „Ungläubigen“ als Objekte der Bekämpfung, Tötung, Schmähung, Herabwürdigung etc. herausragendes und übergreifendes Kernthema der islamischen Quellen. „Der Koran widmet 64 % seines Texts den Ungläubigen und die Trilogie als Ganzes (Koran, Hadithsammlung und Prophetenbiographie, H. K.) beschäftigt sich mit 60 % ihres Gesamttexts mit den Ungläubigen.“ (Bill Warner 2013, S. 8f.).
Da Nichtunterwerfung und Widerstand gegen den islamischen Herrschaftsanspruch als Handlungen gegen Gott/Allah grundsätzlich ausgeschlossen sind und die Lebensordnung, ja die pure Existenz der Kuffar gegen Allahs Gesetz verstößt, ist es erlaubt, ja gemäß den islamischen Quellenaussagen geboten – natürlich immer in Abhängigkeit von konkret vorliegenden Kräfteverhältnissen – „Ungläubige“ zu töten, zu versklaven, zu berauben, zu foltern, zu betrügen, zu verspotten etc.; kurzum: als minderwertig zu behandeln. Dabei besitzen die „Ungläubigen“ im islamischen Diskurs den Status von Untermenschen. So heißt es in Sure 8, Vers 55:
„Siehe, schlimmer als das Vieh sind bei Allah die Ungläubigen, die nicht glauben.“ (Koranausgabe Rudolph/Werner)
„Als die schlimmsten Tiere gelten bei Gott diejenigen, die ungläubig sind und (auch) nicht glauben werden.“ (Koranausgabe Paret)
Als Voraussetzung für die Errichtung der muslimischen Weltherrschaft zielt der Islam letztendlich ab auf die totale Vernichtung aller nichtmuslimischen Lebens- und Bewusstseinsformen, also auf die Ausmerzung alles Unislamischen:
„Und kämpft gegen sie, bis … nur noch Gott verehrt wird (bzw. die Religion Allah gehört, H. K.)“ (Sure 2, 193 sowie Sure 8, 39)
Generell sind die autoritativen Texte des Islam eine permanent und vielfältig sprudelnde Legitimationsquelle von muslimischen Gewalthandlungen gegen Ungläubige, Frauen, Abtrünnige, Abweichler aller Art im Sinne der totalitären Herstellung der islamischen Herrschaftsordnung[3].
I. Die islamische Verarbeitung der westlichen Überlegenheit und die Herausbildung der Muslimbruderschaft
Während der frühislamischen imperialen Expansion sowie der mittelalterlichen Glanzperiode schien die islamische Selbstbespiegelung die „beste von Gott erschaffene Gemeinschaft unter der Menschheit“ zu sein, die sich auf dem Weg zur globalen Herrschaft befinde, ihre Entsprechung in der Wirklichkeit zu finden. Seit der Niederlage der osmanisch-türkischen Armeen, die mit den Verträgen von Karlowitz (1699) und Passorowitz (1718) besiegelt wurde, setzte dann allerdings ein schmerzlicher Wahrnehmungsprozess ein, in dessen Spannweite nicht die eigene, sondern die fremde (‚westlich-abendländische‘) Kultur in Gestalt von ‚moderner‘ (Waffen-)Technik und Wissenschaft, kriegerisch-kolonialistischer Durchsetzungs- und Behauptungsfähigkeit, ökonomischer Potenz etc. als überlegen und übermächtig erfahren wurde und wird. D. h. der nach universeller Herrschaft strebende Islam sieht sich, spätestens seit dem Einfall Napoleons in Ägypten (1798) und dem Zerfall des osmanischen Reiches, durch den ‚überlegenen‘ Westen in seinen elementaren (identitätsbildenden) Herrschaftsambitionen blockiert.
Während folglich im Selbstverständnis der streng gläubigen Muslime der Islam bzw. die im Koran fixierte Offenbarung den End- und Höhepunkt allen menschlichen Wissens darstellt und die Umma offenbarungsgemäß die beste aller menschlichen Gemeinschaften bildet, steht die weltweite politisch-militärische Vorherrschaft und ökonomisch-technologische Überlegenheit der westlich-nichtislamischen Zivilisation dazu in einem eklatanten Widerspruch.
Zudem rief und ruft das koloniale und postkoloniale Eindringen des westlichen Industriekapitalismus mit seiner rational-säkularen Wissens- und Wertekultur eine systematische Erschütterung der autochthonen islamischen Herrschaftsverhältnisse, Sozialbeziehungen und subjektiven (theozentristischen) Überzeugungen hervor. Angesichts dieser gravierenden objektiven Umwälzungsprozesse und der dadurch hervorgerufenen Widerspruchs- und Krisenerfahrungen fand in breiten Sektoren der muslimischen Gesellschaften eine Transformation bzw. Neuanpassung des überlieferten islamischen Bedeutungssystems an die negativ veränderte Wirklichkeit statt.
Während die traditionell-orthodoxen Kräfte angesichts der westlichen ‚Überfremdung‘ zunächst überwiegend in einer defensiv-abwehrenden Position des reinen Bewahren-Wollens der überlieferten Herrschaftsverhältnisse verharrten, traten die sog. islamischen „Modernisten“ zwar vordergründig für eine „Erneuerung“ ein, die sich bei näherer Betrachtung aber als regressiv-aktivistische Verteidigung/Behauptung der islamischen Herrschaftskultur entpuppt. Dabei wurden bereits die folgenden, für das spätere „islamistische“ Denken[4] grundlegenden Positionen artikuliert:
a) eine dämonisierende Abwehr der Grundinhalte der Kulturellen Moderne;
b) die irrationale Beschwörung einer idealisierten Vergangenheit und
c) eine verschwörungsideologische Anprangerung der angeblichen „westlich-materialistischen“ Vergiftung der islamischen Herrscher.
Vor dem dogmatischen Hintergrund der Koransure 13, Vers 11 „Allah verändert die Lage eines Volkes nicht, solange sie sich nicht selbst innerlich verändern“[5], wird als Ursache der ‚Unterlegenheitskrise‘ nicht etwa die islamisch-dogmatische Selbstblockierung einer rationalen Wissenskultur begriffen, sondern ganz im Gegenteil die Abwendung vom wahren Glauben bzw. der ursprünglichen ‚Rechtgläubigkeit‘ als Erklärung herangezogen. So heißt es bei al-Afghani (1838-1897):
„Wir Muslime können unsere Renaissance und unsere Zivilisation nur auf der Basis unserer Religion und unseres Koran aufbauen; nur dieser Weg kann uns helfen, unsere Rückständigkeit zu überwinden. Selbst die guten Dinge bei uns (i. e. die Adaption der modernen Zivilisation) sind Beweise für unsere Unterlegenheit und unsere Dekadenz. Wir zivilisieren uns, indem wir die Europäer nachahmen … Dadurch verliert der Islam seinen Wesenszug, der in der Dominanz und in der Überlegenheit besteht“ (Hervorhebung von mir, H. K; zit. n. Tibi 1991, S. 128).
„Islamische Reform“ heißt somit nicht Erneuerung und Erweiterung des Wissens im Hinblick auf objektive Veränderungen, sondern restaurative Wiederbelebung und Bekräftigung des althergebrachten „Wissens“. Auf die Herausforderung des Westens wird folglich nicht mit selbstverändernder Anpassung reagiert, sondern mit ideologischer Beharrung und feindseliger Ablehnung im Sinne einer ‚reaktionären Negation‘. Darin eingeschlossen ist die trotzige Revitalisierung des eigentümlichen Dominanz- und Überlegenheitsanspruch des Islam. In diesem Sinne wird die aufklärungshumanistische Bewegung, aus der die Entstehung der „kulturellen Moderne“ hervorgegangen ist, ganz im Stile der klassischen konservativen Reaktion, als materialistische Ketzerei verteufelt, die mit ihren Einflüsterungen auch den Untergang des osmanischen Reiches herbeigeführt habe.
Diese „Verkehrung ins Gegenteil“ als Grundmuster ideologischer Realitätsverarbeitung bewährt sich zugleich auf kognitiver wie auf emotionaler Ebene als psychologischer Abwehrmechanismus einer destabilisierenden – sowohl desorientierenden wie kränkenden und identitätsbedrohenden – Widerspruchserfahrung und ist durchaus vereinbar mit einem spezifischen selektiven Aneignungsmodus gegenüber der westlich-kapitalistischen Moderne, der drei grundlegende ‚Seiten‘ aufweist:
1) Die Übernahme der westlichen technisch-ökonomisch-bürokratischen Modernität, die als ein Ausfluss des überlegenen islamischen Wissens ausgeben wird. Nur dadurch, dass sich die Umma von den heiligen Vorschriften des Korans, der Sunna und der Scharia nach und nach abgewandt hat, konnte es dazu kommen, dass der Westen auf der Grundlage des vom Islam gestifteten Wissens seine ‚unrechtmäßige‘ Überlegenheit erringen konnte.
2) Die strategisch-funktionale Rezeption konservativ-reaktionären, gegenaufklärerischen und autoritär-nationalistischen sowie totalitären Ideenguts (darunter faschistische und stalinistische Leitgedanken), das dem islamischen Streben nach absoluter Herrschaft geistes- und wesensverwandt ist (Affinität zwischen dem Islam und prämodern-religiösen, feudal-aristokra-tischen und antidemokratischen Strömungen Europas)[6].
3) Die militante Ablehnung und Bekämpfung der kulturellen Moderne und der säkular-humanistischen (menschen- und individualrechtlichen) Wertekultur als „materialistische Ketzerei“ und „teuflischer Geist“ der französischen Revolution – zum Teil unter Rückgriff auf die angeeigneten europäisch-gegenaufklärerischen Ideen. Insofern basiert die islamische Verarbeitung des Dominanzverlustes auf einer reaktionären Synthese aus europäisch-antiaufklärerischem und orthodox-islamischem Denken.
Der regressiv-reaktionäre Charakter der globalen Widerspruchsverarbeitung seitens der damaligen und heutigen islamischen Vorhutkräfte zeigte und zeigt sich nun insbesondere darin, dass die Ergründung für die frustrierende Unterlegenheit nicht etwa in Form einer selbstkritischen Analyse der endogenen Entwicklungsprozesse und der internen Beschaffenheitsmerkmale der eigenen traditionell-islamischen Herrschaftsordnung vorgenommen wird, sondern zur Konstruktion eines selbstentlastenden, alle Selbstverantwortung von sich weisenden Doppelmythos geführt hat. Demnach resultiert die Unterlegenheit zum einen aus dem Abfall der islamischen Eliten und der ihnen folgenden Bevölkerungsanteile vom „wahren Glauben“ und zum anderen aus einer „Verschwörung“ des Westens mit den abtrünnigen Elementen der einheimischen Bevölkerung. Nicht der Despotismus und Autokratismus der eigenen Herrschaftsträger wird primär angeprangert, sondern deren Zusammenarbeit mit dem verteufelten Westen und die Zulassung westlicher Einflüsse. Dem Westen wiederum wird im Rahmen einer ebenso selbstgerechten wie paranoiden Verschwörungsideologie die Schuld für sämtliche Übel und Missstände der islamischen Welt zugeschrieben. (Auf dieser psycho-ideologischen Grundlage der muslimischen „Opfermentalität“ kommt es dann auch zur reaktionären Verbindung mit dem selbstgerechten Wokeismus fragwürdiger westlicher „Minderheiten“, die im Rahmen der spätkapitalistischen Dekadenz/Geistesverwirrung fälschlicherweise als „links“ wahrgenommen werden.)
