Zur islamistischen Durchdringung der französischen Schulen

 In Rezensionen

Buchbesprechung

Jean-Pierre Obin:

Comment on a laissé l’islamisme pénétrer l‘école

Les éditions Hermann, Paris 2.9.2020 * Taschenbuch * Sprache: französisch * 166 Seiten * ISBN 979-1037003799 * 18,00 €

So einsam wie einst General de Gaulle, der damals, lange vor den Kommunisten, als einer der einzigen Verantwortungsträger das Exil und den Widerstand der Schmach der Kapitulation vor dem internationalen Faschismus wählte, muss sich Jean-Pierre Obin, Generalinspektor im französischen Erziehungsministerium fühlen, der seit Jahrzehnten die Intrusion des Islamismus in französischen Schulen beobachtet. Denn erst heute dürfen sich seine Studien einer gewissen Aufmerksamkeit erfreuen. Zuvor wurden seine Warnungen jeweils „enterrées“, begraben, wie es auf Französisch heisst, wenn höhere Beamte, die Legislative und die Exekutive „störende“ Berichte in der Schublade entsorgen. Tatsächlich ist die neueste Studie selbst für diejenigen Deutschsprachigen, die über die Entwicklung in Frankreich unterrichtet sind, sie vermittelt haben und deswegen nicht selten mit massiven sozialen Exklusionsprozessen konfrontiert wurden, starker Tobak.

Zu dem Zeitpunkt, in dem vorliegende Rezension redigiert wird, sind erneut Vorgänge in Frankreich zu beobachten, die die dringende Notwendigkeit solcher Studien dokumentieren. Der Philosophielehrer eines Gymnasiums in Trappes, einem Vorort von Paris, verfasste im Februar 2021, bezugnehmend auf die Ermordung des Lehrers Samuel Paty, einen offenen Brief über die islamistische Durchdringung seiner Stadt. Danach musste er Polizeischutz anfordern. Er wird den Lehrerberuf aufgeben.

Wie reagierte der linke Bürgermeister? Er besuchte die Schule und verteilte ein Traktat, in dem er die angeblich aggressiven und diskriminierenden Aussagen des Lehrers denunziert. Auch er steht inzwischen unter Polizeischutz …

Ein weiteres Ereignis bezeugt die Aktualität der Studie von Obin, die vergangenes Jahr erschien. Anfangs Januar 2021wurde ein Lehrer in einem Gymnasium in Lyon von muslimischen Eltern bedroht, weil er eine Lektion über den Begriff und die Praxis der Laizität gehalten hatte. Seine Kollegen und die Schülerschaft streikten daraufhin mehrere Tage. Auch dieser Lehrer hängte den Beruf an den Nagel.

Dieser Streik ist insofern ein geradezu revolutionäres Ereignis, als die Lehrer- und Schülerschaft in den urbanen Zentren Frankreichs bisher als Vorhut der Befürworter des muslimischen Immigrationismus und der Islamophilie galten.

Vor diesem Hintergrund enthüllt sich aber immer deutlicher der klassenkämpferische Charakter dieses Konflikts. Tatsächlich sind in Frankreich das Grosskapital, viele höhere Beamte, „Wissenschaftler“, das urbane Grossbürgertum, staatlich bezahlte „Antirassisten“ etc. für eine Fortsetzung des afrikanischen Immigrationismus und islamophil eingestellt, währenddessen die dominierten Schichten, die täglich der handfesten und psychologischen Gewalt des Islamismus ausgesetzt sind, kaum Ressourcen besitzen, ihrem Schicksal zu entgehen. Dass in der deutschsprachigen oder angelsächsischen Welt angesichts dieser Entwicklungen noch Empörung aufkommt, wenn der Rassemblement National 20 oder 30% der Stimmen gewinnt, hat in erster Linie mit einer Art Weltprovinzialisierung zu tun, die darin besteht, dass man nur noch imstande ist, angelsächsische Koordinaten zu erlernen und danach die gesamte Welt nach diesen Einteilungsmustern oder -schablonen beurteilt. Dieses Phänomen, das ich „Hyperprovinzialismus“ oder „Alternationalismus“ nenne, habe ich in verschiedenen Texten ausführlich beschrieben. Es hat mit der sogenannten „Globalisierung“ begonnen und besteht im Wesentlichen darin, dass der angelsächsische Provinzialismus universalisiert wird und als „kosmopolitisch“ gilt.

