EU-Wahl zwischen Neoliberalismus und Rechtspopulismus

 In Spätkapitalistische Systementwicklung

EU-Wahl zwischen Neoliberalismus und Rechtspopulismus

Mit einem ausführlichen Nachtrag zum Strache-Ibiza-Skandal

 

Bunte Plakate, Fernsehdiskussionen von PolitikerInnen – die EU-Wahlen stehen vor der Tür. Und all die politischen Parteien, die seit Jahrzehnten in der EU und in Österreich Politik gegen die lohnabhängige Bevölkerung machen, rücken nun aus, um sich erneut unsere Stimmen und damit das OK zu dieser Politik zu sichern.

Was aber ist eigentlich die EU aus Sicht der arbeitenden Klasse? Was ist von den verschiedenen politischen Strömungen zu halten? Und wie sollten sich die Lohnabhängigen zu diesen Wahlen und zur EU insgesamt verhalten?

EU = ein Instrument des globalistischen Großkapitals

Die EU wird von Karas (ÖVP), Schieder (SPÖ), Gamon (NEOS), Kogler (Grüne) und Voggenhuber (JETZT) als Projekt von Wohlstand, Demokratie und Frieden dargestellt. Eine solche Verdrehung der Realität ist geradezu unverschämt – und wird keineswegs dadurch besser, dass sie uns auch von den allermeisten Mainstream-Medien tagtäglich vorgekaut wird.

In Wahrheit macht die EU-Bürokratie in Brüssel von Beginn an Politik für die großen Konzerne und Banken. Sie werden kaum besteuert, während die Reallöhne für Arbeiter/innen in Österreich und vielen anderen EU-Länder in den letzten Jahren gesunken sind. Die EU will die Nationalstaaten (auch durch außereuropäische Massenmigration) immer weiter aufbrechen, um die sozialstaatlichen Regelungen immer weiter auszuhebeln und Sozialdumping weiter voranzutreiben. Durch Handelsabkommen mit Afrika zerstört die EU die dortigen Ökonomien und befeuert damit Migrationswellen und Kriege.

Die wesentlichen EU-Staaten beteiligen sich an der weltweiten NATO-Politik. Das betrifft das aggressive Vordringen gegen Russland, die Auslösung des Bürgerkrieges in der Ukraine, den NATO-Angriffskrieg gegen Jugoslawien 1999, die Kriege in Afghanistan, im Irak, in Libyen und Syrien, an denen EU-Staaten teilweise direkt beteiligt waren, die sie teilweise durch die Unterstützung von Islamisten so richtig angefacht haben. EU-Staaten liefern im großen Stil Waffen an islamistische Staaten wie Saudi-Arabien und die Türkei, die sich damit in Kriege im Jemen, im Irak oder in Syrien einmischen – und außerdem in diversen Ländern Islamisten fördern.

Und die Demokratie führt in der EU ein Schattendasein. Das EU-Parlament hat noch weniger zu melden als die nationalen Parlamente. Noch stärker und direkter als in den einzelnen Ländern bestimmen in der EU die Konzern- und Bank-Lobbys die Politik. Dabei gewinnt die kapitalhörige Bürokratie um Juncker durch die EU-Zentralisierung immer mehr Macht, nationalstaatliche Widerstandsmöglichkeiten werden durch EU-Gesetze immer mehr ausgehebelt. Politische Kritik wird durch Einschränkungen des freien Internet und sogenannte „Hate-Speech“-Gesetze schrittweise kriminalisiert.

Parteien des EU-Establishments

Das beschriebene System dient wirtschaftlich, politisch und militärisch den vorherrschenden Kapitalgruppen, die weltweit ihre neoliberale Politik in Sinne ihrer Profitinteressen vorantreiben (= Globalismus). Dieses System und diese Politik werden von vier EU-„Parteienfamilien“ getragen: der Europäischen Volkspartei (inklusive ÖVP), der Sozialdemokratie (SPÖ), den Liberalen (NEOS) und den Grünen. Sie besetzen alle wichtige EU-Posten, sitzen in diversen Zusammenschlüssen und Denkfabriken des Großkapitals und der NATO und sind sich in den Grundlinien der beschriebenen Politik einig.