Als dann mit dem Zusammenbruch des Osmanischen Reiches das Kalifat zugrunde ging und der überlegene westlich-kolonialistische Einfluss die islamische Herrschaftskultur grundlegend erschütterte, kam es zur Herausbildung dieser regressiv-aktivistischen Bewegungen, die das Heil in der „salafistischen“ Rekonstruktion bzw. ideologischen Verklärung der ursprünglichen islamischen Herrschafts- und Normierungsverhältnisse suchten und nach wie vor suchen.
So wurde dann vor dem Hintergrund dieser Entwicklungsprozesse 1928 auf Initiative von Hasan al-Bannā (1906-1949) die „Gemeinschaft der Muslimbrüder Ägyptens“ gegründet, die als Keimzelle des modernen sunnitischen „Islamismus“ gilt. Kerninhalte ihrer Ideologie und Zielsetzung sind:
a) die Bekräftigung der orthodox-islamischen Einheit von Religion/Islam und gesamtgesellschaftlichem Leben einschließlich Politik, Staat und Recht angesichts der veränderten Kräfteverhältnisse,
b) die Ablehnung der westlich-säkularen Gesellschaftsordnung und Lebensweise, darin eingeschlossen die Bekämpfung der Demokratie als Regierungsform sowie der menschenrechtlichen Verfassungsprinzipien,
c) die militante Bekämpfung der Zusammenarbeit der einheimischen Herrschaftsträger mit den westlichen Staaten und der angeblich dadurch verursachten „gottlosen“ Überfremdung,
d) die strikte Restauration einer auf den Koran, die Sunna und die Scharia aufbauenden Herrschaftskultur und damit die Schaffung einer „gottesherrschaftlich“ zwangsregulierten, d. h. religiös-totalitären Gesellschaft in Form eines islamischen „Gottesstaates“,
e) die systematische Bekämpfung der Juden (und ihres neuen Staates) auf der Grundlage einer Synthese des traditionellen koranischen Antijudaismus und des modernen rassistisch-nationalsozialistischen Antisemitismus,
f) Da’wa-Arbeit (missionarische Agitation für den Islam) und Selbstverständnis als Vorhut-Organisation;
g) Ablehnung und Bekämpfung aller „modernistischen“ Neuerungen in Politik, Kultur, Bildung etc.
h) Weltweite Durchsetzung der Herrschaft des eigenen orthodoxen („quellendogmatischen“) Islamverständnisses als übergreifendes Hauptziel.
Hatte die Muslimbruderschaft 1936 erst 800 Mitglieder gezählt, so waren es zwei Jahre später bereits 200.000. „Motor dieses Aufstiegs war die Mobilisierung für den arabischen Aufstand in Palästina, in der die judenfeindlichen Passagen des Koran mit den antisemitischen Kampfformen des Dritten Reichs verwoben wurden und Judenhaß seine Umformung in den Djihad erlebte“ (Mallmann/Cüppers 2007, S. 45).
Nach der Umwandlung in eine politische Massenorganisation definierte al-Bannā den Islam nun als: „Kult und politische Führung, Religion und Staat, Spiritualität und Praxis, Gebet und Kampf, Gehorsam und Herrschaft, Koran(exemplar) und Schwert; keines dieser jeweils zwei (Elemente) kann sich von dem anderen trennen“ (zit. n. Schulze 2002, S. 135).
Die bis heute gültigen Popularlosungen der Muslimbruderschaft lauteten fortan „Der Islam ist die Lösung“, „Der Koran ist unsere Verfassung“, „Der Islam ist ein vollständiges und umfassendes System“, und „Anwendung der Scharia“.
Ganz in diesem Sinne erklärt al-Bannā den Dschihad im Namen Allahs zur „Kostbarkeit“ der rechtgläubigen Muslime und verkündete in einem Leitartikel der Zeitschrift der Muslimbruderschaft 1934 Folgendes: „jedes Stückchen Land, in dem das Banner des Islams gehisst wurde, ist Vaterland der Muslime (…) Es ist eine auferlegte Pflicht für jeden Muslim, für das Ziel zu kämpfen, alle Menschen zur Annahme des Islams zu bewegen und die gesamte Welt zu islamisieren, so dass das Banner des Islam auf der Erde wehen kann und der Ruf des Muezzin in allen Teilen der Welt ertönen möge: Gott ist der Größte! Dies ist kein Parochialismus noch ist es rassenbezogene Arroganz noch Usurpation von Land“ (zit. n. Wöhler-Khalfallah 2009, S. 124)
Der herausragende Vordenker nicht nur der ägyptischen Muslimbruderschaft, Sayyid Qutb (1906-1966), hat eine ebenso einflussreiche wie umfassende Kampfansage an die säkulare Demokratie formuliert. Um den Zustand der ‚Jahiliya‘, d. h. jener Dekadenz zu überwinden, die immer dann eintritt, wenn die Gesellschaft den Pfad der islamischen Rechtgläubigkeit verlässt, fordert Qutb die Wiederherstellung einer perfekten islamischen Gemeinschaft vermittels der Reaktivierung des Geistes der medinesischen Ursprungsgemeinde.
In Übereinstimmung mit den Quellentexten begreift und bestimmt Qutb den Islam als „vollkommenes System“, das alle menschlichen Lebensbereiche regelt und dem die absolute Herrschaft zukommt. Auf der Grundlage elementarer Bestimmungen des Korans[7] wird „die Aufrichtung des Königtums der göttlichen Scharia in der Welt des Menschen“ (Qutb zit. n. Meier 1994, S. 202) postuliert. Das bedeutet: Die Menschen dürfen als gehorsame und unterwürfige Gottesdiener nur dessen Gesetze befolgen und müssen das System der von Menschen gemachten Gesetze und Regierungsformen etc. zerstören. Hergestellt werden muss das alleinige Herr-Sein Gottes bzw. Gottes absolute Souveränität (hakimiya Allah). Die Unterordnung unter weltliche Herrschafts-, Rechts- und Regierungsformen wird demgegenüber als Götzendienst und damit Gotteslästerung bzw. Unglaube verdammt, der im Sinne Allahs getilgt werden muss: „Gott ist nicht der Herr allein der Araber, noch ist er Herr allein derjenigen, welche die islamische Glaubenslehre angenommen haben. Vielmehr ist Gott ‚der Herr der Welten(bewohner)‘ – und diese Religion hat zum Ziel, ‚die Welten(bewohner)‘ ihrem Herrn zurückzugeben, sie dem Diener-Sein (ubudiya) gegenüber anderen Herrn zu entreißen“ (ebd. S. 200).
Konfrontiert mit der einfallenden Realität westlicher Überlegenheit, säkularer Kultur und nichtislamischer Lebensformen radikalisiert Qutb somit den orthodox-islamischen Herrschaftsanspruch in herrschaftslogisch konsequenter Weise. Dazu gehört auch eine situationsangepasste Bestimmung des Djihad-Konzepts im Sinne der nach wie vor gültigen Doppelstrategie der aktivistischen „Vorhut“ des Islam: „Wer das Wesen dieser Religion in der vorgestellten Weise erkannt hat, der begreift zugleich die Unabänderlichkeit, dass der Aufbruch des Islam zu einer aktiven Bewegung die Form des bewaffneten Dschihad (al-gihad bis-saif) annehmen muss, neben dem Dschihad , der sich allein auf die Kraft des Wortes stützt (al-gihad bil-bayan)“ (ebd., S. 201f.).
Angesichts der aktuellen Instrumentalisierungen des „Antirassismus“ zum Zweck der Abwehr und demagogischen Diffamierung von Islamkritik ist an dieser Stelle auch das antiwestliche Hassbild Qutbs hervorzuheben, das seinerseits alle Züge eines ungehemmten muslimischen „Kulturrassismus“ enthält und als Paradigma heutiger „islamischer Vorhutakteure und deren ‚woken‘ Komplizen wirkt: „Lasst uns versuchen, Samen der Abneigung, des Hasses und der Rache in den Herzen unserer Millionen Kinder zu säen. Lasst uns sie von frühester Jugend an lehren, dass der weiße Mann der Feind der Menschheit ist und dass sie ihn bei der ersten Gelegenheit, die sich bietet, zerschmettern (sollten). Und lasst uns sicher sein, dass der westliche Kolonialismus erzittern wird, wenn er uns diese Samen säen sieht“ (zit. n. Damir-Geilsdorf 2003, S. 41).
Im Laufe der Zeit entwickelte sich die zunächst auf Ägypten konzentrierte Muslimbruderschaft (MB) zur wohl einflussreichsten aktivistischen Bewegung der sunnitischen Hauptströmung des Islam und gilt heute als „Mutter aller ‚islamistischen‘ Organisationen“[8]. Derzeit soll sie nach eigenen Angaben in 70 Ländern präsent sein, „sei es in Form von nationalen Verbänden, sei es über eine ihrer zahlreichen Unter- und Zweigorganisationen“ (Grundmann 2005, S. 9). Allein für Ägypten wird die Zahl der aktiven Mitglieder auf ca. eine Million geschätzt.
Im Einklang mit den grundlegenden Dogmen des Islam besteht das letztendliche Ziel in der Errichtung der islamischen Weltherrschaft auf der Basis der Scharia, d. h. dem Gesamtgerüst der aus Koran und Sunna abgeleiteten Verhaltensvorschriften, Rechts- und Strafnormen. „Insgesamt entwirft die MB das Modell eines autoritären Obrigkeitsstaates: oberstes Prinzip politischer Herrschaft müsse die shari‘a sein, die wiederum auf Koran und sunna basiert. Legislative, Judikative und Exekutive hätten sich der shari‘a unterzuordnen, wobei die Exekutive allein Gott, und nicht der Legislative gegenüber verantwortlich ist und die Legislative als Instrument zur Herstellung der gottgewollten Ordnung fungieren müsse“ (Farschid 2004, S 69).