Doch zurück zur Studie Obins. Ihre Warnsignale sind nicht neu. Bereits 1995 berichtet Obin seinen Kollegen über das Überhandnehmen des Islamismus und des Antisemitismus in den „schwierigen Quartieren“. Im Schlussrapport werden Obins Beobachtungen schlicht unterschlagen.

Einige Jahre später steht Obin dann selber einem Team vor, das die Auswirkungen des Islamismus an den französischen Schulen untersucht. Die Ergebnisse sind erschreckend: Ein Teil der muslimischen Schüler verweigert die Beschäftigung mit Werken in den Fächern Französisch und Philosophie. Verzeichnet wird zudem eine Ablehnung von Unterrichtsthemen in Geschichte, Biologie und Musik oder Verweigerungen der Teilnahme an sportlichen Aktivitäten oder Ausflügen. Zu beobachten ist zudem ein immer aggressiver werdender Forderungskatalog in Bezug auf die Kleidung, das Essen oder das Beten sowie die Zunahme der Kontrolle der Mädchen durch die Knaben – überdies ein generalisierter Druck auf moderate Muslime, der sich im Übrigen auch in der faktischen Vertreibung von gemässigten Muslimen in den Banlieues spiegelt. Obins Studie berichtet zudem von der massiven Zunahme von islamisch induzierten Beschimpfungen und von der Weigerung muslimischer Eltern oder gar des Schulpersonals, Menschen anderen Geschlechts die Hand zu geben. Was nebst des Ausmasses der Phänomene gegenüber 1995 neu ist: Das gesamte französische Territorium ist davon betroffen – es gibt kein „ruhiges Hinterland“ mehr.

Die Publikation dieses Rapports wird im Jahre 2004 aus innenpolitischen Gründen vom damaligen konservativen Minister François Fillon verweigert. Doch weil weite Teile davon an die Öffentlichkeit gelangen, blieb dem Staat keine andere Wahl, als ihn zu publizieren. Das Papier wurde freilich von den Ministerien beschwiegen – Konsequenzen wurden keine gezogen.

Die ersten Opfer des Islamismus sind, wie auch die aktuelle Studie von Obin zeigt, in den Banlieues und den Schulen die Juden. Viele habe sich für die Auswanderung nach Israel oder den Umzug in Gebiete entschieden, wo es möglichst wenige Muslime gibt. Heute besucht nur noch ein Drittel der jüdischen Schüler eine öffentliche Schule. Die Mehrheit geht in jüdische oder (ironischerweise) katholische Privatschulen.

Gewisse genuin muslimische Forderungen in den Schulen bewegen sich schon in eine Form der Apartheid bzw. der religiösen Separation: Muslime und Nichtmuslime sollen in Schwimmbädern, Garderoben oder Toiletten getrennt werden.

Im Pariser Stalingrad-Quartier berichtet ein Lehrer, 1995 sei nur eine Minderheit der muslimischen Frauen verhüllt gewesen, während es heute 80% seien.

Hier darf ich eine persönliche Note einfliessen lassen: Exakt in diesem damals äusserst sympathischen Quartier habe ich 1990/91 ein halbes Jahr verbracht. Es war sehr maghrebinisch und afrikanisch geprägt, ich erinnere mich aber nicht daran, vollverschleierte Frauen gesehen zu haben. Mit dem Islam wurde ich eigentlich nur konfrontiert, als ich einige Male in einem islamischen Buchladen Texte kopieren liess. Dort bediente ein Mann in langem weissem Gewand, ohne jede Freundlichkeit und Humanität, der meine Blätter anfasste, als wären sie haram. Kein Zweifel: jeder staatlich bezahlte deutsche „Antirassist“ oder amerikanische „Korrespondent“ der heutigen New York Times würde diesen islamistischen Schuppen als gelungene Art des „Multikulturalismus“ in Frankreich beschreiben – vorausgesetzt freilich, die traditionell provinziellen „Korrespondenten“ der New York Times seien schon jemals an einem solchen Ort gewesen.