Die Europäische Volkspartei ist sowieso Hauptpartei des Großkapitals, sie stellte bisher mit Juncker den EU-Chef und hat vor, das in Zukunft mit Weber wieder zu tun. Sie exekutiert das, was die Mehrheit der Konzerne und Banken will; der ÖVP-Kandidat Karas ist ein Mann aus der Juncker-Merkel-Seilschaft. Die Sozialdemokratie entdeckt zwar im Wahlkampf wieder mal ihr „soziales Gewissen“, hat aber die neoliberale EU-Politik die ganze Zeit voll mitgetragen, in Frankreich, Deutschland, Österreich etc. selbst als Regierungspartei den Sozialabbau durchgeführt; SPÖ-Kandidat Schieder war nach der Finanzkrise 2008 führend an der „Bankenrettung“ beteiligt, also an der Sanierung der Banken durch die SteuerzahlerInnen; und in Wien erleben wir hautnah mit, wie die SPÖ diverse Bereiche der Gemeinde in Firmen ausgelagert hat und etwa im Gesundheitswesen Politik gegen die Beschäftigten macht. Die NEOS sind sogar noch für einen verschärften Neoliberalismus, für weitere Privatisierungen und Deregulierungen. Und gemeinsam mit Voggenhuber und den Grünen treten sie für eine stärkere Zentralisierung der EU ein, was die undemokratische Globalisierungspolitik über die Köpfe der Bevölkerungen hinweg weiter intensivieren würde. In Regierungsverantwortung haben die Grünen in Oberösterreich und Wien Privatisierungen mitgetragen, in Deutschland und Frankreich sogar NATO-Kriege; ihre durchsichtige Propaganda kann kaum jemand mehr ernst nehmen.

Rechtspopulistische Opposition

Gegen dieses neoliberale globalistisch-multikulturalistische Parteienkartell der EU-Politik mobilisiert die rechtspopulistische Opposition, also Salvini in Italien, Le Pen in Frankreich, die AfD in Deutschland, die FPÖ in Österreich und andere. Diese rechte Opposition, der ziemliche Gewinne vorhergesagt werden, stützt sich vor allem auf eine ablehnende Haltung gegenüber der Migration aus islamischen und afrikanischen Ländern, eine Ablehnung, die diese Parteien mit erheblichen Teilen der europäischen Bevölkerung teilen. Der entsprechende WählerInnenzulauf funktioniert für diese Parteien insbesondere deshalb, weil die Sozialdemokratie die Gefahr des „politischen Islam“, die oftmals rückständigen Geschlechterbilder, die überproportional hohe Gewalt- und Sexualkriminalität unter muslimischen Migranten und deren oftmals aggressiven religiösen Fanatismus verharmlost. Diese Themen, die besonders in den ArbeiterInnenvierteln, in Neuen Mittelschulen und öffentlichen Verkehrsmitteln als tagtägliche Probleme wahrgenommen werden, können in der Folge von RechtspopulistInnen besetzt werden. Und die Grünen erscheinen vielen überhaupt als die Vertretung von unkontrollierter Massenzuwanderung und „Islamisierung“.

Zu diesem Hauptthema kommt aber noch etwas anderes: Viele Lohnabhängige spüren, dass ihnen die Globalisierung in den letzten 20 Jahren hauptsächlich Nachteile gebracht hat, nämlich Deregulierung, Sozialdumping, sinkende Reallöhne, steigender Arbeitsdruck, unsichere Arbeitsplätze, Auszehrung des Sozialsystems (durch Massenzuwanderung zusätzlich belastet). Die EU treibt diese Globalisierung immer weiter voran und die Nationalstaaten erscheinen vielen als letzte Verteidigungslinien des Sozialstaates. Wenn nun die RechtspopulistInnen den Globalismus der EU angreifen, die EU in einen loseren Zusammenschluss mit stärkeren Rechten der Nationalstaaten verwandeln wollen und teilweise auch soziale Demagogie betreiben, dann muss das natürlich auf fruchtbaren Boden fallen – insbesondere wenn die Sozialdemokratie seit Jahrzehnten die arbeiterInnenfeindliche EU-Politik mitträgt.