Um das Ziel der Islamisierung der Welt zu erreichen, sind folgende „Zwischenschritte“ erforderlich: 1. Die innere Läuterung im Sinne der Optimierung der individuellen „Gottesknechtschaft“ bzw. „Rechtgläubigkeit“; 2. Die Bildung und Überwachung islamkonformer/rechtgläubiger Familien und Gemeinschaften; 3. die Schaffung möglichst perfekter islamischer Staaten und schließlich 4. die Errichtung des Weltkalifats. Im Rahmen dieser Gesamttätigkeit sieht sich die MB als zur Führung ermächtigte Avantgarde. Dabei weist die innere Organisation der MB eine autoritär-hierarchische Struktur auf. Um Mitglied der MB zu werden, muss der Kandidat eine dreijährige Probezeit absolvieren. Wird diese bestanden, soll das neue Mitglied einen Treueid auf den Führer mit folgender Formel leisten:
„I contract with God … to adhere firmly to the message of the Muslim Brothers, to strive on its behalf, to live up to the conditions of its membership, to have complete confidence in its leadership and to obey absolutely, under all circumstances (fi`l-manshat wa `l-makra/ am Anfang wie in Zwangslagen). I swear by God on that and make my oath of loyalty by Him. Of what I say, God is Witness.” (zit. n. Weinberger 2004)[9].
Zur Anwendung von Gewalt als Mittel der Zielerreichung nimmt die MB eine pragmatisch-taktische Haltung in Abhängigkeit von konkreten situationsgebundenen Kräfteverhältnissen ein. Kam es zunächst zu gewaltsamen Erhebungen und Attentaten sowie zum Aufbau eines geheimen militanten Flügels, wurde dann nach einer länger anhaltenden staatlichen Repression sowie eines Tätigkeitsverbots seitens des ägyptischen Militärregimes seit Beginn der 1970er Jahre ein Gewaltverzicht verkündet. Eine Rolle spielte in diesem Kontext sicher auch, dass al-Bannā am 12. Februar 1949 in Kairo erschossen und Sayyid Qutb am 29. August 1966 wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung gehängt wurde. Infolge des erklärten Gewaltverzichts kam es dann zur Abspaltung diverser nach wie vor gewaltorientierter Gruppen, die sich später teilweise der Al Kaida anschlossen.
Die Strategie der weitgehend gewaltlosen Tätigkeit verschaffte der MB in Ägypten vor dem Hintergrund der Dominanz konservativ-islamischer Sozialisationsverhältnisse eine recht breite Massenverankerung, so dass sie nach dem Sturz des Mubarak-Regimes sogar zunächst in die Regierungsverantwortung gewählt wurde und von Juni 2012 bis Juli 2013 mit Mohammed Mursi auch das Amt des Staatspräsidenten besetzte. Jenseits von taktischer Rhetorik war ihr Ziel aber mitnichten der Aufbau eines demokratischen Systems und die Einhaltung der damit gesetzten Regularien. Vielmehr ging und geht es ihnen um die Errichtung eines islamischen Staates als Kerninstanz eines religiös-autoritären Herrschaftssystems. So kam es unter dem Eindruck von Massendemonstrationen oppositioneller Bevölkerungsteile schließlich dazu, dass sich das ägyptische Militär zum Eingreifen veranlasst sah, Mursi zum Rücktritt zwang und ihn festsetzte[10]. Die MB wurde daraufhin Ende 2013 verboten und als Terrororganisation eingestuft.
II. Die Strategie der Islamisierung in den europäischen Zuwanderungsländern
Richtet sich die Tätigkeit der MB und anderer radikalislamischer Organisationen in den islamischen Ländern gegen aus ihrer Sicht zu „laxe“ oder gar säkulare Regime zwecks Wiederherstellung einer schariakonformen Gesellschaftsordnung, so ist deren Bestreben in den westlichen Einwanderungsländern auf die sukzessive Durchsetzung und erweiterte Reproduktion islamisch regulierter und kontrollierter Sozialräume konzentriert. Dabei ist grundsätzlich von folgender strategischen Handlungskonstellation auszugehen:
Als kollektives Gesamtsubjekt des ganzheitlich-allumfassenden und letztlich auf Weltherrschaft ausgerichteten Islamisierungsprozesses tritt die arbeitsteilig bzw. funktional gegliederte „Gemeinschaft der Rechtgläubigen“ in Erscheinung, und zwar in ihrer jeweils raumzeitlich konkret organisierten Form: Zum Beispiel als bereits herrschende autoritär-hierarchische Umma in einem islamisch regulierten Land oder als muslimische Diaspora-Gemeinde auf dem Gebiet eines nichtislamischen (Einwanderungs-)Landes, im sogenannten „Haus des Krieges“ oder ggf. „Haus des Vertrages“.
Von zentraler Bedeutung für das konkrete handlungsstrategische Vorgehen der jeweiligen Abteilungen des Islamisierungssubjekts ist dann natürlich die Berücksichtigung der realen Kräfteverhältnisse: Solange Überlegenheit und/oder physische bzw. militärische Schlagkraft gewährleistet sind, dominiert das strategische Konzept des „militanten Dschihad“ (Dschihad des Schwertes) in Gestalt der unmittelbar-repressiven Durchsetzung der islamischen Gesetzesherrschaft. Erweist sich hingegen der Feind (die politisch-kulturelle Macht und Gesellschaftsorganisation der Ungläubigen) als kräftemäßig überlegen, wird auf das Mittel der „friedlichen“ Propaganda und ideologischen Kontrollarbeit nach innen und Missionierung nach außen gesetzt und eine Politik der „Islamisierung auf leisen Sohlen“ unter missbräuchlicher Ausnutzung der gewährten Handlungsmöglichkeiten („Religionsfreiheit“) betrieben (Dschihad des Wortes und der schmeichlerischen Täuschung[11]).
Angesichts der aktuellen Kräfteverhältnisse in Europa ist ein gewaltsamer Weg zur unmittelbaren Errichtung einer islamischen Herrschaftsordnung auf längere Sicht ausgeschlossen. Was bleibt ist die Option einer allmählichen Islamisierung Europas, was militante Einschubphasen (periodischen Einschüchterungsterror) nicht ausschließt[12]. Eine zentrale Voraussetzung hierfür ist zunächst die feste Etablierung und Ausdehnung orthodox-islamisch regulierter Sozialräume durch
- eine im Vergleich zur einheimischen Bevölkerung nachhaltig höhere Geburtenrate, was die Aufrechterhaltung islamisch-patriarchalischer Kontrollmacht über Geist, Körper und Heiratsverhalten der unterworfenen Frauen unabdingbar macht („die Wahrheit hinter dem Kopftuch“)[13].
- die Stabilisierung und erweiterte Reproduktion orthodox-islamischer Sozialisationsverhältnisse als Produktionsstätten „rechtgeleiteter“ traditionsfixierter Subjektivität[14] sowie
- die schrittweise Eroberung und Ausdehnung sozialer Handlungs- und Herrschaftsräume, in denen islamische Normen, Gesetze, Regeln, Vorschriften etc. eine unanfechtbare Geltung erlangen. (Nichtkriegerische Etablierung islamischer „Sittlichkeit“ auf dem Territorium der Ungläubigen als wesentliche Form der Islamisierung.)
Sobald sich aber dieses quantitative Kräfteverhältnis wandelt – insbesondere durch Demographie oder Zuwanderung –, ist nach dem islamischen Gesetz folgerichtig eine qualitative Verhaltensänderung der Muslime programmiert: Jetzt gilt es aus der Position des Schwächeren bzw. Desjenigen, der bislang an seiner göttlich legitimierten Herrschaftsausübung gehindert wurde und entsprechend taktieren musste, in die Position des Unterwerfers überzuwechseln. Das bedeutet a) den Regelkanon der „Dhimmisierung“ gegenüber den monotheistischen Konkurrenten (christliche und jüdische Schriftbesitzer) anzuwenden, b) die erzwungene Konversion zum Islam, Vertreibung oder Tötung der Polytheisten und Atheisten/Agnostiker (die wahren Ungläubigen) zu vollziehen und c) die strikte Geltung der Scharia, d. h. des gesamten islamischen Regelkatalogs, zu praktizieren. Bereits dort, wo Muslime noch unterhalb der Staatseroberung über Reviermacht verfügen, wie zum Beispiel in islamistisch kontrollierten Gebieten von Bürgerkriegsländern (Syrien, Irak, Jemen, Pakistan, Afghanistan, Mali, Nigeria etc.), aber auch in bestimmten Stadtteilen und Regionen in westlichen Zuwanderergesellschaften mit starker muslimischer Konzentration, kommt dieses Verhalten direkt zum Tragen. (Muslime in London auf Scharia-Patrouille; Forderung nach Alkohol-Verbot auch für Nichtmuslime in Belgien; Belästigung von „unislamisch“ gekleideten Frauen in europäischen Großstädten; Etablierung von islamisch geprägten No-go-areas; Aufbau einer islamischen Paralleljustiz etc.)
Als wesentliche Vorhutakteure der Islamisierungsstrategie in Europa fungieren die Islamverbände mit vornehmlich türkischem, arabischem, iranischem und südasiatischem Herkunftshintergrund. Von herausragender Bedeutung als von außen wirkende kapitalkräftige Sponsoren sowohl des militanten als auch des legalistischen „Islamismus“ sind hier die ultraorthodoxen Golfstaaten anzuführen. So hat zum Beispiel „Saudi-Arabien allein in nicht islamischen Staaten zwischen 1973 und 2002 weltweit rund 80 Milliarden Dollar in islamische Schulen, Moscheen und Zentren investiert“ (Adamek 2017, S. 130). Die 960 Moscheevereine der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (DITIB) in Deutschland werden direkt von der türkischen Religionsbehörde Diyanet finanziert und wirken als verlängerter Arm des autokratischen Erdogan-Regimes. Hinzu kommen 323 Moscheen der radikalen „Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs“ sowie 300 Moscheevereine des Verbandes der Islamischen Kulturzentren e. V. (VIKZ). Katar wiederum betätigt sich als wesentlicher Finanzier der MB in Europa (Chesnot/Malbrunot 2020).
III. Das Konzept der Mitte als Handlungsgrundlage der MB in Europa
Die aktuell dominierende ideologische und strategische Ausrichtung der MB in Europa basiert auf dem sog. Konzept der Mitte (wasatiyya), das auf den Ägypter Yusuf al-Qaradawi (geb. 1926) zurückgeht, der als eine der einflussreichsten Personen nicht nur der MB, sondern generell des orthodox-sunnitischen Islam gilt[15]. Seine Bedeutung ergibt sich insbesondere daraus, dass er orthodox-dogmatische Antworten auf die Frage nach einem islamgerechten Leben unter den Bedingungen nichtmuslimischer (westlich-säkularer) Zuwanderungsgesellschaften erteilt und im Kontext des von ihm formulierten speziellen islamischen Rechts für die muslimischen Minderheiten in den westlichen Zuwanderungsländern entsprechende Richtlinien vorgibt[16]. Dabei verbleibt er im zuvor dargelegten Denkrahmen des universellen islamischen Herrschafts- und Überlegenheitsanspruch sowie der „islamistischen Erneuerung“ des orthodoxen Islam und befestigt den absoluten Geltungsanspruch der Scharia im Einklang mit Koransure 33, Vers 36: „Und weder ein gläubiger Mann noch eine gläubige Frau dürfen, wenn Gott und sein Gesandter eine Angelegenheit (die sie betrifft) entschieden haben, in (dieser) ihrer Angelegenheit frei wählen. Wer gegen Gott und seinen Gesandten widerspenstig ist, ist (damit vom rechten Weg) offensichtlich abgeirrt.“
Im Unterschied zu Qutb und den unmittelbar gewaltbereiten djihadistischen Gruppen der Umma plädiert al-Qaradawi aber für eine zunächst gewaltfreie Strategie der Eroberung, um den Einfluss der „Muslime im Westen“ von innen her Stück für Stück zu erweitern[17]. „Der Islam wird Europa erobern, ohne Schwert und ohne Kampf.“ Europa, so al Qaradawi in einer TV-Rede, befände sich in einem miserablen Zustand aus Unmoral, Materialismus und Promiskuität und müsse vom Islam aus diesem Elend befreit werden. Europa werde keinen Lebensretter, kein Rettungsboot außer dem Islam finden[18].
