Rechtsextremismus im postnazistischen Deutschland

 In Spätkapitalistische Systementwicklung

Anmerkungen zueinem ungelösten und politisch-ideologisch verstellten Kernproblem aus aktuellem Anlass

Die zufällig aufgedeckte Mordserie einer neonazistischen Terrorzelle hat Deutschland aufgeschreckt. Wie konnte es passieren, dass neonazistische Mörder jahrelang unentdeckt und ungehindert ihre blutig-rassistischen Taten begehen konnten? Waren das nur rein zufällige Ermittlungspannen oder sind diese Ermittlungsfehler Ausdruck einer komplex vermittelten Fehlprogrammierung der staatlichen Sicherheitsorgane? Sind neue Programmierfehler im Hinblick auf den zugewanderten Rechtsextremismus nicht schon wieder an der Tagesordnung, während sich die Regierenden noch um ein NPD-Verbot herumdrucksen?

 

Die Ausgangsprämissen: Bedingungslose Kapitulation und Liquidierung der Naziorganisationen

Mit der bedingungslosen Kapitulation Nazideutschlands am 7./8. Mai 1945, die als Befreiung von dem bis dato wohl unmenschlichsten Herrschaftssystems der Geschichte hätte angesehen werden können, ging die Regelungsgewalt im postnazistischen Deutschland in allen politischen, militärischen und gesellschaftlichen Belangen zunächst auf die alliierten Siegermächte über.

Als Brennpunkt der inneren Zerschlagung des Naziregimes wurde dann am 10. Oktober 1945 die NSDAP mit allen Gliederungen und angeschlossenen Verbänden (insgesamt 63 Institutionen) durch das Kontrollratsgesetz Nr. 2 des Alliierten Kontrollrates (Auflösung und Liquidierung der Naziorganisationen) verboten und in den Nürnberger Prozessen 1946 zur verbrecherischen Organisation erklärt. Gleichzeitig wurde eine Entnazifizierungspolitik eingeleitet, deren Ziel der Alliierte Kontrollrat in seiner Direktive Nr. 24 vom 12. Januar 1946 folgendermaßen beschrieb: „Die Ausmerzung des Nationalsozialismus und Militarismus macht es erforderlich, Personen, die voraussichtlich undemokratische Traditionen verewigen würden, von allen ausschlaggebenden und einflußreichen Stellungen zu entfernen und auszuschließen.“

Auch wenn die Entnazifizierung praktisch unzureichend und in den verschiedenen Besatzungszonen uneinheitlich umgesetzt wurde, den vielfachen Rehabilitierungsbetrug von belasteten Nazis nicht verhindern konnte und schließlich abgewürgt wurde, so ist sie doch vom heutigen Standpunkt aus in ihrer ursprünglichen Intention als prinzipiell adäquate Vorgehensweise zu bewerten.

Jedenfalls waren und sind bis heute in Form der Bestimmungen zur Liquidierung der Naziorganisationen und der Entnazifizierungsverordnungen hinreichende Prämissen dafür geschaffen worden, die es – eingedenk der konkret-historischen Erfahrung der Folgen der Propagierung nazistischen Gedankenguts – gewährleisten, die öffentliche Verbreitung und Rekonstruktion nazistischer und neonazistischer Propaganda dem Deckungsschutz der „Meinungsfreiheit“ zu entziehen und dementsprechend konsequent zu ächten. Hinzu kommt, dass im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland (Ausfertigungsdatum 23. Mai 1949) in Artikel 139 festgelegt ist: „Die zur ‚Befreiung des deutschen Volkes vom Nationalsozialismus und Militarismus’ erlassenen Rechtsvorschriften werden von den Bestimmungen dieses Grundgesetzes nicht berührt.“

Die Neukonstituierung neonazistischer Organisationen zu verhindern und auszuschließen ist demnach entgegen medial vorherrschender Suggestionen kein rechtlich-normatives Problem, sondern primär eine Frage des politischen Willens inklusive der Beseitigung willkürlich konstruierter rechtshermeneutischer Dogmen.

Rahmenbedingungen für die Revision der anfänglichen Entnazifizierung: Ost-West-Gegensatz, Kalter Krieg, antikommunistische Formierung und Remilitarisierung Westdeutschlands

Aufgrund folgender Prozesse und Gegebenheiten wurde die ursprünglich konsequente Bekämpfung des Nazismus und seiner Träger zunächst abgeschwächt, dann eingestellt und schließlich ins Gegenteil verkehrt:

1) Nach der militärischen Vernichtung „Hitlerdeutschlands“ brach die antinazistische Koalition der Siegermächte alsbald auseinander, und es dominierten zunehmend die Interessengegensätze zwischen dem us-amerikanisch geführten Block des kapitalistischen Westens einerseits und dem von der stalinistischen UdSSR hegemonierten Ostblock andererseits. In Nachkriegsdeutschland bildete sich infolgedessen die Spaltung zwischen den drei Westzonen und der sowjetisch besetzten „Ostzone“ heraus, bis es schließlich 1949 zur Teilung Deutschlands in zwei separate (territorial und ressourcenökonomisch ungleiche und politisch-ideologisch gegensätzliche) Frontstaaten des Ost-West-Konflikts kam: Die Bundesrepublik Deutschland (Westdeutschland) und die Deutsche Demokratische Republik (Ostdeutschland).

2) Das primäre Anliegen der us-amerikanischen Führungsmacht des Westens war jetzt nicht mehr auf die Ausmerzung des deutschen Nazismus, sondern, gemäß der interventionistischen Truman-Doktrin von 1947, auf die Eindämmung und Zurückdrängung der sowjetischen Einflusssphäre gerichtet. Dabei wurde der sowjetische Stalinismus, der eine revisionistische Verfälschung und Entstellung des revolutionär-humanistischen Marxismus verkörperte, mit „Kommunismus“, „Sozialismus“ und „Marxismus“ gleichgesetzt bzw. generell mit kapitalismuskritischen Einstellungen assoziiert und politisch-ideologisch als pauschales antikommunistisches Feindbild inszeniert. Im Rahmen dieser Wende vom Antinazismus zum pauschalen Antikommunismus wurde nun folgerichtig auch die Entnazifizierung grundlegend abgeschwächt und schließlich eingestellt. In den Hintergrund geriet damit zunehmend der antihumanistische Charakter des Nazismus; im Kontext einer „pragmatistischen“ Interessenpolitik, die bis heute die US-Außenpolitik kennzeichnet (die noch keinen „Schurken“ ausgelassen hat, wenn es ein zweckmäßiger „Schurke“ ist), wurde vielmehr nun der antikommunistische Charakter des Nazismus und seiner Träger funktional gewichtet und im neuen Kampf bzw. Kalten Krieg gegen den stalinistischen Ostblock instrumentalisiert. Gleichzeitig wurden die antifaschistischen Kräfte in den Westzonen in ihren politischen Handlungsmöglichkeiten systematisch blockiert, während die dortigen Militärverwaltungen fortan dafür sorgten, dass Teile der alten Konzernverwaltungen und der Bürokratie als angeblich unverzichtbare „Fachleute“ in ihren Ämter verblieben[1].