Gegen diese beiden Hauptgründe für den Aufstieg des Rechtspopulismus hilft keine mediale Hysterie. Die FPÖ oder Salvini als Nazis hinzustellen ist nicht nur Unsinn (eine Verharmlosung des echten NS-Regimes), sondern auch sinnlos – weil sich diese Aufregung abnutzt und sie eben an den Gründen des Erfolgs von diesen Parteien nichts ändert. Helfen würde gegen Vilimsky oder Le Pen nur eine andere Politik, nämlich im Sinne der arbeitenden Klasse. Eine solche wird von den Parteien des EU-Establishments nicht kommen, denn sie setzen ja lediglich die Ziele des Großkapitals um, das in überwältigender Mehrheit die globalistisch-multikulturalistische Linie forciert.

Ebenso wenig kommen wird eine Politik im Sinne der Lohnabhängigen von den rechtspopulistischen Parteien – gerade die FPÖ an der Regierung zeigt, wie sehr sie die arbeiterfeindliche Politik der ÖVP (Steuergeschenke für Konzerne, Deregulierung bei der Arbeitszeit, Zustimmung zu TTIP …) mitträgt. Denn insgesamt sind die rechtspopulistischen Parteien, auch wenn sich manche von ihnen für Sozialstaat und ArbeiterInnenrechte aussprechen, prokapitalistische Kräfte – sie würden an der konzernfreundlichen Politik und an der Ausbeutung außereuropäischer Länder nichts ändern. Und es geht ihnen auch nicht um die Organisierung der Lohnabhängigen um ihre Interessen.

Antworten der ArbeiterInnenbewegung

Die offizielle ArbeiterInnenbewegung, insbesondere die Gewerkschaften, hängt politisch an der Sozialdemokratie und flankiert ihre prokapitalistische Politik. Durch allerlei Posten sind die GewerkschafterInnen mit dem Staat verbunden, sie wiegeln Widerstand in den Betrieben oftmals ab. Eine kämpferische ArbeiterInnenbewegung, die diesen Namen verdient, müsste ganz anders agieren.

Erstmal ist es notwendig, inhaltlich einen anderen Kurs einzuschlagen. Die Kritik an der EU darf die ArbeiterInnenbewegung nicht den Rechten überlassen, sondern sie muss die EU als Instrument von Banken und Konzernen angreifen, die undemokratischen EU-Strukturen anprangern etc. Auch die Kritik an den totalitär-faschistischen Konzepten des Islamismus, an frauenfeindlichen Traditionen und rückschrittlichen religiösen Vorstellungen ist eine ureigene Aufgabe der ArbeiterInnenbewegung. Sie muss von einem säkularen und sozialistischen Standpunkt aus angegangen werden; nicht Ablehnung von allen TürkInnen oder AraberInnen, sondern ein Bündnis mit den fortschrittlichen gegen die konservativ-islamistischen Kräfte.

Vor allem aber geht es um eine klassenkämpferische Neuausrichtung der ArbeiterInnenbewegung. Dabei auf die Änderung von GewerkschaftsbürokratInnen zu hoffen wäre naiv. Vielmehr muss eine ArbeiterInnenbewegung, die wirklich konsequent die Interessen der Lohnabhängigen vertritt, von unten neu aufgebaut werden. Die EU-Wahlen werden dazu nichts beitragen, es steht keine Partei zur Wahl, die für eine solche Ausrichtung steht. Notwendig sind vielmehr zwei Dinge: erstens die Schaffung von Strukturen, Plattformen, Netzwerken, die eine inhaltliche Neuausrichtung der ArbeiterInnenbewegung im oben ausgeführten Sinne vorantreiben; zweitens die Selbstorganisation von Beschäftigten in den Betrieben, die Schaffung von klassenkämpferischen Basisstrukturen und deren (auch internationale) Vernetzung.

Andreas Krajek (MAGIS), 17. Mai 2019

 

Nachtrag: Der Strache-Ibiza-Skandal

Die österreichische Rechtsregierung gestürzt. Auslöser: Ein sichtlich angetrunkener Vizekanzler fantasiert mit einer vermeintlich russischen Investorin über Staatsaufträge als Gegenleistung für Spenden, über die Übernahme der Kronenzeitung … und äußert sich abfällig über Journalisten und andere Politiker.

Dass diese aufwendig inszenierte Sache aus dem Sommer 2017 kurz vor der EU-Wahl an die Öffentlichkeit gespielt wird, ist natürlich kein Zufall. Was aber ist von einem marxistischen Klassenstandpunkt aus von diesen Vorgängen zu halten?