Das „Konzept der Mitte“ grenzt sich damit entschieden von zwei entgegengesetzten innerislamischen Entwicklungslinien ab: Zum einen vom unmittelbar gewaltbereiten dschihadistischen „Islamismus“ illegitimer bzw. unbefugter Protagonisten[19] sowie zum anderen von der als bedrohlich empfundenen Tendenz der allmählichen Erosion der orthodox-islamischen Rechtgläubigkeit durch Anpassungsprozesse an die westlich-säkulare Lebenskultur. Dabei wird zur Abwehr der letztgenannten Gefahr – ganz im Einklang mit al-Bannas ursprünglicher Intention – die Rückkehr zu einem gereinigten Scharia-Islam als Lösung und Heilmittel angestrebt, der in allen gesellschaftlichen Bereichen zur Anwendung gelangen müsse. (Folgerichtig und im Einklang mit der Konstitution des orthodoxen Islam verwirft Qaradawi explizit den Begriff „politischer Islam“, da es nur einen Islam gebe und dieser die unzertrennbare Einheit von Politik und Religion beinhalte[20].)
Um diesem Ziel näher zu kommen, richtet sich Qaradawi sowohl gegen passive Selbstabschottung der muslimischen Diaspora-Gemeinschaft als auch gegen Assimilation (Übernahme westlich-säkularer Werte und Normen) und plädiert stattdessen für ein aktives und forderndes Einbringen der erneuerten bzw. gereinigten islamischen Identität gegenüber der „ungläubigen“ Zuwanderungsgesellschaft im Sinne einer langfristig angelegten Islamisierungsstrategie. Dementsprechend wird auch eine aktive Beteiligung am politischen Prozess inklusive des Eintritts in Parteien empfohlen sowie die gezielte Ausnutzung der gewährten demokratischen Rechte nahegelegt, „die durchaus dazu eingesetzt werden können und sollen, sich mit anderen Muslimen zu politischen pressure groups zusammenzuschließen, um so Einfluss auf Parteien, deren Willensbildung und auf die politische Führung zu erlangen und dadurch die Interessen der muslimischen Gruppen durchzusetzen“ (Remien 2007, S. 56f.)[21].
Die Voraussetzungen für das offensive Einbringen der islamischen Identitätspolitik gegenüber der nichtmuslimischen Mehrheitsgesellschaft sind zum einen gewährleistende und unterstützende bzw. absichernde „Helfer“ auf Seiten des (politischen, ökonomischen, medialen, juristischen etc.) Herrschaftssystems des Aufnahmelandes[22] sowie zum anderen ein „islamisches Wiedererwachen“ seitens der muslimischen Zuwanderer. Nach einer anfänglichen Phase der Sorglosigkeit, so Qaradawi, hätten diese „Sehnsucht nach ihren Wurzeln und nach ihrer religiösen Identität“ gespürt und von ihren muslimischen Brüdern in der islamischen Welt Unterstützung zum Bau von Moscheen, die Sendung von Gelehrten (ulama) sowie Unterstützung für Mission (da’wa) gefordert. Zunächst vorhandene Passivität wurde so in Bewegung gesetzt. „Denn sie sind mit ihrer Religion in jene Länder ausgewandert, um dort eine neue Saat zu säen, wo Gott von ihnen Erträge in unterschiedlicher Art ausgehen lässt“. (Qaradawi zit. n. Schlabach 2009, S. 187f.) Diesen Übergangsprozess von der Passivität in die „Epoche der islamischen Erweckung“, den Qaradawi in Europa, Nord- und Südamerika, Australien sowie im fernen Osten und Afrika konstatiert, unterteilt er in sieben Phasen:
1) Phase des Bewusstseins von der Identität
2) Phase des Erwachens
3) Phase der Bewegung
4) Phase der Sammlung
5) Phase des Baus
6) Phase des Sichniederlassens (al-tawtin)
7) Phase der Interaktion
„Wir sind gegenwärtig in der Phase der positiven Interaktion mit der Gesellschaft, denn es ist in dieser Phase kein Raum für Isolation, Rückzug gegen (ihr) Wesen und die Befürchtung vor der Konfrontation mit den Anderen. Denn die muslimischen Minderheiten werden auf harter Erde aufrecht stehen, da sie ihrer selbst gewiss sind und stolz auf ihr Wesen sind. Sie zeigen ihre Identität und wahren ihre Existenz. Des Weiteren heben sie ihre Besonderheiten hervor und zeigen, was sie von der zivilisatorischen Botschaft (des Islam) an die Menschheit haben“ (ebd., S. 188).
D. h.: Die islamischen Kräfte in den Zuwanderungsländern sehen sich gestärkt und durch Moscheebau, islamische Schulgründungen, Islamunterricht, Institute für islamische Theologie, Ausbildung von Imamen, etc. ermutigt für eine erfolgreiche Umsetzung ihrer Islamisierungstätigkeit.
Zusammengefasst verbindet dieses offensive Islam-Konzept für den Westen folgende Handlungsstränge:
1) Die Wahrung der orthodoxen (scharia-)islamischen „Rechtgläubigkeit“ und Identität unter den Bedingungen westlicher säkularer Gesellschaften. Dazu werden entsprechende Bildungs- und Erziehungsmaßnahmen ergriffen, sich erweitert reproduzierende muslimische Gegenmilieus gebildet und normativ überwacht, Moscheen errichtet u. v. m. Zentrales Ziel ist hier die möglichst weitgehende Minimierung nichtislamischer (kulturell-moderner) Fremdeinflüsse bei gleichzeitiger Maximierung islamischer Normierungsherrschaft. (Vgl. Krauss 2008, S. 305ff.)
2) Die aktive Einflussnahme auf die gesellschaftlichen und politischen Bedingungen im Zuwanderungsland im Interesse der Durchsetzung islamischer Sonderrechte (Schächten, Beschneiden, Ramadan, Islamunterricht, Institute für islamische Theologie, islamische Gräberfelder, Muezzinruf, islamische Bekleidung, spezielle „Deutsche Islamkonferenz“, Einfordern von Subventionen für muslimische Belange etc.). Dabei praktizieren die islamischen Vorhutkräfte eine offensive Legalitätstaktik ganz im Sinne der MB sowie des türkischen Staatislamismus: Ideologisch bekämpfen und diffamieren sie die menschenrechtliche Demokratie; gleichzeitig nutzen sie die demokratischen Rechte und Freiheiten der säkularen Gesellschaftsordnung aus und täuschen obendrein die Öffentlichkeit durch Lippenbekenntnisse und leere Behauptungen. Auf einen kurzen Nenner gebracht lautet ihre Forderung: Freiheit für die Feinde der Freiheit. Dabei begünstigen sowohl der Zustand der deutschen Gesetzeslage als auch die durch Ignoranz gekennzeichnete richterliche Gesinnungshoheit der Rechtsprechungsorgane die Islamisierungsstrategie.
3) Die Abwehr von Kritik durch eine systematische Diffamierungsstrategie. Die proislamische Umgestaltung der westlichen Öffentlichkeit erfordert zwangsläufig die systematische Zurückdrängung und Unterdrückung islamkritischer Einstellungen und Artikulationen. Im Zentrum steht hier der demagogische Vorwurf der „Islamophobie“. Zunehmend wird auch der „Rassismus“-Vorwurf für islamapologetische Zwecke instrumentalisiert. Dieses Vorgehen deckt sich ebenfalls mit dem Bestreben der OIC. So betonten die Oberhäupter der OIC-Staaten auf der dritten außerordentlichen Sitzung des Islamischen Gipfels in Mekka am 7./8. Dezember 2005 die Notwendigkeit, die Islamophobie „zu bekämpfen und auszurotten als ein Verfahren, das die Qualität des gegenseitigen Verstehens zwischen den verschiedenen Kulturen verbessert“. (Bat Ye’or 2013, S. 49). In diesem Sinne werden die westlichen Staaten angestachelt, „Gesetze gegen die Islamophobie zu erlassen sowie zu ihrer Bekämpfung bildungstechnische und mediale Kanäle nutzbar zu machen“ (ebd.). Mit vereinten islamischen Kräften zielt man darüber hinaus explizit ab auf die umfassende Gewinnung und Instrumentalisierung westlicher Regierungsinstitutionen, Medien, Parteien, Journalisten, „Islamwissenschaftler“ etc. als willfährige Bündnispartner im Kampf gegen „Islamophobie“[23] und setzt damit unverhohlen auf die ja durchaus sehr erfolgreiche Rekrutierung proislamischer Kräfte in Europa.
Zwecks Umsetzung der dargelegten Tätigkeitausrichtung hat insbesondere auch die MB in Europa ein verzweigtes Netzwerk von arbeitsteilig strukturierten Organisationen und Institutionen geschaffen. Als europäischer Dachverband fungiert die 1989 gegründete Federation of Islamic Organizations in Europe (FIOE) mit Sitz in Marksfield/GB, die sich 2020 in Rat der europäischen Muslime (CEM) umbenannte. Diesem gehören nach eigenen Angaben Organisationen aus 27 europäischen Ländern an. So z. B. die „Islamische Gemeinschaft in Deutschland e. V.“ (IGD), die im September 2018 in „Deutsche Muslimische Gemeinschaft e. V. “ (DMG) umbenannt wurde und laut Verfassungsschutzbericht 2019 „die wichtigste und zentrale Organisation von Anhängern der „Muslimbruderschaft (MB) in Deutschland“ ist[24]. Weitere nationale Organisationen der MB sind die Union des Organisations Islamiques de France (UOIF) in Frankreich, die Muslim Association of Britain (MAB) in Großbritannien, die Ligue des Musulmans de Suisse (LMS) in der Schweiz oder die Islamische Liga der Kultur in Österreich.