3) Mit der strategischen Schwerpunktverlagerung vom Antinazismus zum Antikommunismus bekamen die innerhalb der deutschen Bevölkerung massenhaft verbreiteten Ressentiments gegen die alliierte Entnazifizierungspolitik („Siegerjustiz“) immer mehr Oberwasser. Zum einen hatte die zum Teil unausgewogene Gleichsetzung von Mitläufern und Aktivisten durch die westlichen Besatzungsmächte Unzufriedenheit hervor gerufen („Die Kleinen hängt man und die Großen lässt man laufen“). Zum anderen dominierten nicht etwa antifaschistische, sondern nach wie vor reaktionär-autoritäre Einstellungen das Massenbewusstsein der geschlagenen deutschen „Volksgemeinschaft“[2]. In Anknüpfung daran gelang es konservativen Kräften in Westdeutschland, die einen entscheidenden politisch-ideologischen Anteil am Emporkommen des Nationalsozialismus gehabt hatten, relativ leicht und schnell, die Entnazifizierung sowie generell die umfassende Abrechnung mit dem Naziregime zu diskreditieren und zu sabotieren, wobei die perfide Instrumentalisierung der christlichen Barmherzigkeitsideologie durch bestimmte Kirchenfunktionäre eine besondere Rolle spielte. „Bereits 1947 war es ihnen z. B. möglich, öffentlich die Entnazifizierung mit der Diskriminierung der Juden durch den Faschismus zu vergleichen“ (Kühnl 1971, S. 261). Dabei wurde gezielt eine rührselige „Versöhnungsideologie“ mit der Absicht eingesetzt, „die Eliten des faschistischen Systems in ihren Stellungen zu halten“ und „außerdem (…) die ehemaligen Parteigenossen als Wähler und Anhänger zu gewinnen“ (ebenda). Hinzu kam die unmittelbare Organisierung von Fluchtrouten (sog. Rattenlinien) für exponierte Nazis nach Südamerika und in arabische Länder, wobei hierbei klerikale Kräfte die führende Rolle einnahmen.

Indem Maße, wie nach der Gründung der Bundesrepublik Deutschland von der Adenauer-Regierung in den 1950er Jahren die Westanbindung bzw. die Einbeziehung Westdeutschlands in den atlantischen Block des westlich-antikommunistischen Lagers forciert und die Remilitarisierung der Bundesrepublik vorangetrieben wurde und sich gleichzeitig der Ost-West-Konflikt verschärfte, kam die Entnazifizierungspolitik nicht nur zum Erliegen, sondern wurde grundlegend revidiert und im Grunde in ihr Gegenteil verkehrt. Infolge dieser Entwicklung gelangten nun im Gegensatz zu den ursprünglichen Bestimmungen bezüglich der Ausmerzung des Nazismus und Militarismus auf allen gesellschaftlichen Ebenen wieder ehemals aktive Nazis und Funktionäre des Dritten Reiches in einflussreiche Stellungen und bestimmten fortan das geistig-weltanschauliche Klima sowie die politisch-strategische Ausrichtung entscheidend mit. Diese personelle Renazifizierung betraf nicht nur den Wirtschaftssektor, wo ehemalige angeklagte und verurteilte Kriegsverbrecher wie zum Beispiel Abs und Flick erneut ihre Kommandopositionen einnahmen, sondern insbesondere auch die Bereiche Militär, Geheimdienste, Polizei und Justiz.

 

Die revisionistische Formierung des westdeutschen Justizapparates und die Legalisierung des Neonazismus

Insbesondere der westdeutsche Justizapparat wies auf allen Ebenen eine ausgeprägte personelle Kontinuität zur Nazi-Justiz auf[3]. Auch gelangten exponierte Nazi-Juristen in führende Ämter. So bekleidete beispielsweise Dr. Hans Globke, der an der juristischen Stigmatisierung der Juden beteiligt war und eine Erläuterung zu der Nürnberger Rassengesetzgebung verfasst hatte, das Amt des Staatssekretärs im Bundeskanzleramt. Hans Filbinger, Richter in der Zeit der NS-Diktatur, der noch im Mai 1945 junge Matrosen wegen Befehlsverweigerung zum Tode verurteilt hatte, übte von 1966 bis 1978 das Amt des Ministerpräsidenten in Baden-Württemberg aus. Auch ein Teilnehmer an der berüchtigten Wannsee-Konferenz zur „Endlösung der Judenfrage“ und Staatssekretär in der NSDAP-Kanzlei wie Dr. Gerhard Klopfer konnte immerhin unangefochten eine Anwaltskanzlei in Ulm betreiben.

Besonders hervorzuheben ist hier der Tatbestand, dass mit Theodor Maunz ein juristischer Legitimationsideologe des Naziregimes zum führenden Verfassungsrechtler der Bundesrepublik Deutschland aufsteigen konnte. Zusammen mit Günter Dürig und dem Maunz-Schüler und späteren Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts und Bundespräsidenten Roman Herzog sowie dem CDU-Politiker Rupert Scholz verfasste Maunz den richtungsweisenden Grundgesetz-Kommentar, dem bis heute eine ungebrochene Auslegungsdominanz zukommt. Während der Nazi-Herrschaft war Maunz in Freiburg Professor für öffentliches Recht und widmete sich primär der juristischen Rechtfertigung des Gestapo-Terrors sowie der „Schutzhaft“ in Konzentrationslagern. In seiner Schrift „Gestalt und Recht der Polizei“ (1943) ersetzt Maunz die Rechtsbindung des staatlichen Handelns durch den Willen des Führers und erklärt die willkürlichen Terrorhandlungen der Gestapo zu rechtsfreien Hoheitsakten:

„Es ist die Gründung des polizeilichen Wirkens auf den Willen der im Rahmen der völkischen Ordnung handelnden Reichsführung. […] Was mit anderen Worten der Führer […] in Form von Rechtsgeboten der Polizei an Aufträgen zuweist, bildet die Rechtsgrundlage der Polizei. Die Zuweisung kann im förmlichen Gesetzgebungsverfahren erfolgen. Sie kann ferner erfolgen im sonstigen Normenschöpfungsverfahren. Sie kann aber auch ergehen im Wege der Einzelweisung oder auch der Einzelbilligung. Dieses System hat […] den alten Gesetzmäßigkeitsgrundsatz ersetzt, seitdem an die Stelle des alten Gesetzes der Wille des Führers getreten ist.“[4]

Trotz erhobener Einwände der französischen Besatzungsmacht nahm Maunz 1948 am Verfassungskonvent von Herrenchiemsee teil. Von 1952 bis zu seiner Emeritierung war er Professor für öffentliches Recht an der Münchener Ludwig-Maximilians-Universität. 1957 übernahm Maunz das Amt des CSU-Kultusministers von Bayern, das er 1964 wegen des Bekanntwerdens seiner naziapologetischen Schriften wieder abgeben musste.

Doch seine pronazistische Grundauffassung änderte Maunz nicht. Anonym hatte der führende deutsche Kommentator des Grundgesetzes jahrelang Artikel in der Deutschen Nationalzeitung veröffentlicht, die deren Herausgeber, der Rechtsextremist, Millionenerbe und Gründer der Deutschen Volksunion (DVU), Gerhard Frey, nach Maunz Tod unter voller Namensnennung erneut abdruckte. „Bis ins 91. Lebensjahr hatte Maunz der DVU mit juristischen Gutachten geholfen, jahrzehntelang traf sich der CSU-Mann und Rechtsgelehrte einmal in der Woche mit Frey zu einer, wie der ihm nachjubelte, ‚stundenlangen Besprechung aller zentralen politischen und juristischen Fragen’. Bayerns Verfassungsschutz hielt die Augen fest geschlossen – schließlich unterstand der selbst lange Jahre einem engen Freund von Gerhard Frey: der bayerische Innenminister Dr. Alfred Seidl unterhielt ebenso wie BND-Gründer Reinhard Gehlen enge Beziehungen zum Extremistenchef. Sowohl von Seidl und Gehlen wie auch von Maunz konnte Frey persönliche Briefe veröffentlichen, die von einer engen Freundschaft kündeten.“[5]