Zuerst einmal sollten Straches Aussagen jenseits der aktuellen Aufgeregtheit des politischen und medialen Establishments nüchtern bewertet und eingeordnet werden. Dass sich PolitikerInnen, wenn sie sich im privaten Rahmen unbeobachtet fühlen, abwertend über andere PolitikerInnen äußern, kommt mit Sicherheit ziemlich oft vor – erinnert sei an dieser Stellen an Wolfgang Schüssel, der den Präsidenten der Deutschen Bundesbank 2002 als „richtige Sau“ bezeichnet hat. Dass Strache die Journalisten als  „die größten Huren des Planeten“ beschrieb, ist natürlich eine grobe Verallgemeinerung. Dass Inhaber, Werbegroßkunden und das politische Establishment mit Förderungen und Inseraten Einfluss auf die Berichterstattung und die Zusammensetzung von Redaktionen nimmt, ist aber auch offenkundig. Und angesichts dessen, dass der Ruf der JournalistInnen in der Bevölkerung noch schlechter ist als der der PolitikerInnen, werden wohl gar nicht so wenige WählerInnen der Äußerung Straches mehr oder weniger zustimmen. Dass diese Aussage aber einer positiven Berichterstattung der journalistischen Zunft über die FPÖ weiter abträglich ist, ist auch klar.

Medien, Kapital und Politik

Wichtiger als diese Äußerungen sind aber andere Dinge, etwa die Fantasie, mithilfe der vermeintlichen Investorin die Kronenzeitung zu übernehmen und pro-FPÖ auszurichten. Die Medien empören sich nun über einen Angriff auf den „unabhängigen Journalismus“. Über diese Heuchelei kann man nur bitter lachen. Die ÖVP ist wirtschaftlich, politisch und personell eng mit dem Raiffeisen-Konzern verzahnt, und diesem gehören Anteile an den Magazinen News, Profil, Trend und Format sowie die Hälfte des Kurier. Die zweite Hälfte dieser Tageszeitung gehört dem Immobilienmilliardär Rene Benko, der ein Berater des ÖVP-Kanzlers Sebastian Kurz ist. Benko besitzt mittlerweile auch die Hälfte der Kronenzeitung. Die Tageszeitungen Presse und Kleine Zeitung sowie das Frauenmagazin Wienerin gehören über eine Stiftung der Katholischen Kirche und stehen damit dem anti-FPÖ-Flügel der ÖVP (Karas & Co.) nahe. Die Tageszeitung Standard und das Wochenmagazin Falter befinden sich im Eigentum von privaten Medienunternehmern, stehen politisch SPÖ und Grünen nahe und werden dementsprechend von der Gemeinde Wien mit all ihren ausgelagerten Firmen über Inserate mit zig Millionen Euro angefüttert (im Jahr 2018 mit 8,8 Mio. waren die Medien-Ausgaben Wiens bereits höher als die gesamte Presseförderung der Republik dieses Jahres). Unter SPÖ-Kanzler Christian Kern gingen allein im Jahr 2017 22,6 Mio. Euro an Medien, davon 6,5 Mio. an die News/Profil-Gruppe, die sich besonders mit Anti-FPÖ-Propaganda hervortut. Abgerundet wird das Bild davon, dass unter den JournalistInnen eine überwältigende Mehrheit mit SPÖ und Grünen sympathisiert; etwa bei den letzten AK-Wahlen hatten Rot-Grün bei der oft tonangebenden APA fast 90 Prozent der Stimmen, bei Kurier, Puls4 und News über 80 Prozent und beim ORF immerhin noch 73 Prozent. Der ORF, finanziert aus Gebühren der ZuseherInnen, ist gerade im politischen Bereich sehr stark rot-grün-dominiert. Ähnliches gilt für die Privatsender Puls4 und ATV, die im Besitz des deutschen Prosieben-Konzerns sind, eine Ausnahme stellt ServusTV (im Eigentum von Didi Mateschitz) dar, das einen rechtskonservativen Kurs fährt. Angesichts dieser überwiegend feindlichen Medienlandschaft ist es kein Wunder, dass die FPÖ nach jedem Strohhalm greift, irgendwo einen Fuß in die Tür zu bekommen. Da die FPÖ zwar im social-media-Bereich recht stark ist, aber keine wirklich großen eigenen Medien aufgebaut hat, ist sie weiter von den etablierten Medien abhängig geblieben – was sie tagtäglich zu spüren bekommt. Die sich daraus ergebenden Ibiza-Überlegungen Straches sind keineswegs sauber, aber bei der medialen und politischen Aufregung darüber geht es ÖVP, SPÖ und Grünen und ihren JournalistInnen nur vordergründig um Moral, in Wahrheit um die Verteidigung des gegenwärtigen Zustandes, ihrer Macht und ihrer Pfründe.