Auf Initiative der FIOE wurde 1997 in London der „Europäische Rat für Fatwa und Forschung“ (ECFR) unter Vorsitz von Yussuf al-Qradawi gegründet. Dem Rat gehören 38 islamische Gelehrte an. Vertreten ist dort auch die Islamische Gemeinschaft Millî Görüş e. V.[25] Die Aufgabe des Rates besteht primär darin, anhand von Rechtsgutachten das Orientierungssystem sowie das Verhalten der Muslime in Europa schariakonform zu regulieren und in diesem Kontext neue Fragen, die sich durch die Konfrontation zwischen orthodox-islamischen Prinzipien und säkular-moderner Lebensumwelt ergeben, zu beantworten; d. h. ein spezifisches Haram- und Halalsystem für die in einer Minderheitenposition lebenden europäischen Muslime zu schaffen.
Bereits 1996 wurde die der FIOE entsprechende Jugendorganisation „Forum of European Muslim Youth and Student Organizations“ (FEMYSO) ins Leben gerufen und 2006 folgte dann die Gründung der Frauenorganisation European Forum of Muslim Women (EFOMW). Zwecks Verwaltung und Verteilung der Spendengelder, die zu zwei Dritteln aus den Golfstaaten stammen und sich auf ein jährliches Budget von 400.000 Euro belaufen sollen, wurde 1996 zudem eine Stiftung mit dem Namen „European Trust“[26] eingerichtet. Bereits 1990 war das Institut Européen des Sciences Humaines (IESH), das „Europäische Institut für Geisteswissenschaften“, von der FIOE zusammen mit der Union des Organisations Islamiques de France (UOIF) gegründet worden. Dort werden Imame und Lehrer gemäß der dargelegten MB-Ideologie ausgebildet. Zudem kann ein Abschluss in Scharia sowie in den „Grundlagen des islamischen Glaubens“ erlangt werden.
IV. MB-nahe islamische Vorhutakteure in Deutschland[27]
Die Ursprünge der Anwesenheit und Tätigkeitsentwicklung der MB und anderer orthodox- und radikalislamischer Gruppen in Deutschland und Europa ergeben sich primär aus zwei elementaren Zusammenhängen:
1) Aus der Kollaboration Nazi-Deutschlands mit dem Mufti von Jerusalem, Mohammed Amin al-Husseini sowie generell der Islampolitik Nazi-Deutschlands während des Zweiten Weltkriegs[28]. Diese führte zur Rekrutierung von weit über 100.000 Muslimen für die deutsche Wehrmacht und u. a. zur Aufstellung von muslimischen SS-Divisionen wie der überwiegend aus freiwilligen Bosniaken bestehenden ca. 21.000 Mann zählenden 13. Waffen-Gebirgs-Division „Handschar“ in Kroatien[29]. Viele NS-Funktionäre bis in höchste Kreise teilten eine positive ideologische Einstellung gegenüber dem Islam. Noch am 4. Februar 1945, „als Hitler sich über seine Vision von einer neuen europäischen Ordnung ausließ, beharrte er darauf, diese Ordnung hätte ‚dem neuen Europa den Weg freigegeben zu einer weltanschaulichen Freundschaftspolitik mit dem Islam‘“ (Motadel 2017, S. 366).
2) Aus der Interessenlage der antisowjetischen Strategie der USA während des globalen Kalten Krieges, die den Islam als politisch-ideologische Waffe im Kampf gegen den Ostblock betrachtete und deshalb auch eine Förderung und Instrumentalisierung der MB-nahen Muslime in Westdeutschland einschloss[30]. In einem Memorandum vom 3. Mai 1957 legte die Arbeitsgruppe „Islam“ des damaligen Nationalen Sicherheitsrates der USA die Grundlinien der US-Islampolitik und -propaganda folgendermaßen fest: „Der Islam sei der natürliche Verbündete der Vereinigten Staaten; die Kommunisten seien die Feinde des Islam; der Islam sei eine mächtige Kraft in der Weltpolitik.“ Ferner wurde festgehalten, dass die USA und die Muslime viele „vereinbare Werte“ hätten (Motadel 2017, S. 384)[31]. Insbesondere auch den strengen wahabitischen Islam Saudi-Arabiens und dessen weltweite Ausbreitung sah man als politisch unterstützenswert an (ebd., S.386). Diese antisowjetische US-Strategie bedingte dann auch wesentlich das Zustandekommen des westdeutschen Anwerbeabkommen mit der Türkei[32].
Nach dem Zusammenbruch des NS-Regimes blieben einige der muslimischen Wehrmachtsangehörigen und SS-Freiwilligen, die der Repatriierung in die Sowjetunion und nach Jugoslawien entgehen konnten, in Westdeutschland und lebten zunächst in Lagern für sog. Displaced Persons im Umland größerer Städte in Süddeutschland. 1953 kam es dann aus diesen Reihen in München zur Gründung der ersten islamischen Organisation in der Bundesrepublik mit dem Namen „Religiöse Gemeinschaft Islam“. Nach Schätzung des Bayerischen Kultusministeriums belief sich deren Mitgliederzahl auf 300 Personen. Der Vorsitzende hieß Ibrahim Gacaoglu, stammte aus dem Kaukasus und war 1942 als Freiwilliger in die NS-Wehrmacht eingetreten. Der Imam der Gemeinschaft, der 1920 in Jugoslawien geborene Salih Sabanovic, war Absolvent der Imam-Akademie in Zagreb und hatte während des Krieges als Imam in der 13. Waffen-Gebirgs-Division der SS „Handschar“ gewirkt[33]. Weitere muslimische Gruppen von Kriegsveteranen, die auf der Seite Hitler-Deutschlands gekämpft hatten, waren u. a. die Wolga-Tartaren, Turkestaner und Bosniaken. Hinzu kamen 2000 arabische Muslime, 200 Pakistani, 700 Türken sowie 2000 Iraner, bei denen es sich zum größten Teil um Studenten und Praktikanten handelte und die von den Amerikanern – neben der „Religiösen Gemeinschaft Islam“ – ebenfalls für deren antisowjetische Islampolitik umworben, gefördert und bis hin zu Geheimdienst- und Propagandamissionen vereinnahmt wurden[34]. Eine besondere Rolle spielte hierbei das „Amerikanische Komitee für die Befreiung vom Bolschewismus“ und dessen Sender „Radio Liberation“.
Um den Amerikanern nicht allein das Feld der Einflussnahme zu überlassen und die in Westdeutschland verbliebenen „Nazi-Muslime“ selbst zu kontrollieren, wurden die alten NS-Kriegsseilschaften reaktiviert. Die Federführung übernahm in dieser Angelegenheit das „Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte“. Geleitet wurde es von 1953 bis 1960 von Theodor Oberländer, dem ehemaligen Kommandeur einer der ersten muslimischen Wehrmachtsverbände. Unterstützung kam vom Düsseldorfer „Büro für heimatvertriebene Ausländer“ unter Leitung von Gerhard von Mende, der während der Naziherrschaft sein Wissen über die „sowjetasiatischen Völker“ in den Dienst des Regimes gestellt und u. a. in der Freiwilligen-Leitstelle Ost der SS gedient hatte. Angestrebt wurde die Gründung einer neuen islamischen Vereinigung, die von einem „Hauptimam“ in Gestalt von Nurredin Namangani, dem ehemaligen Divisions-Imam der Ostmuselmanischen SS-Division, geführt werden sollte. In einem Sitzungsprotokoll des Vertriebenenministeriums vom 17 April 1957 hieß es dementsprechend: „Herr Namangani erhält den Auftrag, zunächst einmal die mohammedanischen heimatlosen Ausländer und nichtdeutschen Flüchtlinge als religiöse Gemeinde um sich zu sammeln, um dann erst einmal den unliebsamen amerikanischen Einfluss, der der Bundesrepublik schädlich werden kann, auszuschalten und evtl. auch später (…) die Mohammedaner fremder Staatsangehörigkeit in seine religiöse Gemeinde herein zu bekommen“ (zit. n. Meining 2011, S. 93). Tatsächlich wurde Namangani – nach einem zunächst gescheiterten Versuch der Ernennung[35] – im Herbst 1957 offiziell zum „Hauptimam für die mohammedanischen Flüchtlinge“ ernannt. Am 9. März 1958 folgte dann in München die Gründung der mit jährlich 21.000 DM aus Bundesmitteln finanzierten „Geistlichen Verwaltung der Muslimflüchtlinge in der Bundesrepublik Deutschland e. V.“. Als Gründungsmitglieder gezählt wurden 71 Muslime aus dem Umfeld des neuen „Hauptimam“. Die „Religiöse Gemeinschaft Islam“, die gegen diese Neugründung protestiert hatte, verlor infolgedessen an Einfluss, was zunächst auch den amerikanischen islampolitischen Interessen zuwiderlief.
Zusätzlich zu den „Nazi-Muslimen“ gelangten Ende der 1950er Jahre zunehmend Studenten aus islamischen Ländern nach Westdeutschland. Darüber hinaus gab es auch geflohene Muslimbrüder, die wegen der Verfolgung in ihren Herkunftsländern aufgrund des Attentats auf Nasser (1954) eingereist waren. Um den Zusammenhalt dieser diversen muslimischen Gemeinden zu stärken, verfolgte die „Geistlichen Verwaltung der Muslimflüchtlinge“ in Abstimmung mit dem Vertriebenenministerium das Projekt des Baus einer Moschee in München, dem damaligen Hauptsammlungsort und Zentrum der Muslime in Deutschland. Auf einem Treffen am Zweiten Weihnachtstag 1958, an dem neben den Kriegsveteranen der der „Geistlichen Verwaltung der Muslimflüchtlinge“ auch dreizehn muslimische Studenten teilnahmen, wurde die Gründung einer Moscheebau-Kommission beschlossen. Am 6. März 1960 kam es dann zur offiziellen Gründung der Münchner „Moscheebau-Kommission e. V.“[36]
An der Weihnachtssitzung 1958 hatte auch der damalige Jungstar der MB, Said Ramadan, Schwiegersohn und Privatsekretär von Hasan al-Bannā, als Ehrengast teilgenommen. Der redegewandte und gebildete Ramadan, der 1958 an der Universität in Köln in islamischem Recht promovieren durfte, war ein umtriebiger und viel gereister Verfechter der dargelegten MB-Ideologie und setzte sich gezielt für den Aufbau eines islamischen Netzwerks in Europa unter Kontrolle der MB ein. Schon 1951 hatte Ramadan an der Seite des Großmuftis al-Husseini an der Konferenz des Islamischen Weltkongresses in Karatschi (Pakistan) als einer von drei Konferenzsekretären teilgenommen. „Nach seiner Theorie“, so Johnson (2011, S. 145), „sollten die Muslime von einem Kalifen regiert werden, einem weltlichen Machthaber, der nach islamischem Recht, der Scharia, regieren sollte.“ Nachdem er Ägypten infolge des Attentats auf Nasser verlassen musste, hatte er sich in der Schweiz niedergelassen, wo er in Genf ein islamisches Zentrum gründete und von dort aus die internationale Tätigkeit der MB lenkte. Seine ausgeprägte antikommunistische Grundeinstellung (gegen den sowjetischen Atheismus) führte auch zu einer punktuellen Zusammenarbeit mit den islampolitischen US-Strategen. Hingegen behinderte seine – ganz mit al-Husseini übereinstimmende – aggressive Judenfeindschaft ein engeres Bündnis mit den Amerikanern[37].