Ein zentraler Aspekt der rechten verfassungsrechtlichen Auslegungsideologie, die von Theodor Maunz und seinem Assistenten und Schüler Roman Herzog verfochten wurde, war die Bekämpfung, Zurückdrängung und Neutralisierung der antinazistischen Bestimmungen des Grundgesetzes in Form der Dogmatisierung einer bestimmten Interpretationslinie, die zur „herrschenden juristischen Meinung“ erhoben werden sollte. Insbesondere ging es um die rechtshermeneutische Ausschaltung des Artikels 139 GG als juristische Urteilsnorm. Hatte Maunz in rabulistischer Manier die „Überstaatlichkeit und Zeitlosigkeit der Menschenwürde“ bemüht, um die Entnazifizierungsvorschriften des Artikels 139 zu entwichtigen, so klärt Herzog den Artikel 139 unversehens für ungültig, da er angeblich mit dem formalen Ende der Entnazifizierung obsolet geworden sei. Auf Basis dieser willkürlichen Außerkraftsetzung wird sodann die antinazistische Grundhaltung der Verfassung gelöscht und damit im Grunde die nazistische Weltanschauung samt der mit ihr verknüpften politischen Bestrebungen und Wirkungsmöglichkeiten relegalisiert: „Abzulehnen ist insbesondere der Versuch, ihn (Artikel 139 GG, H.K.) als ‚Grundsatzaussage über die Haltung des GG gegenüber nationalsozialistischen und verwandten (z. B. faschistischen) Staatsauffassungen’ anzusehen und insoweit natürlich fortgelten zu lassen.“[6] Die dogmatische Zählebigkeit dieser Auslegungsideologie, die den eigentlichen Grund für die Angst vor einem Scheitern des NPD-Verbots vor dem Bundesverfassungsgericht liefert, spiegelt die folgende Aussage aus einem neueren Beschluss des Bundesverfassungsgerichts wider: „Das Grundgesetz rechtfertigt kein allgemeines Verbot der Verbreitung rechtsradikalen oder auch nationalsozialistischen Gedankenguts schon in Bezug auf die geistige Wirkung seines Inhalts“ (BVerfG, Beschluss vom 4.11.2009 – 1 BvR 2150/08 Lexetius.com/2009,3327)[7].

Gegenüber dieser Auslegung ist bereits die folgende Argumentation vorgebracht worden:

„Es wäre jedoch absolut nicht angebracht, dem Art. 139 GG lediglich eine funktionale Aufgabe zu übertragen, die er aufgrund seiner nunmehr fehlenden unmittelbar konkreten Rechtswirkung nicht mehr erfüllen könnte. Es ist vielmehr zwischen der Ausnahmeregelung und der in Art. 139 GG enthaltenen allgemeinen Grundsatzaussage über die Haltung des Grundgesetzes gegenüber nationalsozialistischen und faschistischen Staatsauffassungen zu unterscheiden. Danach bringt Art. 139 GG eine entschiedene Ablehnung des totalen Staates, der Rassendoktrin, des Einparteiensystems, des ‚Führerprinzips’, eines nationalsozialistischen Mythos und der Vorstellung vom Vorrang des Staates vor dem Einzelnen zum Ausdruck, woraus sich die Möglichkeit ergibt, eine eindeutige Ablehnung und Bekämpfung nationalsozialistischer Tendenzen verfassungsrechtlich zu legitimieren.“[8]

Insgesamt betrachtet lassen sich demnach folgende gewährleistenden Rahmenbedingungen für die Rekonstruktion und Reproduktion neonazistischer und rechtsextremistischer Ideologiebildung, Tätigkeitsentwicklung und Organisierung feststellen:

1) Der „revisionistische“ Übergang vom alliierten Antinazismus der unmittelbaren Nachkriegszeit zum „atlantischen“ Antikommunismus als westliche Frontideologie des Kalten-Krieges;

2) Die umfassende Integration von „Fachleuten“ und Funktionsträgern des Naziregimes in die westdeutschen Funktionseliten sowie

3) Die rechtshermeneutische Entstellung der antinazistischen Ausrichtung des Grundgesetzes und die damit einhergehende Relegitimierung nazistischen Gedankenguts durch die herrschende Rechtsprechung des zunächst mit zahlreichen ehemaligen Nazi-Juristen durchsetzten und dann von deren Auslegungsideologie wesentlich mitgeprägten Justizapparats.

Aufgrund der massenhaften Eingliederung von ehemaligen Nazis in die bürgerlich-konservativen Parteien bildete sich zum einen ein für Westdeutschland typischer herrschaftskulturell legitimierter (salonfähiger) Rechtskonservatismus mit ideologisch „weichen“ und unscharfen Übergängen zum Rechtsextremismus und Neonazismus heraus[9], der in allen Staatsapparaten eine weite handlungsleitende Anhängerschaft besaß und die Herausbildung einer konstant wirksamen rechtsextremistischen Partei mit Masseneinfluss tendenziell abschwächte. Auf der anderen Seite aber ermöglichten die gewährleistenden Rahmenbedingungen zusätzlich die legale Etablierung rechtsradikaler Ränder außerhalb des rechtskonservativen Lagers in Form von etappenweisen Organisationsgründungen, Neu- und Umgründungen. Zwar wurde die 1949 gebildete offen nationalsozialistisch auftretende Sozialistische Reichspartei mit Bezug auf Artikel 21 Abs. 2 GG zu einem frühen Zeitpunkt verboten, als die genannten Rahmenbedingungen noch nicht fest etabliert waren. Aber mit der Gründung der NPD im November 1964 und der dann einsetzenden Etablierung zahlreicher formeller und informeller Umfeldorganisationen hatte sich das rechtsextremistische Lager fest in die westdeutsche politische Landschaft eingefügt.

In Anbetracht der für die neonazistische und rechtsextremistische Ideologie kennzeichnenden Gewaltaufforderungen gegen Fremdrassige, Juden, Ausländer, Linke, „Asoziale“ , Homosexuelle etc. waren entsprechende kriminelle Handlungen von Legalisierungsbeginn an zu erwarten und traten dann auch „gesetzmäßig“ ein. Dazu gehören zahlreiche Morde, Brandanschläge und Terroraktionen lange vor der jetzt skandalisierten Mordserie der Terrorgruppe NSU (Nationalsozialistischer Untergrund). Zu erinnern ist hier beispielsweise an das Münchener Oktoberfestattentat von 1980 mit 13 Getöteten und über 200 Verletzten, die Ermordung von Shlomo Lewin und seiner Lebensgefährtin Frida Poeschke am 19. Dezember 1980, die Weihnachtsschießerei des Neonazis Frank Schubert an der Schweizer Grenze mit zwei Toten im selben Jahr, die Brandanschläge von Mölln (1992)und Solingen (1993) mit insgesamt 8 Toten, die Gewalttaten des Neonazis Kay Diesner 1997, die nun bekannt gewordene Mordserie der Zwickauer Terrorgruppe oder der verhinderte Anschlag auf die neu eröffnete Münchener Synagoge 2003. Während die RAF für 34 Morde verantwortlich gemacht wird, gehen nach regierungsamtlichen Angaben 46 Todesopfer allein zwischen 1990 und 2010 auf das Konto des Rechtsterrorismus. Medienvertreter und Organisationen gegen rechtsextremistische Gewalt haben Statistiken vorgelegt, die von bis zu 182 Opfern rechter Gewalt ausgehen.