Parteienfinanzierung und Heuchelei

Der zweite wichtige Punkt ist die Frage von Machtmissbrauch und Parteienfinanzierung. Immerhin hat Strache der vermeintlichen Oligarchennichte ja in Aussicht gestellt, für eine finanzielle Unterstützung der FPÖ, abzuwickeln über einen gemeinnützigen Verein, im Falle einer FPÖ-Regierungsbeteiligung Staatsaufträge im Straßenbausektor zu bekommen. Auch wenn er mehrmals betont hat, dass alles rechtskonform seien müsse, ist das zwar keine vollendete, aber wohl doch die Anbahnung einer Korruption (was die ArbeiterInnenbewegung nur verurteilen kann). Und darüber hinaus prahlt der betrunkene Strache auch damit, dass die FPÖ von den GroßunternehmerInnen Gaston Glock, Heidi Horten und auch Benko (der neben der ÖVP auch der FPÖ Geld gäbe) Spenden erhalte. Die Genannten haben das dementiert, aber auch wenn es stimmen sollte, wäre das nichts Besonderes. Nach einer Schätzung von LobbyControl nehmen 25.000 Lobbyisten mit einem Jahresbudget von 1,5 Milliarden Euro in Brüssel Einfluss auf die EU-Institutionen; etwa 70 Prozent von ihnen arbeiten für Unternehmen und Wirtschaftsverbände. Sie mögen sich überwiegend an irgendwelche formale Regeln halten, im Kern machen sie aber nichts anderes als Straches Fantasien – sie geben Gelder an Verbände, Stiftungen, Personen, Projekte, Vereine etc., die Parteien nahestehen, und sie beeinflussen damit politische und wirtschaftliche Entscheidungen zu ihren Gunsten.

Auch in Österreich ist das nichts anderes: SPÖ, ÖVP und auch Grüne, die sich jetzt ereifern, dass die FPÖ Gelder über einen parteinahen Verein laufen lasse, finanzieren Wahlkämpfe seit langem über Vereine und Personenkomitees, die Spenden erhalten und offiziell nicht zu den Parteien gehören. Die meisten Gelder des Großkapitals erhält die ÖVP (auch und gerade im letzten Wahlkampf), und sie revanchiert sich dafür mit Steuersenkungen für diese Konzerne. Aber auch die SPÖ ist mit Banken, diversen Firmen im Geflecht der Gemeinde Wien oder auch Siemens gut vernetzt (Siemens bekommt Aufträge für Straßenbahnen in Wien, Siemens stellt Versorgungsposten für SPÖ-PolitikerInnen wie Sonja Wehsely). Und dem Bau- und Bahn-Großkapitalisten Hans-Peter Haselsteiner, der sich jetzt als potentielles Opfer der FPÖ inszeniert, haben seine langjährigen guten Beziehungen zur Politik bei seinen Großaufträgen im Autobahnbau und der Bahnprivatisierung sicher nicht geschadet; Haselsteiner ist der Hauptfinanzier der NEOS (die ohne sein Geld womöglich gar nicht im Parlament wären), und er hat mit Großspenden die Personenkomitees für Kern (SPÖ) in der Nationalratswahl beziehungsweise für den Grünen Alexander van der Bellen bei der Präsidentenwahl maßgeblich unterstützt.