Nach einer Phase längerer Querelen zwischen den „Muslimflüchtlingen“ und den jungen studentischen MB-Anhängern übernahm schließlich Said Ramadan den Vorsitz der Münchener Moscheebau-Kommission. Motadel (2017, S. 380) fasst die Entwicklung prägnant zusammen: „Die Araber setzten sich durch. Ramadan verfügte über mehr Ressourcen und holte internationale Gelder nach München. Im Herbst 1961 traten die Veteranen aus der Moscheebau-Kommission aus. Namangani emigrierte in die Türkei. Die ‚Geistliche Verwaltung der Muslimflüchtlinge in der Bundesrepublik Deutschland‘ wurde politisch irrelevant. Die nun von den Arabern kontrollierte ‚Moscheebau-Kommission‘ verwandelte sich in eine neue islamische Vereinigung – 1963 wurde sie in ‚Islamische Gemeinschaft in Süddeutschland‘ umbenannt und 1982 in ‚Islamische Gemeinschaft in Deutschland‘.“ Der Sitz der Islamischen Gemeinschaft Deutschland e. V. (IGD) war das Islamische Zentrum München. Bis 1968 hatte Said Ramadan die Leitungsposition inne. Auch danach blieb die IGD fest in der Hand der MB. Von 1984 bis 1987 war Muhammad Mahdi Akif, der später von 2004 bis 2010 als siebter oberster Führer der MB fungierte, leitender Imam des Islamischen Zentrums München. Von 1973 bis 2002 lag die Leitung der IGD in den Händen von Ali Ghaleb Himmat, bis dieser in Verdacht geriet, in die Finanzierung von al Qaida verstrickt zu sein. „Das Islamische Zentrum München, das Kirche und Politik jahrzehntelang als Hort der Toleranz empfunden hatten, stand schlagartig unter Terrorverdacht (Meining 2011, S. 242). Von 2002 bis 2010 amtierte dann der Deutsch-Ägypter Ibrahim El Zayat, der sich 2001 auch um den Vorsitz des Zentralrats der Muslime bewarb und an der Gründung des Koordinierungsrates der Muslime in Deutschland beteiligt war, als Präsident der IGD. Seine Ehefrau Amina El Zayat ist die Nichte des Milli-Görüs-Gründers Necmettin Erbakan und Schwester des vormaligen Milli-Görüs-Vorsitzenden Mehmet Sabri Erbakan. Nicht zuletzt aufgrund dieser heiratspolitischen Verbindung agierte der „panislamische Multifunktionär“ El Zayat als Generalbevollmächtigter der Europäischen Moscheebau- und Unterstützungsgesellschaft und verwaltete die etwa 300 Milli-Görüs-Moscheen in Deutschland. „Er kauft Grundstücke für Moscheebauten, berät die Vereine beim Vorgehen zur Erlangung von Baugenehmigungen sowie bei der Finanzierung“ (Rasche 2007, S. 13). Aufsehen erregte El Zayat, als er 2007 als ungeladener Gast auf der vom Bundesinnenminister einberufenen Islamkonferenz an der Seite von Ayyub Köhler auftauchte, dem zu diesem Zeitpunkt amtierenden Vorsitzenden des Zentralrats der Muslime. Er gilt als einer der einflussreichsten Architekten der etappenweisen Islamisierung Deutschlands, d. h. der Ausweitung und Absicherung der gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Errichtung unbehelligter Herrschaftsräume des Scharia-Islam. Dazu gehört insbesondere auch die Erhöhung der Moscheebaudichte. „Auf dem von El Zayat organisierten Jahreskongress der Islamischen Gemeinschaft Deutschlands 2003 in Berlin wurde der ägyptische Prediger Omar Abdel Kafi deutlich: ‚Integration darf nicht zu weit gehen. Unsere wichtigste Aufgabe ist es, den Islam zu verbreiten. Wir müssen die ganze Welt besiedeln und zum Islam bekehren‘“ (ebenda).
Im September 2018 fand eine Umbenennung der IGD in „Deutsche Muslimische Gemeinschaft e. V.“ (DMG) statt[38]. Der Verfassungsschutz bezeichnete die DMG 2019 als „die wichtigste und zentrale Organisation von Anhängern der MB in Deutschland“ und stellte fest: „Ziel der DMG ist es unter anderem, gegenüber Politik, Behörden und zivilgesellschaftlichen Partnern als Ansprechpartner eines gemäßigten, weltoffenen Islam in Erscheinung zu treten. Sie verfolgt eine an der MB-Ideologie ausgerichtete Strategie der Einflussnahme im politischen und gesellschaftlichen Bereich. Bei öffentlichen Auftritten werden Bekenntnisse zur MB und verfassungsfeindliche Äußerungen vermieden. Zahlreiche Verbindungen zwischen hochrangigen DMG-Funktionären und namhaften ausländischen Muslimbrüdern verdeutlichen jedoch die Zugehörigkeit der Organisation zum weltweiten MB-Netzwerk.“ (Verfassungsschutzbericht 2019, S. 223).
1994 war die IGD/DMG maßgeblich an der Gründung des Zentralrats der Muslime in Deutschland (ZMD) beteiligt[39], wurde dann aber ohne Angabe von Gründen im Januar 2022 von der Vertreterversammlung des ZMD ausgeschlossen[40]. Als Verband verdächtig „überkorrekt“ auftretender „Nadelstreifenislamist:innen“[41] zählt der ZMD ca. 30 Mitgliedsverbände, darunter auch die ATIB (Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine in Europa e. V.), eine Abspaltung der türkisch-rechtsextremistischen Grauen Wölfe, sowie das Islamische Zentrum Hamburg, eine Vertretung des iranischen staatsislamistischen Herrschaftssystems. Nach eigenen Angaben zählt der ZMD 30.000 Mitglieder.
Neben der Muslimischen Jugend in Deutschland (MJD) als Juniororganisation gehören folgende weitere Einrichtungen zum unmittelbaren organisatorischen Einflussbereich der IGD/DMG: Das Europäische Institut für Humanwissenschaften (EIHW) mit Sitz in Frankfurt a. M., das einen orthodox-dogmatischen Scharia-Islam im Sinne der MB-Ideologie lehrt und als Kaderschmiede für MB- und DMG-Funktionäre gilt[42]; der Rat der Imame und Gelehrten in Deutschland (RIGD), ebenfalls mit Sitz in Frankfurt a. M. als deutsche Variante des European Council for Fatwa and Research (ECFR, Europäischer Rat für Fatwa und Forschung) sowie die sog. Hilfsorganisation Islamic Relief Deutschland e. V. (IRD) mit Sitz in Köln als Teil des Dachverbandes Islamic Relief Worldwide. Unter dem Deckmantel der Wohltätigkeit sammelt und verteilt IRD Gelder zur Finanzierung radikalislamischer Aktivitäten[43].
Wie Rita Breuer treffend zusammenfasst, verfügt die MB „über ein breites Personengeflecht und Netzwerk von Strukturen in Deutschland und Europa, das deutlich über die genannten Protagonisten hinausgeht. Sie ist bestens gerüstet für ihre Agenda, islamische Bildung zu fördern, institutionell Einfluss zu nehmen und immer mehr Akzeptanz islamischer Normen in der deutschen Öffentlichkeit durchzusetzen. Besonderes Augenmerk widmet man auch dem Thema Islamkritik und der Schulung zum Umgang mit islamkritischen Argumenten; Ziel ist, jede kritische Anfrage an den Islam als islamfeindlich oder rassistisch zu kategorisieren und zu unterbinden.“[44]
Insgesamt betrachtet zeigt sich, dass sich die muslimische Islamisierungsstrategie in Deutschland in den letzten zwei Jahrzehnten tendenziell als durchaus erfolgreich erwiesen hat, was sich in der deformierenden Ausbreitung islamischer Herrschaftskultur auf unterschiedlichen sozialen Systemebenen manifestiert[45]. Auf diese Weise wurde und wird der gesamtgesellschaftliche Regressions- und Krisenprozess in Deutschland und anderen europäischen Ländern zusätzlich anheizt, entscheidend beeinflusst und vertieft. Ausschlaggebend sind aber (noch) nicht die Bestrebungen der eingewanderten Protagonisten der islamischen Herrschaftskultur, sondern die gewährenden und entgegenkommenden Verhaltensweisen der politischen Klasse sowie der hinter ihr stehenden Lobbyisten. Erst deren Bereitschaft, unter der Parole „Der Islam gehört zu Deutschland“, dem Islamisierungsstreben auf zahlreichen gesellschaftlichen Gebieten im Sinne einer völlig verkehrten „Integrationspolitik“ und falscher „Toleranz“ nachzugeben, eine Deutsche Islamkonferenz einzurichten, Islamunterricht einzuführen, Institute für Islamische Theologie an deutschen Universitäten zu etablieren, den Verbandsislam sukzessive in das staatskirchenrechtliche Privilegiensystem aufzunehmen, öffentliche Muezzinrufe zu genehmigen, den Bau von Großmoscheen zu fördern, Ramadanbeleuchtungen aufzuhängen u. v. m. sowie im Kontext einer sog. Bestandserhaltungsmigration eine islamische Massenzuwanderung zu stimulieren und damit summa summarum die islamische Herrschaftskultur zu legalisieren und zu fördern, sichert den Islamisierungsprozess ab und stimuliert das reaktionär-alltagsaggressive Handeln eines Großteils der Muslime in Deutschland.
Wie gegen diese globalkapitalistische Bedrohung der säkular-demokratischen Gesellschafts- und Lebensordnung vorzugehen wäre, hatte die GAM e. V. bereits in einer kurzen Stellungnahme vom November 2020 umrissen[46] und in einem umfangreichen Programm genauer ausgeführt[47].
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Warner, Bill: Scharia für Nicht-Muslime. 2013
Weinberger, Cornelia: Die ägyptische Neo-Muslimbruderschaft – Legalisten wider Willen? Hausarbeit (Hauptseminar), 2004. https://www.grin.com/document/31752
Wöhler-Khalfallah, Khadija Katja: Islamischer Fundamentalismus. Von der Urgemeinde bis zur Deutschen Islamkonferenz. Berlin 2009.
Anmerkungen:
[1] Maulawi 1987, S. 25.
[2] Maulawi 1987, S. 25.