Insgesamt betrachtet stand jedenfalls die „Hyperfokussierung“ des zweifellos nicht zu beschönigenden Terrors der RAF immer in einem deutlichen öffentlich-medialen Missverhältnis zur Bewertung des rechtsextremistischen Gewaltterrors[10], wofür nicht zuletzt die rechtkonservativen Schutzideologen und Legitimatoren neonazistischen Gedankenguts einen entscheidenden Anteil hatten und haben. Dabei waren und sind die immer wieder aufgefundenen Waffenlager bei rechtsextremistischen Gruppen und deren ausgeprägte Neigung zur Bildung von „Wehrsportgruppen“ ein deutliches Indiz für Terrorismus fördernde Strukturen und Mentalitäten.

Konsequenter Widerstand gegen neonazistische und rechtsextremistische Umtriebe, die nun den legalisierenden Deckungsschutz des auslegungsideologisch revidierten Grundgesetzdiskurses und seiner staatlichen Organe genossen, ging dagegen hauptsächlich von fortschrittlich-demokratischen zivilgesellschaftlichen Akteuren aus. Von wesentlicher impulsgebender Wirkung war hierbei die starke soziokulturelle („antiautoritäre“) Rebellion/Katharsis gegen die postnazistische deutsche Nachkriegskultur, die – entgegen allen verteufelnden und heroisierenden Legendenbildungen – den eigentlichen Kern der 68er-Bewegung ausmachte. Der staatliche „Schutz der Herrschaftsordnung“ aber war primär gegen die außerparlamentarische Linke gerichtet, während sich der westdeutsche Staat gegenüber den neonazistischen und rechtsextremistischen Kräften wenig wehrhaft zeigte. Die jetzt viel beschworenen „Fehleinschätzungen“ und „Ermittlungspannen“ sind eine (ideo-)logische Folge der dominanten konservativ-antikommunistisch geprägten „Staatsschutzphilosophie“ der Sicherheitsapparate und seiner im Sinne der skizzierten verfassungsrechtlichen Auslegungsdoktrin „auf Kante gebürsteten“ Bediensteten. Dementsprechend waren die betreffenden Organe noch Ende der 1990er Jahre primär auf die bereits in Auflösung begriffene RAF fixiert und jagten dem Phantom eines „Neoterrorismus von links“ hinterher, während man die Herausbildung einer braunen Terrorgruppe im Umfeld des Thüringer Heimatschutzes komplett ignorierte bzw. in verharmlosender Manier fehleinschätzte. Wie üblich, wurden Rechtsextremisten zu dumpf-naiven Einzeltätern verharmlost, die – wie der SPIEGEL (Nr. 48 vom 28.11.2011, S. 29) aus einem Vermerk des Bundeskriminalamtes zitiert, „Straftaten weder für noch im Namen bestimmter Gruppierungen oder gar einer eigens gegründeten Gruppierung“ begingen. Weiter heißt es dort: „Und weil im deutschen Rechtsstaat ein Terrorist nur der sein kann, der einen wohlklingenden Organisationsnamen vorweist, mochte die Staatsanwaltschaft Gera keine terroristische Vereinigung erkennen. Dem schloss sich die Bundesanwaltschaft an und lehnte eine Übernahme ab – und das, obwohl die Polizei Ende Januar 1998 in Jena 1,4 Kilogramm gewerblichen Sprengstoff und Hakenkreuzembleme gefunden hatte. Es hätten einfach die nötigen Informationen gefehlt, heißt es heute in Karlsruhe. Hätten Polizei und Justiz die rechtsextremen Terroristen von morgen genau so intensiv gejagt wie die linksextremen Terroristen von gestern, hätte womöglich viel Unheil verhindert werden können.“

 

Propagandistische Entnazifizierung im Rahmen der Stalinisierung: Der ostdeutsche SED-Staat und die Konservierung rechtsextremistischer Potenziale

Auch in der sowjetisch besetzten Zone wurde die Entnazifizierung unter der Schirmherrschaft der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD)[11]zunächst auf der Grundlage von Verordnungen über die antinazistische „Säuberung von Verwaltung und Wirtschaft“ umfassend umgesetzt. Die gesellschaftlichen Schlüsselpositionen wurden folglich in der Anfangsphase mit antinazistischen Widerstandskämpfern aus den Reihen der KPD und SPD oder mit Personen besetzt, die sich während der Naziherrschaft politisch nicht betätigt hatten. Auch Angehörige der nazistischen Wehrmacht, die sich während des Zweiten Weltkriegs vom Nazismus abgewandt und im Nationalkomitee Freies Deutschland organisiert hatten, wurden einbezogen.

Nach der Vereinigung von KPD und SPD zur SED als herrschende Partei- und staatsbürokratische Leitinstanz in Ostdeutschland wurde die Entnazifizierung immer stärker von der Stalinisierung der maßgeblichen Institutionen überlagert. „In nur zwei Jahren entwickelte sich die SED von einer Partei, in der sozialdemokratisches Gedankengut noch einen Platz hatte, zu einer Partei, die sich völlig Stalin und seiner Ideologie verschrieben hatte. Wie in den zwanziger Jahren wurde in der SED die innerparteiliche Demokratie abgebaut und die Allmacht des Apparates, vor allem des Politbüros, in der Partei, aber auch in der staatlichen Organisation, errichtet“ (Friedrich 1992, S. 27). Insbesondere vermittels der Kampagne zur Stalins 70. Geburtstag am 21. Dezember 1949 wurde dann die gesellschaftlich-ideologische Stalinisierung der frisch geborenen DDR forciert. „Uns ist Generalissimus Stalin“, so hieß es in einer Glückwunschadresse der LDP[12]-Ortsgruppe Bautzen, „nach all den umwälzenden Ereignissen in Deutschland zu einem Freund geworden, dessen Hilfe allein den Weg zur Freiheit und Selbständigkeit des deutschen Staates ermöglicht. Das deutsche Volk sieht daher an diesem Tage eine besondere Gelegenheit, Generalissimus Stalin seinen aufrichtigen und herzlichen Dank abzustatten“ (ebenda, S. 51f.).

Im Rahmen der nunmehr initiierten und sich festigenden stalinistischen Kontrollhegemonie über Partei, Staat und Gesellschaft wurde die Entnazifizierung fortan zunehmend ideologisiert und – mit ja durchaus realen Anknüpfungsmöglichkeiten – gegen den sich personell renazifizierenden westdeutschen Separatstaat sowie generell gegen den antikommunistischen Westblock eingesetzt. In diesem Sinne wurde zum Beispiel der Aufstand ostdeutscher Werktätiger im Juni 1953 als „faschistischer Putschversuch“ und die 1961 errichtete Mauer als „antifaschistischer Schutzwall“ bezeichnet. Währen die Reintegration von Nazi-Funktionären in den westdeutschen Herrschaftsapparat den stalinistischen Antifaschismus befeuerte, fungierte umgekehrt der repressiv-vormundschaftliche Charakter der stalinistischen SED-Herrschaft als politisch-ideologisches Munitionsdepot für den westlichen Antikommunismus.