Insgesamt unterstützen in Österreich, Deutschland und der EU die bei Weitem überwiegenden Teile des Großkapitals das globalistisch-multikulturalistische Parteienkartell. Zu den EU-Wahlen etwa haben über 100 europäische Großbanken einen Aufruf lanciert, in dem sie die Bevölkerung auffordern, „gegen nationalistische Tendenzen, Abschottung und Protektionismus“ zu stimmen. Die deutsche Industrie spendet für CDU/CSU, SPD, FDP und Grüne (also das genannte Parteienkartell), nichts bekommen die AfD und die Linke. Projekte zur „Vertiefung der europäische Integration“ wie „re:publika“, die die National- und Sozialstaaten aufbrechen und durch einen globalistischen EU-Staat ersetzen wollen, werden nicht nur durch George Soros, die ARD, den Spiegel und die Adenauer-Stiftung der CDU, sondern auch durch Konzerne wie Daimler, Deutsche Bank, Deutsche Telekom, Google, Sony, IBM, Hewlett-Packard, Vodafone und Microsoft finanziert. Die Massenmigrations- und Multikulturalismus-Agenda wird nicht nur vom genannten Parteikartell betrieben, sondern propagandistisch und finanziell vom Großkapital und seinen Stiftungen, in Deutschland etwa von der berüchtigten neoliberalen Bertelsmann-Stiftung, von der Bosch-Stiftung, der VW-Stiftung, der Vodafone-Stiftung, den Soros-Stiftungen und der Stiftung Mercator.

Rechtspopulistische Parteien wie die AfD oder die FPÖ sind demgegenüber Schmuddelkinder. Neben der staatlichen Parteiförderung bekommen sie kaum relevante Summen. Spenden von Großkapitalisten sind selten, und teilweise wollen diese (aus Angst vor Druck des Mainstreams) auch nicht öffentlich in Erscheinung treten. So bekam die AfD dann Probleme mit einer Spende über die Schweiz (obwohl die Summe im Vergleich der Spenden für die Merkel-CDU läppisch war), und die FPÖ hat möglicherweise von Glock oder Horten oder anderen was gekriegt. Das Ungleichgewicht zwischen globalistischem Parteikartell und Rechtspopulisten sollte aber auch niemanden dazu verleiten zu glauben, dass Le Pen, Lega, AfD oder FPÖ womöglich Anti-System-Parteien oder weniger korrupt oder gar auf der Seite der arbeitenden Klasse wären. Straches Auftritt in der Villa auf Ibiza zeigt ganz deutlich: Das sind (trotz ihrer WählerInnen) politisch keine ArbeiterInnenparteien, sondern bürgerliche Parteien, die sich auch gerne vom Großkapital finanzieren lassen wollen, aufgrund der bisher schwachen Finanzierung geradezu gierig danach und zu korrupten Deals bereit sind. Sie sind allerdings bürgerliche Parteien, die für ein anderes Projekt stehen, nämlich für die nationalistisch-protektionistische Verteidigung der National- und Sozialstaaten und die Erhaltung ihrer ethnokulturellen Identität. Damit stehen sie dem globalistisch-multikulturalistischen Projekt der überwiegenden Mehrheit des Großkapitals entgegen und geraten diesem ins Visier.

Wer steckt hinter der Falle?

Alles in allem kann bilanziert werden, dass Strache zwar keine persönlichen Vorteile für sich herausschlagen wollte, sich aber in der Gier des Ausgegrenzten nach Finanzierung seines politischen Projekts in dieser Villa hat hereinlegen lassen. Er hat nichts anderes gemacht, als im kapitalistischen politischen System sicherlich weit verbreitet ist. Aber er war so dumm, vor unbekannten Personen so offen zu reden (ein Beleg dafür, dass dem Alkohol zuneigende Personen nicht in führende politische Ämter gestellt werden sollten). Und er dürfte zumindest seit Wochen von der Existenz der Videos gewusst haben, hat aber nicht durch eine Flucht nach vorne oder einen zuvorkommenden Rücktritt reagiert – ein verantwortungsloses Verhalten gegenüber seinem politischen Lager (ist er politisch oder finanziell erpresst worden und darauf eingegangen, im naiven Glauben, die Sache so unter der Decke halten zu können?). Allerdings muss auch gesagt werden, dass den anderen PolitikerInnen solche Skandale auch deshalb nicht passieren, weil nicht derartige Fallen gegen sie inszeniert werden.