[3] Siehe dazu die entsprechenden Quellenaussagen in Krauss 2013, S. 44ff. und bei http://rolandfakler.de/nicht-muslime/
[4] Die Bezeichnungen „Islamismus“ oder – häufig synonym verwandt – „politischer Islam“ sind insofern desorientierend, weil sie oftmals fälschlicherweise einen wesentlichen Gegensatz zum Inhalt des traditionellen bzw. orthodoxen Islam suggerieren, wie er in den genannten Quellentexten objektiv vorliegt und subjektivistischen Veränderungen/Erneuerungen/Interpretationen weitgehend entzogen ist. Tatsächlich handelt es sich aber bei den als „islamistisch“ oder „dem politischen Islam zugehörig“ bezeichneten Akteuren schlicht um aktivistische Vorhutkräfte der islamischen Gemeinschaft, die in voller Übereinstimmung mit den Grundinhalten der islamischen Weltanschauung den muslimischen Herrschaftsanspruch gerade auch angesichts der negativ veränderten Realitätsbedingungen strategisch differenziert durchsetzen bzw. restaurieren wollen. Siehe zur Kritik dieser Bezeichnungen auch Tilman Nagel: „‚Der Islamismus hat mit dem Islam nichts zu tun‘ – Eine westliche Illusion“ https://hintergrund-verlag.de/analyse-der-islamischen-herrschaftskultur/tilman-nagel-der-islamismus-hat-mit-dem-islam-nichts-zu-tun-eine-westliche-illusion/ und „Der fatale Irrtum über den Islam“ https://www.achgut.com/artikel/der_fatale_islam_irrtum
Meine Analyse des ‚Islamismus‘ als reaktionär-aktivistische Widerspruchsverarbeitung des orthodoxen Islam angesichts der Überlegenheitserfahrung der westlichen Moderne habe ich u. a. in diesen Texten dargelegt: „Aufklärung und Kritik“, Sonderheft Islamismus, S. 201ff. https://epub.sub.uni-hamburg.de/epub/volltexte/2007/191/pdf/isla_so13.pdf und http://www.gam-online.de/text-Zur%20aktuellen%20Formierungsweise.html
[5] Der Koran 2003, S. 206.
[6] Zur Konvergenz zwischen Faschismus/Nationalsozialismus und islamischer Herrschaftskultur vgl. Gensicke 1988, Küntzel 2002, Krauss 2003 und Mallmann/Cüppers 2007. Zur islamischen Rezeption westlicher politischer Ideen vgl. z. B. Tibi 1996 (Dritter Teil) und Schulze 2002.
[7] So führt Qutb zum Beispiel folgende Verse an: „Er ist es, der im Himmel Gott ist, und Gott ist auf der Erde“ (Koran 43, 84). Und: „Die Entscheidung steht allein Gott zu. Er hat befohlen, dass ihr nur Ihm dienen sollt. Das ist die richtige Religion“ (Koran 12, 40).
[8] Zur Geschichte der MB vgl. z. B. Ayubi (2002), Farschid 2004, Grundmann 2005, Wöhler-Khalfallah 2009.
[9] Weinberger, Cornelia: Die ägyptische Neo-Muslimbruderschaft – Legalisten wider Willen? Hausarbeit (Hauptseminar), 2004. https://www.grin.com/document/31752
[10] Siehe zum Sturz der MB in Ägypten: https://hintergrund-verlag.de/analyse-der-islamischen-herrschaftskultur/demokratie-unter-islamistischer-vorherrschaft-zum-scheitern-einer-abwegigen-illusion/
[11] „Denn die Zuneigung der Menschen gewinnt man nur, indem man ihnen bei den Dingen hilft, die sie für richtig halten. In den Menschen sind nun einmal unterschiedliche Vorlieben und Charakterzüge angelegt, und es fällt den Seelen schwer, aufzugeben, worauf sie geprägt sind. Die lautere Zuneigung (der anderen) gewinnt man eben nur, indem man mit ihnen zusammen teilhat an ihren Sitten, auch wenn sie deiner Ansicht und deiner Neigung zuwiderlaufen. Der Unterschied zwischen der schmeichlerischen Täuschung und der taqija liegt darin, daß letztere vorzugsweise im Falle einer Notlage Schaden abwenden soll, wohingegen die schmeichlerische Täuschung sowohl dazu dient, Schaden abzuwenden, als auch Nutzen einzutragen.“ (Zitat zur schmeichlerischen Täuschung“ (arab.: al-mudarah) aus einer in Kuweit in 45 Bänden erschienenen Scharia-Enzyklopädie (1993-2007). Nagel 2014, S. 310.
[12] Innerhalb der Umma ist zu jeder Zeit ein militanter Flügel wesentlicher Bestandteil der funktional-arbeitsteiligen Gesamtgemeinschaft, um „Schrecken in den Herzen der Ungläubigen“ zu entfachen. In der Gegenwart gilt das z. B. für zahlreiche djihadistische Milizen und Terrororganisationen wie den IS, al-Qaida, die Taliban, Boko Haram, al- Shabaab, Abu Sayyaf oder für Organisationen, die zugleich als Partei und Miliz auftreten wie die Hamas (als palästinensischer Zweig der MB) oder die schiitische Hisbollah. Hinzu kommen terroristisch radikalisierte Muslime in den westlichen Zuwanderungsländern, die sich entweder den ausländischen Terrororganisationen wie dem IS anschließen oder als Einzelkämpfer bzw. in kleinen Gruppen „auf eigene Faust“ Anschläge verüben. In Deutschland galt das zum Beispiel für den Terroranschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt mit 12 Todesopfern und 67 Verletzten, für Terrorattacken von muslimischen Geflüchteten in Würzburg, Ansbach, Hamburg und Dresden sowie für zahlreiche durch Glück, Zufall und Behördenaufmerksamkeit vereitelte Terroranschläge (Sauerlandgruppe, „Kofferbomber von Köln“, geplante Anschläge von Flüchtlingen in Berlin-Schöneberg, Chemnitz, Düsseldorf und Schwerin.). „Mit Ablauf des Jahres 2019 lagen den deutschen Sicherheitsbehörden Erkenntnisse zu mehr als 1.050 Personen vor, die seit 2012 in Richtung Syrien und Irak gereist sind.“ (Verfassungsschutzbericht 2019, S. 189) Etwa ein Drittel kehrte inzwischen wieder zurück – davon über 110 Personen, die sich an Kämpfen aktiv beteiligt oder eine entsprechende Ausbildung absolviert haben. Zu mehr als 230 Personen liegen Hinweise vor, dass diese in Syrien oder im Irak starben. Zur aktuellen Vernetzung gewaltbereiter Islamisten in Europa siehe z. B. https://www.focus.de/politik/deutschland/islamischer-staat-terror-netz-zieht-sich-ueber-ganz-europa-und-plant-anschlaege-sogar-aus-knast-heraus_id_13088959.html
[13] So heißt es auch zum Beispiel in einer einschlägigen Fatwa zur islamisch legitimierten Polygamie: „Die Polygamie führt zu reicher Nachkommenschaft, d. h. zur Vermehrung der [muslimischen] Nation und dadurch zur Vermehrung derjenigen, die Allah anbeten. Dazu kommt noch, dass der Prophet, Allahs Segen und Heil seien auf ihm, dadurch [am jüngsten Tag] auf die Überzahl seiner Nation gegenüber anderen Nationen [Nicht-Muslimen] stolz sein wird.“ http://www.islaminstitut.de/Nachrichtenanzeige.55+M5507589532a.0.html Eine Muslimin darf lauf Koran (2, 221) keinen Nichtmuslim heiraten. Ein Muslim hingegen darf, wie auch Qaradawi in einem Rechtsgutachten bestätigt, eine gläubige Angehörige einer anderen Buchreligion (Christin oder Jüdin) heiraten. „Dagegen ist es verboten, eine Polytheistin, eine Atheistin, eine Angehörige der Bah’i oder eine vom Islam abgefallene Muslimin zu heiraten“ (Remien 2007, S. 55).
[14] Zur islamischen Sozialisation siehe Krauss 2008, S. 389ff und http://www.gam-online.de/text-Sekul-rel.html
[15] In Europa betätigt sich al-Qaradawi maßgeblich an der Tätigkeit der „Federation of Islamic Organisations in Europe“ (FIOE), die als Dachverband der europäischen MB-Organisationen wirkt sowie in dem von ihm gegründeten europäischen Fatwa-Rat „European Council for Fatwa and Research“ (ECFR).
[16] „Im Rahmen dieses Minderheitenrechts soll die grundsätzliche Überordnung der Scharia und ihrer wesentlichen Prinzipien gewahrt bleiben, während gleichzeitig mit Blick auf die besonderen Lebensumstände und Bedürfnisse der Minderheiten flexible Zwischen- und Übergangslösungen gerechtfertigt werden“ (Polanz 2012, S. 5).
[17] Qaradawis Option für eine zunächst friedliche Islamisierungsstrategie in den westlichen Zuwanderungsländern bedeutet allerdings nicht, dass er prinzipiell Gewalt als Mittel islamischer Praxis ablehnt. Ganz im Gegenteil: So rechtfertigte er palästinensische Selbstmordattentate als „heroische Märtyreroperationen“ ebenso wie die massive Sanktionierung von Apostaten und bejahte die Fatwa Khomeinis gegen Salman Rushdie (vgl. Wöhler-Khalfallah 2009, S. 206). Zudem lobte er Adolf Hitler: „‚Im Laufe der Geschichte hat Allah den Juden Personen aufgezwungen, die sie für ihre Korruption bestrafen. Die letzte Bestrafung wurde von Hitler durchgeführt‘, erklärte er im TV-Sender Al-Jazeera. ‚Er hat es geschafft, ihnen ihren Platz zuzuweisen. Dies war eine göttliche Bestrafung. So Allah will, wird die nächste Bestrafung seitens der Gläubigen erfolgen.‘ Al-Qaradawi äußert hier die Hoffnung, dass es das nächste Mal die Muslime sein werden, die den Juden eine dem Holocaust vergleichbare ‚göttliche Strafe‘ zufügen.“ https://www.bpb.de/politik/extremismus/antisemitismus/307771/islamischer-antisemitismus
[18] https://www.youtube.com/watch?v=eDtSqqciar0
[19] Aus der Perspektive des traditionellen islamischen Gelehrten spricht al-Qaradawi den Anführern der dschihadistischen gewaltbereiten Gruppen die erforderliche theologische Ausbildung und Autorität ab, um eigenmächtig den Djihad auszurufen. Damit wird – trotz großer prinzipieller Übereinstimmung in wesentlichen inhaltlichen Fragen (Scharia, Verhältnis zu Ungläubigen, Frauenrechte, Apostasie etc.) – ein intraislamischer Kampf um „Deutungshoheit“ und Führungsanspruch ersichtlich.
[20] Vgl. Wöhler Khafallah 2009, S. 207.