Der intensiv inszenierte „Antifaschismus“ des SED-Staates wies allerdings folgende entscheidende Mängel auf:

1) Zum einen verbarg sich hinter der propagandistischen Fassade, die die gegnerischen Verhältnisse im kapitalistisch-antikommunistischen Westdeutschland als aufgeschlagenes „Braunbuch“ skandalisierte, der Tatbestand, dass auch in der DDR ehemalige Nazis Karriere machten und in wichtige Ämter gelangten. Voraussetzung dafür war, dass sie sich formal zum „Arbeiter- und Bauernstaat unter Führung der SED“ bekannten und damit eine spezifische „Wendehälsigkeit“ an den Tag legten. Auf diese Weise vollzog eine Masse kleiner Nazis die Umwandlung in verdiente Kämpfer für den Aufbau des Sozialismus. 1959 waren so von den 400 Abgeordneten der DDR-Volkskammer immerhin 31 ehemalige NSDAP-Mitglieder. „1949 wurde den ehemaligen NSDAP-Mitgliedern und Wehrmachtsangehörigen in der DDR, bis auf die schon verurteilten, die völlige rechtliche Gleichstellung zugesichert. Nicht wenige von ihnen machten in der DDR in den folgenden Jahrzehnten Karriere. In den fünfziger Jahren verkündete die SED, den Faschismus in der DDR völlig ausgerottet zu haben.“[13]

2) Die relative milde Behandlung und schließliche Rehabilitierung der „einfachen und mittleren“ NSDAP-Mitglieder sowie die Integration „wendehälsiger“ Nazi-Funktionäre korrespondierte mit einer sehr einseitigen bzw. reduktionistischen „Antifaschismus“-Doktrin, wie sie von Seiten des politisch-ideologisch stalinisierten Staates „von oben“ verordnet wurde: (Hitler-)Faschismus war gemäß dieser Doktrin in verkürzter Anlehnung an die Definition des KOMINTERN-Theoretikers Georgi Dimitroff die „terroristische Diktatur der am meisten reaktionären, chauvinistischen und imperialistischen Elemente des Finanzkapitals“. Der Nationalsozialismus war damit im Grunde das Produkt einer Verschwörung gegen die („reine“) Masse der Bevölkerung, die lediglich ein passiv-verführtes Objekt böser Mächte gewesen sei. Wie es zur aktiven Unterstützung der Nazibewegung durch breite Bevölkerungskreise gekommen war und worin die subjektiven (psychologischen und ideologischen) Anknüpfungsmöglichkeiten der Nazipropaganda bestanden, blieb im Dunklen. Eine offensive und detaillierte Auseinandersetzung mit der alltagskulturell tiefenwirksamen „Massenpsychologie des Faschismus“ (W. Reich) und der wegbahnenden „Zerstörung der Vernunft“ (G. Lukács) wurde auf diese Weise verdrängt. Unter der politisch-ideologischen Butterglocke des staatlich verordneten Antifaschismus, dem man sich lippenbekenntnishaft nach außen leicht anschließen konnte, blieben deshalb nationalistische, rassistische und rechtsextremistische Einstellungen und Ideologeme jenseits der offiziellen Wahrnehmungsschwelle – zum Beispiel in Gestalt von bekennenden „Privatmeinungen“, erzieherischen Vermittlungsprozessen und informellen Milieus („Wenn der braune Großvater erzählt“) – relativ ungebrochen virulent.

In Rechnung zu stellen ist darüber hinaus die Summation des Nachwirkens nationalsozialistisch-totalitärer Struktureffekte, die sich nun innerhalb der stalinistischen Umstrukturierung vormundschaftlich-staatsautoritärer Verhältnisse neu aufluden. Die herrschaftsideologische Fassade wurde zwar komplett renoviert bzw. ins Gegenteil verkehrt und die Kommandopositionen personell ausgetauscht, aber die Strukturen einer von oben fremdbestimmten, unfreien und repressiv kontrollierten Gesellschaft blieben erhalten. So zeigten sich trotz gegensätzlicher legitimationsideologischer Artikulation zum Teil deutliche Parallelen zwischen nazistischer und stalinistischer Systemorganisation: „Verstaatlichung“ der führenden Partei; zentrale Rolle der Sicherheitsorgane; verordneter weltanschaulich-politischer Uniformismus; autoritär-hierarchisches Gehorsamsprinzip als ein Grundmuster interpersoneller Beziehungen etc.

Die lebensweltlichen Erfahrungen im Rahmen dieses von außen und von oben vorgegebenen „kommandierten“ Kollektivismus begünstigten zum einen in Verbindung mit einem zwar repressiven, aber gleichzeitig existenziell absichernden Egalitarismus die Herausbildung einer ausgeprägt konformistischen Lebenseinstellung. Gleichzeitig aber beförderte dieser rigide Konformismus als Kehrseite eine fremden-, außenseiter- und minderheitenfeindliche Einstellung gegenüber allen milieuexternen Erscheinungen. Bezeichnenderweise wurden entgegen dem offiziellen Pathos des „sozialistischen Internationalismus“ die kubanischen, angolanischen, vietnamesischen etc. „Gastarbeiter“ von der einheimischen ostdeutschen Bevölkerung streng abgetrennt in Ausländerwohnheimen untergebracht und faktisch ghettoisiert. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass es in der DDR keine mit Westdeutschland vergleichbare soziokulturelle Protestbewegung gegen die postnazistische Ordnungskultur, d. h. gegen die normativ-sozialisatorischen Nachwirkungen des Nationalsozialismus, gegeben hat. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass tradierungsfähige Milieus stabil blieben, in denen autoritär-nationalistisches und rassistisches Gedankengut reproduziert wurde[14].

Die Kombination aus unzureichender (eindimensionaler) Aufarbeitung der nazistischen Vergangenheit im Rahmen des verordneten „Antifaschismus“, die Reintegration einer Masse von Nazimitläufern (die als unschuldig Verführte galten) sowie die sozialpsychologischen Wirkungen des „realsozialistisch“ kommandierten Kollektivismus ergaben den Nährboden dafür, dass sich auch auf dem Hoheitsgebiet der DDR rechtsextremistische Dispositionen und Akteure herausbildeten. Aus diesen (latenten) Prämissen war Ende der 1970er/Anfang der 1980er Jahre – von den herrschenden Instanzen weitgehend vertuscht – eine offene rechte Skinheadszene entstanden. Kurz nach der Wiedervereinigung oder besser: Einverleibung der DDR in die BRD gingen Experten davon aus, dass in den neuen Bundesländern „das gesamte rechtsextreme militante Sympathisantenpotential 15.000 Personen umfasst. Bei der gesamtdeutschen Wahl am 2. Dezember 1990 konnten REPs und NPD zusammen 142.000 Stimmen auf sich vereinigen. In einigen ehemaligen Garnisonsstädten der Nationalen Volksarmee erhielten die REPs bis zu 7,1 Prozent“ (Siegler 1991, S. 44). Mehrere deutsch-deutsche Vergleichsstudien stellten 1990 fest, dass ausländerfeindliche, autoritäre und nationalistische Einstellungen unter ostdeutschen Jugendlichen häufiger zu finden waren als unter westdeutschen Jugendlichen, was nicht zuletzt auch auf Sozialisationsunterschiede zurückgeführt wurde. Eine Untersuchung zum Geschichtsbewusstsein von DDR-Jugendlichen aus dem Jahr 1988 ergab, dass von zahlreichen Lehrlingen und Schülern verharmlosende und relativierende Sichtweisen auf die Zeit des Nationalsozialismus geäußert wurden. Eine erste größere Studie zum Skinheadphänomen in der DDR aus dem gleichen Jahr hatte herausgefunden, dass 30 Prozent der DDR-Jugendlichen Verständnis für Skinheads aufbrachten (Schubarth 1991).