Im Moment gibt es nur Spekulationen darüber, wer hinter der Falle in Ibiza steckt. Manche tippen auf die SPÖ und ihren Berater Tal Silberstein, der im Jahr 2017 die SPÖ-Kampagne organisiert hat. Warum ist das Video dann aber nicht vor den Nationalratswahlen 2017 veröffentlicht worden? Weil die Silberstein-Methoden schon aufgeflogen und diskreditiert waren und man sich das Video lieber für später aufgehoben hat? Andere vermuten Sebastian Kurz hinter der Sache. Haben seine Leute aus Machtkalkül die Falle organisiert, um jederzeit die Option zu haben, mit einem Knalleffekt aus der Koalition mit der FPÖ auszusteigen und als Saubermann auf Kosten der FPÖ gestärkt daraus hervorzugehen? War jetzt, wo der ÖVP-EU-Wahlkampf nicht besonders lief und Spannungen zwischen der Kurz-Clique und dem pro-Merkel-Flügel mit Karas stärker wurden, der richtige Zeitpunkt? Andere meinen, dass schrille Mulitkulturalismus-AktivistInnen wie Jan Böhmermann oder das so genannte „Zentrum für politische Schönheit“, die sicherlich irgendwie aus dem globalistischen System an Finanzmittel kommen, damit zu tun haben. Haben diese Leute das Video von Anfang an mit Hinblick auf die EU-Wahlen aufgenommen, um die rechtspopulistische Opposition gegen das globalistische Projekt EU zu bremsen? Oder haben aus den identen Motiven Leute aus der EU-Machtelite selbst, Figuren aus den Merkel-Juncker-Zirkeln mit Geheimdienst-Verbindungen, die Falle gegen den damals mutmaßlich baldigen FPÖ-Vizekanzler aufgestellt?

Wer auch immer es im Konkreten war, Faktum ist, dass für diese Operation erhebliche Finanzmittel und ziemliches Know-how nötig waren. Die Aktion wurde über Monate angebahnt und hochprofessionell durchgeführt. Auch die Geschichte mit der möglichen Übernahme der Kronenzeitung war sehr geschickt gesetzt, denn dadurch hat man die Krone, die zuvor nicht nur pro Kurz geschrieben hat, sondern auch der Koalition mit der FPÖ vergleichsweise wohlwollend gegenüber stand, in eine Linie mit dem Mainstream gebracht. Jedenfalls sind Spekulationen über einen in diesem Fall agierenden „tiefen Staat“, also geheimdienstliche oder andere staatliche und politische Strukturen, die auch außerhalb der Legalität gegen Oppositionelle vorgehen (und dann auch von Justiz und Medien kaum was zu fürchten haben), hier wohl nicht einfach von der Hand zu weisen. Definitiv haben wichtige politische (und vermutlich auch wirtschaftliche und staatliche) Mächte hier kräftig an Schrauben gedreht und gemeinsam mit ihren Medien in der heißen Phase der EU-Wahl eine politische Bombe gezündet. Und definitiv geht es dabei (die massive Berichterstattung in allen EU-Ländern zeigt das) darum, die rechtspopulistischen Parteien europaweit als unseriös, kriminell und nicht regierungsfähig darzustellen sowie den russlandfreundlichen Kräften (Le Pen, Salvini, FPÖ) einen Schlag zu versetzen – und damit das globalistische und transatlantische EU-Projekt zu verteidigen.

Eigenständigkeit!

Das ist die reale Auseinandersetzung, die heute in der EU stattfindet. Die ArbeiterInnenbewegung und die Linke spielen darin leider keine eigenständigen Rollen. Die meisten Linken treiben im Fahrwasser der neoliberalen GlobalistInnen, weil sie auf deren „Antifaschismus“ hereinfallen (den die NATO schon in den Kriegen gegen den Irak und gegen Jugoslawien missbraucht hat). Sie jubeln gemeinsam mit den Mainstream-JournalistInnen über Ibiza-Gate und den Sturz der Regierung – und sie haben dabei zu erheblichen Teilen eine gemeinsame kleinbürgerlich-akademische Arroganz gegenüber den „primitiven Prolos“ und „Emporkömmlingen“ Strache und Harald Vilimsky, eine Arroganz, die vielen ArbeiterInnen zurecht übel aufstößt und von der sich MarxistInnen distanzieren müssen. Und wir sollten wie bei einem Kriminalfall fragen, wem das Ganze nützt. Sie müssen die Motive des Großkapitals, seiner politischen Kaste und seiner Medien hinterfragen und die Heuchelei des globalistischen Parteienkartells und seiner JournalistInnen aufzeigen – und dem globalistischen Neoliberalismus und dem Rechtspopulismus eine klassenkämpferische Perspektive entgegenstellen.

Fanny Angerer (MAGIS) 19. Mai 2019

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