[21] Diese strategische Ausrichtung ist im Wesentlichen deckungsgleich mit den Vorgaben der „Organisation für Islamische Zusammenarbeit“ (OIC), der 56 Staaten mit islamischer Staatsreligion bzw. muslimischer Mehrheitsbevölkerung angehören. In ihrem Text „Strategie islamischer Kulturaktion im Westen“, verabschiedet im November 2000 in Doha, stellte die OIC explizit fest, „dass die islamischen Diaspora-Gemeinden einen Teil der islamischen Nation bilden“ (zit. n. Bat Ye’or 2013, S. 67). Um diese herrschaftsstrategische Abteilung der westlichen Gemeinden zu stärken, werden unermüdliche Islamaktivitäten in den Bereichen Erziehung und Kultur gefordert, denn „die Bewahrung der Identität erfordert eine rechtsgültige islamische Erziehung. Ebenso verlangt sie nach sorgfältig ausgearbeiteten Programmen hinsichtlich Bildung, Führung und Sozialfürsorge. … Daher sollten die Muslime in Europa einen einheitlichen Plan für die Zukunft der dortigen islamischen Präsenz entwerfen. Diese Strategie sollte sich darauf ausrichten, den Muslimen der Diaspora die erforderlichen Bedingungen zu schaffen, um die Schlüsselpositionen in den Gastgebergesellschaften zu besetzten – ökonomisch, kulturell, politisch, informationell. Dies sind die Hauptgründe gewesen, die eine Strategie der islamischen Kulturaktion erfordern, speziell zugeschnitten auf die Muslimgemeinden im Westen.“ (ebd. S. 70; Hervorhebung von mir, H. K.)
[22] Dieser Teil der Voraussetzungen findet sich institutionell im Netzwerkgeflecht der Islamkollaboration seitens der westlich-kapitalistischen Herrschaftsträger bis hin zur offenen Korruption der EU-Instanzen („Katargate“). Siehe Krauss 2023 und https://www.arte.tv/de/videos/114599-000-A/gekaufte-politik-europa-in-der-korruptionskrise/
[23] Zur Kritik des Islamophobiebegriffs siehe „‚Islamophobie‘ oder pathologische Angst des orthodoxen Islam vor der kulturellen Moderne“ http://www.gam-online.de/text-begriffserklarung.html
[24] „Die ‚Deutsche Muslimische Gemeinschaft e. V.‘ (DMG), bis zu ihrer Umbenennung im September 2018 ‚Islamische Gemeinschaft in Deutschland e. V.‘ (IGD), ist die wichtigste und zentrale Organisation von Anhängern der ‚Muslimbruderschaft‘ (MB) in Deutschland. Ziel der DMG ist es unter anderem, gegenüber Politik, Behörden und zivilgesellschaftlichen Partnern als Ansprechpartner eines gemäßigten, weltoffenen Islam in Erscheinung zu treten. Sie verfolgt eine an der MB-Ideologie ausgerichtete Strategie der Einflussnahme im politischen und gesellschaftlichen Bereich. Bei öffentlichen Auftritten werden Bekenntnisse zur MB und verfassungsfeindliche Äußerungen vermieden. Zahlreiche Verbindungen zwischen hochrangigen DMG-Funktionären und namhaften ausländischen Muslimbrüdern verdeutlichen jedoch die Zugehörigkeit der Organisation zum weltweiten MB-Netzwerk. Die DMG unterhält eigene Moscheen und Gemeindezentren und koordiniert darüber hinaus nach eigenen Angaben ihre Aktivitäten mit über 100 weiteren islamischen Gemeinden in ganz Deutschland“ (Verfassungsschutzbericht 2019, S. 223).
[25] https://www.verfassungsschutz-bw.de/,Lde/Startseite/Arbeitsfelder/Milli-Goerues-Bewegung
[26] Die Times of London berichtete über eine Reihe von Verbindungen des Europe Trust und/oder seiner Treuhänder zu verschiedenen Formen des Terrorismus. Siehe: https://en.wikipedia.org/wiki/The_Europe_Trust
[27] Auf die Herausbildung und Konsolidierung türkisch-islamischer Vorhutakteure mit prinzipiell MB-affiner Ideologie wie insbesondere die Milli-Görüş-Bewegung oder aber die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e. V. (DITIB) wird in dieser Abhandlung nicht eingegangen. Siehe dazu z. B. ausführlich Heinisch u. a. 2023.
[28] Die kollaborative Islampolitik der Nazis konnte relativ nahtlos an die proislamische „Freundschaftspolitik“ des deutschen Kaiserreichs anknüpfen. In den ersten Jahren des 1. Weltkriegs „wurde das gesamte Kaiserreich von einer regelrechten Islam-Manie erfasst. Die deutsche Presse brachte zahlreiche Artikel zum Thema Heiliger Krieg; Islamexperten hielten öffentliche Vorträge über Deutschlands Allianz mit der muslimischen Welt; es erschien eine regelrechte Flut von Broschüren und Büchern über den Dschihad (Motadel 2017, S. 31). Die Islamexperten des NS-Regimes schätzten die vehemente islamische Ablehnung der westlich-europäischen Kultur der Engländer und Franzosen (Demokratie, Aufklärung, Fortschrittsglauben, Individualismus etc.) und labten sich am muslimischen Antibolschewismus als Verbrüderungsgrundlage. „Deutschland habe ebenso wie alle anderen ‚autoritären und totalen Staaten … vom Aufstieg des Islam nichts zu fürchten‘“ (ebenda, S. 42).
[29] Damit wurde das Prinzip der ‚Rassenreinheit‘ der SS aufgegeben. „Aus den Muselmanen wurden ‚Muselgermanen‘. Die ‚weltanschaulich geistige Erziehung‘ der muselmanischen SS-Division wurde mit dem Mufti besprochen, und es wurde mit ihm vereinbart, daß der Nationalsozialismus als völkisch bedingte deutsche Weltanschauung und der Islam als völkisch bedingte arabische Weltanschauung unter Herausstellung der gemeinsamen Feinde (Judentum, Anglo-Amerikanismus, Kommunismus, Freimaurerei, Katholizismus) gelehrt werden sollten“ (Gensicke 2007, S. 115.). Zur Aufstellung von Bataillonen der kaukasischen Völker erklärte Hitler: „Die einzigen, die ich für zuverlässig halte, sind die reinen Mohammedaner“ (zit. n. Motadel 2017, S. 264).
[30] „Unter Dwight D. Eisenhower, der Anfang 1953 Präsident der Vereinigten Statten wurde, entwickelte sich die Unterstützung eines islamischen Blocks gegen die Sowjetunion (und später auch gegen den immer gefährlicher erscheinenden arabischen Nationalismus) zur offiziellen US-Politik. Eisenhower selbst war ein Verfechter einer aggressiven Instrumentalisierung des Islam.“ Bei einem Treffen mit Vertretern der CIA und des Generalstabs soll er laut einer Protokollnotiz dafür plädiert haben, die Idee des „Heiligen Kriegs“ gegen die Sowjetunion zu nutzen. (Motadel 2017, S. 382f.)
[31] Ferner wurden in dem Memorandum zahlreiche praktische Vorschläge zur Kooperation mit islamischen Bewegungen und Staaten gemacht, die allerdings nicht an die Öffentlichkeit dringen sollten. „Die offene Ausnutzung islamischer Organisationen zur Verbreitung harter Propaganda ist zu vermeiden.“
[32] Siehe: https://hintergrund-verlag.de/spaetkapitalistische-systementwicklung/50-jahre-anwerbeabkommen-mit-der-tuerke/
[33] Siehe Meining 2011, S. 62.
[34] Ebenda, S. 94.
[35] Vgl. hierzu Meining 2011, S. 96ff.
[36] „Zwei Gruppen höchst unterschiedlicher Muslime schickten sich an, in München eine zentrale Moschee zu bauen und den Islam auf eine feste Grundlage zu stellen. Dies war in Deutschland wie in Europa ein beispielloser Vorgang“(Meining 2011, S. 111).
[37] Nachdem Ramadan 1953 an einem „Islamischen Kolloquium“ an der Princeton University teilgenommen hatte, notierte ein CIA-Berichterstatter über ihn: „Nach meinem Gefühl war Ramadan ein politischer Reaktionär, vom Typ eines Falangisten oder Faschisten, nicht reaktionär im religiösen Sinne, wie die drei Scheichs, die auch an der Tagung teilnahmen. (…) Ramadan scheint ein Faschist zu sein, der Leute um der Macht willen um sich schart. Er legte nicht viele Ideen dar, nur die der Bruderschaft“ (zit. n. Johnson 2011, S. 149).
[38] „Durch die Umbenennung der IGD in DMG versuchte sich die Organisation offenbar als unbelastete Ansprechpartnerin für einen offenen, gemäßigten Islam zu präsentieren und die mittlerweile auch öffentlich bekannt gewordene Verbindung der IGD zur MB zu verschleiern“ (Verfassungsschutz in Hessen 2018, S. 181).
[39] Wegen der Einschätzung des Verfassungsschutzes, die DMG sei eine der MB nahe stehende Organisation, vollzog die DMG Ende 2019 aus taktischen Gründen den „schmerzlichen, aber notwendigen Schritt“ und ließ ihre Mitgliedschaft im ZMD vorerst ruhen.
[40] https://www.zentralrat.de/33706.php Ob es sich hierbei um einen echten Ausschluss oder Augenwischerei gehandelt hat, thematisiert ein Artikel des Humanistischen Pressedienstes https://hpd.de/artikel/zentralrat-muslime-schliesst-deutsche-muslimische-gemeinschaft-20116
[41] Zur überbetont gemäßigten Selbstdarstellung orthodoxer und radikaler Muslime siehe das Konzept der „schmeichlerischen Täuschung“ in Fußnote 11.
[42] Verfassungsschutzbericht in Hessen 2018, S. 181.
[43] Mit 32 Millionen Euro wurde 2015 und 2016 die Hälfte der eingenommenen Gelder an die Dachorganisation Islamic Relief Worldwide weitergeleitet, ohne dass deren Verwendung offengelegt wird. Vom israelischen Verteidigungsministerium wurde IRD „als Teil des Finanzsystems der Hamas“ angesehen (Adamek 2017, S. 210.) Zudem sponserte die IRD ideologische, d. h. eindeutig nicht humanitären Zwecken dienende Veranstaltungen wie die Jahrestreffen der IGD 2015 und 2016 sowie Veranstaltungen der „Muslimischen Jugend in Deutschland. (ebd., S. 214ff.) Laut Satzung dürfen nur Muslime Mitglieder dieses Vereins werden. Dennoch erhielt IRD von staatlicher Seite 6 Millionen Euro an Steuermitteln.
[44] https://www.bpb.de/politik/extremismus/islamismus/290422/die-muslimbruderschaft-in-deutschland
[45] Vgl. hierzu den Artikel „Islamisierung als reales Phänomen“ https://hintergrund-verlag.de/analyse-der-islamischen-herrschaftskultur/islamisierung-als-reales-phaenomen/
[46] http://www.gam-online.de/text-esreicht.html
[47] https://hintergrund-verlag.de/analyse-der-islamischen-herrschaftskultur/gam-ev-saekulare-lebensordnung-vs-islamisches-gottesrecht/