Angesichts dieser strukturellen und mentalen Voraussetzungen, die obendrein noch durch soziale Verwerfungen in Gestalt von hoher Arbeitslosigkeit und daraus resultierender Perspektivlosigkeit verschärft wurden, war und ist es nicht verwunderlich, dass sich gerade in Ostdeutschland nach der Wiedervereinigung Sozialmilieus herauskristallisierten, die für rechtsextremistische Propaganda anfällig sind und sich dieser gegenüber völlig unkritisch bzw. akzeptierend verhalten. So kam es, dass es den neonazistischen Kräften ansatzweise gelang, in manchen Orten und Gegenden „national befreite Zonen“ zu bilden, d. h. Sozialräume, in denen sie militante „Dominanz ausüben und Ausländer, Obdachlose oder Andersdenkende nicht geduldet werden. (…) Definitiv gibt es ‚Vorformen rechtsextremistischer Alltagsdominanz’, solche Orte, an denen Neonazis pöbeln, einschüchtern und auch zuschlagen können, ohne dass Passanten einschreiten“ (Niehoff/Röpke 2008, S. 184).

Zum multistrategischen Konzept der Rechtsextremisten gehört es aber auch, neben der militanten Alltagspräsenz zum Beispiel Kinder- und Sommerfeste zu organisieren und sich in Elternräte ostdeutscher Provinzgemeinden wählen zu lassen, d. h. in legal-zivilgesellschaftlicher Form braune Ideologie zu verbreiten und in bzw. gegenüber entsprechend prädisponierten Bevölkerungskreisen die Rolle des spießbürgerlichen Saubermanns einzunehmen. Im Gegensatz zum stereotypen Denkmuster von Verfassungsschutzideologen, die zwischen gewalttätigem und „friedlichem“ Handeln von Rechtsextremisten (darin eingeschlossen zugewanderte islamistische Rechtsextremisten) eine willkürliche mechanistische Mauer errichten (anstatt die funktionale Arbeitsteilung des gesamten Sumpfgebietes zu erkennen), ist bei Rechtsextremisten aller Couleur vielfach eine individuell und kollektiv enge Beziehung bzw. taktisch gleitende Verknüpfung zwischen beiden Aktionsarten zu konstatieren. So liegt es in der „Natur der Sache“, dass sich NPD-Funktionäre nach außen von Gewalt distanzieren, gleichzeitig aber Waffen besitzen und Körperverletzungsdelikte gegen Kritiker begehen[15].

Von entscheidender Bedeutung für die erweiterte Reproduktion rechtsextremistischer Strukturen und Milieus ist auch die indirekte Unterstützung von staatlichen Funktionsträgern. Dazu zählen zum Beispiel manche Bürgermeister, die rechte und neonazistische Umtriebe in ihren Orten verharmlosen und schönfärben oder aber Sympathisanten im Staatsapparat. Schon am 25. Juni 1991 berichtete das Fernsehmagazin Report, „große Teile der sächsischen Polizei sympathisierten – vor allem im Dresdner Raum – mit rechtsextremen Organisationen in Ostdeutschland. Einige Polizisten arbeiteten im engsten Führungskader oder als Helfer des Neonaziführers Rainer Sonntag mit. Andere unterstützten die Aktionen Rechtsextremer durch Passivität“ (Behrend 1991, S. 18). Hinzu kommt die zwielichtige Praxis, Funktionäre rechtsextremistischer Organisationen als V-Leute anzuwerben und dafür zu bezahlen. Zudem gibt es Hinweise darauf, dass es personelle und logistische Verflechtungen zwischen der neonazistischen Thüringischen Heimatfront und dem thüringischen Verfassungsschutz gegeben hat.

Betrachtet man die herrschende verfassungsrechtliche Auslegungsideologie, die Dominanz konservativer (rechtslastiger) Einstellungsstrukturen im gesamtdeutschen Staatsapparat sowie die Milieueinbettung rechtsextremistischer Organisationen, dann ist die Serie von „Ermittlungspannen“ seitens der Sicherheitsorgane wie im Fall der Zwickauer Terrorzelle nicht wirklich überraschend. Die gesellschaftspolitisch entscheidende Frage aber ist, welche Lehren daraus gezogen werden.

Der migrationsimportierte Rechtsextremismus als öffentlich unterschätztes und ideologisch abgewehrtes Phänomen

Die zufallsbedingte Aufdeckung der Mordserie des thüringischen Neonazi-Trios, das wie nicht anders zu erwarten auf ein breites Geflecht von Unterstützern aus dem Umfeld der juristisch geschützten NPD zurückgreifen konnte, hat die deutsche Öffentlichkeit vordergründig wachgerüttelt und die Forderung nach dem verfassungsrechtlich gebotenen und politisch längst überfälligen Verbot der NPD wieder auf die Tagesordnung gesetzt. Voraussetzung für die Realisierung dieser Forderung ist zunächst die Zurückdrängung der ideologisch dominanten Deutungs- und Auslegungshoheit innerhalb der politischen und juristischen Klasse.

Gleichzeitig ist aber auch festzustellen, dass die Betroffenheitsrituale angesichts der verspätet aufgedeckten neonazistischen Mordtaten nichts an der anhaltenden Ausblendung und Unterschätzung des Phänomens des zugewanderten Rechtsextremismus geändert haben. Es gibt eben nicht nur verabscheuungswürdige Morde von Neonazis an Zuwanderern, sondern auch quantitativ wohl noch mehr ins Gewicht fallende gleichermaßen verabscheuungswürdige Morde von desintegrierten, islamistischen, türkisch-nationalistischen und kriminellen Muslimen an Deutschen, ohne dass die Islamverbände hierzu ihre sorgenvolle Statements absondern.

Betrachten wir folgende Kernsachverhalte, die das reale Ausmaß des zugewanderten, von seiner Herkunftskultur primär islamisch geprägten, Rechtsextremismus erkennen lassen:

  1. Hervorzuheben ist zunächst, dass das Personenpotenzial des einheimischen Rechtsextremismus absolut und vor allem proportional zur Bezugsgruppe (einheimische Bevölkerung insgesamt/islamisch geprägte Zuwanderer insgesamt) beträchtlich unter dem Personenpotenzial des zugewanderten islamistischen Rechtsextremismus liegt. So ist das einheimische rechtsextremistische Personenpotenzial 2009 auf rund 26.600 Personen gesunken (2008: 30.000 Personen). Demgegenüber lag das Personenpotenzial des islamistischen Rechtsextremismus nach neuesten Zahlen 2010 bei 37.400 Personen, 2009 bei 36.270 Personen und 2008 bei 34.720 Personen. „Mit 30.340 Personen (2008: 28.580) bildeten wiederum die Anhänger türkischer Gruppierungen das größte Potenzial. Mitgliederstärkste Gruppierung blieb die türkische Organisation IGMG mit 29.900 (2008: 27.500) Mitgliedern“ (Verfassungsschutzbericht 2009, S. 215). Dabei wird hier das gesonderte Personenpotenzial der „Grauen Wölfe“ in Deutschland[16] mit wahrscheinlich unterschätzten ca. 7.000 Mitgliedern noch gar nicht mitberücksichtigt. Im Vergleich dazu haben NPD und DVU zusammen „nur“ 11.300 Mitglieder.

Wie das Wiener Institut für Jugendkulturforschung bei der Befragung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund herausfand, lassen insbesondere zahlreiche Jugendliche mit türkischer und arabischer Herkunft ein extrem reaktionäres Einstellungsbild erkennen. So stimmten 25,2 Prozent der Migranten aus der Türkei und dem arabischen Raum dem Satz zu bzw. „sehr zu“ „Hitler hat für die Menschen auch viel Gutes getan“ – mit 53,4 Prozent sehen ihn vergleichsweise wenige kritisch.