Der Vormarsch des Islam und Islamismus in Frankreich wird auch durch erhobene Daten bestätigt. So bezeichneten sich 1992 die Kinder algerischer Einwanderer zu 30% als religionslos. 2008 waren es noch 8%. Jährlich werden rund 4.000 Konversionen zum Islam gezählt, aber nur 200 in umgekehrter Richtung. Eine amerikanische Studie geht von 13 Millionen Muslimen im Frankreich von 2050 aus. Eine Studie des Institut Montaigne kommt zum Schluss, dass ein Viertel der Muslime einer Weltanschauung anhängt, die den „Werten der Republik“ widerspricht. Der Aussage: „Die Frau ist in erster Linie für die Zeugung und Erziehung der Kinder verantwortlich“ pflichten 16% der atheistischen, 20% der katholischen und 40% der muslimischen Schüler bei. Wenn ein staatliches Gesetz der religiösen Überzeugung widerspricht, folgen 68% der muslimischen Schüler ihrem Glauben. Einzig 6% der muslimischen Schüler betrachten die Evolutionstheorie als glaubwürdig. Die Anzahl der „präradikalisierten“ muslimischen Schüler, die Gewalt anwenden würden, um ihre Standpunkte durchzusetzen, wird auf 120.000 geschätzt.

Angesichts solcher Werte stellt Obin die Frage in den Raum, weshalb Verantwortungsträger in sämtlichen Bereichen kaum auf derartige Entwicklungen reagiert haben. Einen Aspekt dieser Weigerung macht Obin im fehlerhaften Verständnis des Prinzips der Laizität aus, das zu Unrecht als „antireligiös“ empfunden wird. Und selbstverständlich kommt Obin nicht umhin, einen bedenklich grossen Teil der Linken zu kritisieren, die den Klassenkampf in einen islamophilen Rassenkampf verwandelt hat.

Diese „Linke“ ist in zahlreichen, teilweise staatlich unterstützten „Associations“, Syndikaten, Antirassismusorganisationen, Parteien vertreten, die sich nicht mehr auf die soziale, sondern auf die identitäre Frage fokussieren.

Diesen Wandel macht Obin exemplarisch an den Soziologen Alain Touraine und (dem Medienliebling) Esther Benbassa fest. Touraine vertritt das Primat des Individuums und bezeichnete den islamischen Schleier als „modernen Ausdruck einer positiven Identität“. Benbassa wiederum sieht in der Vertreibung von Juden einen Vorteil: Die antisemitischen Vorfälle würden abnehmen. An dieser Stelle sei zu bemerken, dass die französischen Soziologen angesichts der islamistischen Vorfälle nicht mehr, wie während Jahrzehnten, die Möglichkeit haben, das Problem zu negieren. Im Allgemeinen gehen sie inzwischen aber taktisch folgendermassen vor: Die eigentliche Wurzel des Islamismus, so wird behauptet, liege in den sozioökonomischen Problemen. Der Islam ist nur ein zufälliger „Trigger“ der Radikalisierung. Der Islam wird mithin generell nicht als handlungsrelevant angesehen. Dies kommt einem Obskurantismus höherer Stufe gleich – und dies sagt hier ein Rezensent, der über Bourdieu promoviert hat.

Immerhin gibt es in Obins Buch, wie das bei der Darstellung der immer grotesker werdenden islamischen Forderungen meist der Fall ist, auch einiges zu lachen. So stand ein Lehrer, der einem Schüler vorgeworfen hatte, „cochonneries“, d.h. Schweinereien in seinem Arbeitsheft veranstaltet zu haben, bald einer muslimischen Mutter gegenüber, die diesen Ausdruck einer Sau… nicht adäquat fand und die Meinung vertrat, ein Wort wie „Schwein“ dürfe fortan in der Schule nicht mehr verwendet werden. Ähnlich inspirierte Eltern fordern das Verbot des Märchens „Die drei kleinen Schweine“.

Eines muss aber immer stärker in den Vordergrund des politischen Diskurses treten und wird auch von Obin, der biographisch aus linken Verhältnissen kommt, zur Diskussion gestellt: Sind islamophile Organisationen (in Frankreich etwa die Liga für Menschenrechte (sic!) LDH oder das Kollektiv gegen Islamophobie in Frankreich (CCIF)) nicht zum rechtsextremen Spektrum zu zählen?

Assoziativ fällt mir die Entgegnung von Jürgen Habermas ein, die mir freilich noch immer diskutabel erscheint, als er befragt wurde, ob Heidegger ein Nazi gewesen sei: „Ja, ein Nazi –sicher ein Nazi.“

Derart lakonisch möchte man es nicht ausdrücken. Dennoch steht im heutigen französischen Kontext komparativ inzwischen fest: Die Deutschen haben die NPD, die Amerikaner ihre Proud Boys, und die Franzosen haben ihre „Antirassisten“. Jedem Tierchen sein rechtsextremes Pläsierchen …

Stefan Zenklusen

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