Noch dramatischer ist der Antisemitismus, der durch den Nahost-Konflikt verstärkt wird: 45,6 Prozent der türkisch- bzw. arabischstämmigen Jugendlichen finden, dass „Juden nach wie vor zu viel Einfluss in der Weltwirtschaft haben“. Das sagen unter den Jugendlichen insgesamt „nur“ 15,5%.

Besonders ausgeprägt ist auch die Ablehnung von Homosexualität: Eine relative Mehrheit von knapp 36 Prozent der jungen Türken nennt Homosexualität „eine unnatürliche Lebensweise“.

Die regierungsamtliche Auftragsstudie „Muslime in Deutschland“ (Bundesministerium des Innern 2007) gelangte hinsichtlich des Einstellungsgefüges der islamischen Zuwanderer zu folgendem Ergebnis:

1) „Fundamental orientierte“ Muslime: 40,6%.

2) „Orthodox-religiöse“ Muslime: 21,7%

3) „Traditionell-konservative“ Muslime: 19,0%

4) „Gering religiöse“ Muslime 18,8%.

  1. h.: Einem knappen Fünftel von gering religiös orientierten Zuwanderern aus islamischen Staaten steht eine überwältigende Mehrheit von streng-religiösen, traditionell-konservativen und fundamental-orientierten Muslimen entgegen, die in ihren Grundeinstellungen in großen Teilen als pro-islamistisch zu kennzeichnen ist und insgesamt einen starken importierten Block einer „religiös-islamischen Rechten“ darstellt.

Mit Blick auf die zukünftige demographische Entwicklung ist zudem darauf hinzuweisen, dass einheimische Jugendliche im Durchschnitt signifikant deutlich weniger religiös, autoritär und antisemitisch eingestellt sind als muslimische Jugendliche. Dieser Sachverhalt ist – gerade in der Perspektive der zukunftsbezogenen Rechtsextremismusforschung – als ein sehr wesentliches Datum anzusehen: „Bezogen auf antisemitische Vorurteilsbekundungen äußern junge Muslime mit 15,7% die höchste Zustimmung. Bei den Nichtmuslimen mit Migrationshintergrund liegt diese Quote bei 7,4% und bei den einheimischen Jugendlichen bei 5,4%“ (Bundesministerium des Innern 2007, S. 275). Interessant wäre in diesem Kontext auch ein Vergleich bezüglich der deutschen Erinnerungskultur im Hinblick auf die nazistische Judenvernichtungspolitik einerseits und den türkischen Umgang mit der vorausgehenden Vernichtung der Armenier andererseits.

  1. Angesichts des einseitig-ideologischen Deutschen-Bashings, wie es zum Metier von bestimmten Forschungsgruppen geworden ist, gehört zur wissenschaftlich adäquaten und realistischen Abbildung der „Deutschen Zustände“ nicht zuletzt Folgendes: Im Vergleich zu einheimischen Deutschen, die hier nicht etwa als progressive Engel unterstellt werden, zeigt sich das deutlich höhere reaktionär-konservative Einstellungspotential bei türkischstämmigen Muslimen. So wurde in der „Ersten internationalen Studie zur Wertewelt der Deutschen, Deutsch-Türken und Türken“ zum Beispiel folgendes festgestellt:

„Ein Zusammenleben von Mann und Frau vor der Ehe lehnen 8% der Deutschen, aber 47% der TiD (Türken in Deutschland, H. K.) und 67 % der Türken ab. Beim vorehelichen Sex der Frau sind es 7% der Deutschen, 56% der TiD und 84% der Türken.“ 9% der Deutschen, aber 32% der TiD und 52% der Türken meinen, dass Kindererziehung Frauensache sei. „15% der Deutschen, 57% der TiD und 67% der Türken stimmen der Auffassung zu, dass berufstätige Frauen ihre Kinder vernachlässigen“. „5% der Deutschen, aber 48% der Tid und 68% der Türken sind der Meinung, dass die Eltern bei der Wahl des Ehepartners ein Mitspracherecht haben sollten.“ „Einen Schwangerschaftsabbruch beurteilen 54% der Deutschen, aber 77% der TiD und 92% der Türken als schlimm. Eine homosexuelle Beziehung von Männern lehnen 29% der Deutschen, aber 65% der TiD und 75% der Türken ab.“ „Eine deutsch-türkische Heirat innerhalb der Familie finden nur 14% der Deutschen und 19% der TiD eher unangenehm, aber 33% der Türken. Die religiöse Toleranz findet insgesamt ihr Ende, wenn es um ein mögliches Einheiraten in die eigene Familie geht: 28% der Deutschen fänden es unangenehm, wenn ein gläubiger Moslem in ihre Familie einheiraten würde. Dagegen fänden es 49% der TiD und 63% der Türken unangenehm, einen gläubigen Christen in die Familie aufnehmen zu müssen. Noch schlimmer wäre ein gläubiger Jude (Ablehnung bei 48% dr TiD und 72% der Türken), der Gipfel wäre jedoch ein bekennender Atheist (Ablehnung von 69% der TiD und 87% der Türken).“

Von den befragten Deutschen sind nur 37% streng oder einigermaßen religiös, von den TiD 64% und von den Türken 75%. Nur 26% der deutschen praktizieren ihre Religion auch, aber 48% der TiD und 65% der Türken.“ An die Hölle glauben 20% der Deutschen, 79% der TiD und 93% Türken. An die Wiedergeburt glauben 29% Deutsche, 59% TiD und 78% Türken. An die göttliche Schöpfung glauben 37% Deutsche, 88% der TiD und 98% Türken. An Gott glauben 48% Deutsche, 92% der TiD und 98% Türken. An die Evolutionslehre nach Darwin glauben 61% Deutsche, 27% TiD und 22% Türken.[17]

Das eindeutig höhere und intensiver ausgeprägte reaktionär-konservative und rechtsextremistische Einstellungspotenzial von islamisch sozialisierten Zuwanderern im Vergleich zu einheimischen Deutschen, das eine gravierende destabilisierende und desintegrative Sprengkraft in sich birgt, ist ein gesellschaftspolitischer Kernsachverhalt, der eine enorme dialektisch-dynamische Bedeutung für die absehbare innenpolitische Zukunft besitzt. Vor allem die veralteten ideologischen Denkmustern verhaftete Pseudo-Linke, die außer einem vulgären Umverteilungspopulismus nichts mehr anzubieten hat, dürfte an der Fehleinschätzung dieses Kernthemas zugrunde gehen.

Verschlafen hat diese poststalinistische Pseudo-Linke insbesondere folgende interessenpolitische Metamorphose der herrschenden Klasse: Indem das Kapital sich zunehmend globalisiert hat, ist es postmodern geworden. Das bedeutet zum einen, dass es sich nichtwestlichen Herrschaftskulturen gegenüber öffnet und mit diesen strategische Allianzen auf ökonomischem, militärischem. politischem etc. Gebiet eingeht. (Panzerlieferungen an Saudi-Arabien; Überwachungstechnik an den iranischen Gottesstaat.) Dazu gehört natürlich auch ein ausgeprägter soziokultureller Verharmlosungsdiskurs bzgl. des antiemanzipatorischen Charakters dieser neuen Bündnispartner. Zum anderen verhält es sich damit praktisch zunehmend nihilistisch gegenüber den Grundinhalten der eigenen, westlich „gewachsenen“, antifeudalen/antimittelalterlichen Leitkultur und bürdet den einheimischen Bevölkerungen die sozialen Folgekosten dieser neuen globalen Herrschaftsstrategie in Gestalt von Zuwanderungsghettos, Parallelgesellschaften, Sozialdemontage, höheren Abgabelasten etc. auf. Dabei nutzt die postmoderne Elite das klassische Rechts-Links-Schema, um Verwirrung zu stiften und praktisch-kritische Widerstandsimpulse zu ersticken. Wer sich der neuen kapitalistischen Verbündungsstrategie mit nichtwestlich-despotischen Herrschaftsträgern und deren religiösen „Leitkulturen“ widersetzt und den wachsenden Migrationsimport zusätzlicher reaktionärer Denk- und Verhaltensweisen kritisiert, wird als „rassistisch“, „fremdenfeindlich“, „islamophob“ etc. gebrandmarkt. Wer demgegenüber als willfähriger Handlanger und Schönredner eingewanderter Repressionskulturen und deren totalitären Ideologien fungiert, gilt – in moralischer Ausbeutung eines noch nachwirkenden naiv-unkritischen Internationalismusideologie – als „fortschrittlich“, „aufgeschlossen“ und „tolerant“.

Als die Grauen Wölfe, die zunehmend auch SPD und CDU unterwandern[18] und dabei deren Naivität und Uninformiertheit ausnutzen, am 19. November 2011 eine Großveranstaltung in der Essener Gruga-Halle durchführten und dabei auf keinerlei nennenswerten „antifaschistische“ Protest stießen, war das selbst einer Diskutantin der Internetplattform Indymedia zuviel, deren Kommentar hier abschließend in voller Länge als seltenes Fundstück zitiert werden soll:

„Tja, also… was kann man dazu noch sagen? Ein absoluter Totalausfall. Und ein Skandal, der erst mal aufgearbeitet werden muss: 6.000 Faschos treffen sich zum mit Abstand größten Nazi-Event des Jahres in Essen – und keine Sau interessiert´s!

Und warum? Jetzt wird’s spannend: Es sind „türkische“ Nazis! Es ist nicht mehr zu leugnen: Die deutsche Antifa-Szene hat ein ernsthaftes und massives Rassismus-Problem. Die bloße Tatsache, dass es sich bei den Nazis nicht um „Bio-Deutsche“ handelt, sondern dass diese türkischer Herkunft sind, macht natürlich – objektiv betrachtet – deren Ideologie kein bisschen weniger gefährlich, faschistisch oder mörderisch. In den Augen der allermeisten Antifas jedoch durchaus!

Offenbar gehen 99,99% der Antifas also mit einer rassistischen Brille und völkischen Sichtweise an die Nazi-Problematik in Deutschland heran: Treffen sich irgendwo auch nur 15 Nazis „deutscher Herkunft“, setzt dies sofort die Kampagnenmaschinerie der örtlichen Antifa in Gang: Flugblätter, Internetseiten, Plakate, ellenlange Aufruftexte etc. Das volle Programm. Gut möglich, dass am Ende hunderte Leute dafür sorgen, dass die 15 Deutsch-Nationalen keinen Millimeter weit laufen können, und man sie nicht mal husten hört. Ist ja auch gut so.

Was aber absolut NICHT gut ist und einfach mal GAR NICHT geht, ist, dass tausende von Faschos sich völlig unbehelligt versammeln können, und der einzige Grund dafür ist, dass sie durch eine rassistisch-völkische Brille als „Türken“ betrachtet werden – und daher (allein dank völkischer Abstammung!) rassistische Privilegien und Sonderrechte genießen.

Das ist die Logik des rassistischen Blut-und-Boden- und Abstammungsprinzips – als Teil antifaschistischer Arbeit!

Und das ist nicht nur bedrückend, das ist auch extrem ätzend. Denn das heißt nichts anderes, als dass die meisten Antifas in ihrem Welt- und Feindbild genau so nach rassistischen Kriterien selektieren wie der Staat und die Polizei… jede rassistische Personenkontrolle und jede Abschiebung eines Menschen ‚nicht-deutscher Herkunft’ findet auf Grundlage GENAU DESSELBEN DENKENS statt.“[19]

 

Literatur:

Autorenkollektiv: Determinanten der westdeutschen Restauration 1945-1949. Frankfurt am Main 1972.

Behrend, Manfred: Ursachen für die Entstehung und Auftrieb des Rechtsextremismus im Anschlussgebiet. In: Verein zur Förderung einer Rosa-Luxemburg-Stiftung, Mitteilungen 4, Leipzig 1991, S. 11-19.

Bundesministerium des Innern (Hrsg.): Muslime in Deutschland. Integration, Integrationsbarrieren, Religion und Einstellungen zu Demokratie, Rechtsstaat und politisch-religiös motivierter Gewalt. Ergebnisse von Befragungen einer multizentrischen Studie in städtischen Lebensräumen. Autoren: Katrin Brettfeld und Peter Wetzels unter Mitarbeit von Ramzan Inci, Sarah Dürr, Jan Kolberg, Malte Kröger, Michael Wehsack, Tobias Block und Bora Üstünel. Hamburg, Juli 2007.

Friedrich, Thomas: „Welch eine Kraft es gab, als Stalin sprach“. Personenkult und SED. Mainz 1992.

Hobsbawm, Eric: Das Zeitalter der Extreme. Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts. München Wien 1995.

Kühnl, Reinhard: Die Auseinandersetzung mit dem Faschismus in BRD und DDR. In: Autorenkollektiv: BRD-DDR. Vergleich der Gesellschaftssysteme, Köln 1971, S. 248-271.

Niehoff, Thomas; Röpke, Andrea: „Der gelenkte Mob“. In: Röpke, Andrea; Speit, Andreas (Hg.): Neonazis in Nadelstreifen. Die NPD auf dem Weg in die Mitte der Gesellschaft. Berlin 2008, S. 178-199.

Petzold, Joachim: Konservative Theoretiker des deutschen Faschismus. Jungkonservative Ideologen in der Weimare Republik als geistige Wegbereiter der faschistischen Diktatur. 2., überarbeitete und ergänzte Auflage. Berlin 1982.

Röpke, Andrea; Speit, Andreas (Hg.): Neonazis in Nadelstreifen. Die NPD auf dem Weg in die Mitte der Gesellschaft. Berlin 2008.

Schubarth, Wilfried: Rechtsextremismus und Ausländerfeindlichkeit unter Jugendlichen in den neuen Bundesländern. In: Verein zur Förderung einer Rosa-Luxemburg-Stiftung, Mitteilungen 4, Leipzig 1991, S. 20-31.

Siegler, Bernd: Auferstanden aus Ruinen … Rechtsextremismus in der DDR. Berlin 1991.

Januar 2012

Anmerkungen

[1] Die Behauptung, man habe Nazi-Fachkräfte in ihren Funktionen belassen müssen, weil sie angeblich „unentbehrlich“ wären, widersprach eindeutig dem ursprünglichen Entnazifizierungsprogramm. So hieß es in der „Direktive an den Oberkommandierenden der Okkupationstruppen der Vereinigten Staaten hinsichtlich der Militärregierung für Deutschland (Direktive JCS 1067) vom April 1945, veröffentlicht am 17. Oktober 1945“: „Keiner dieser Personen (aktive Mitglieder und Unterstützer der Nazipartei, H. K.) darf in irgendeiner der oben angeführten Beschäftigungsarten (öffentliche Ämter und wichtige Stellungen in halbamtlichen und privaten Unternehmungen, H. K.) aus Gründen der verwaltungstechnischen Notwendigkeit, Bequemlichkeit oder der Zweckdienlichkeit beibehalten werden“ (Autorenkollektiv 1972, S. 286f.).

[2] „Noch 1960, als die meisten Westdeutschen (verständlicherweise) der Meinung waren, daß die deutsche Geschichte noch nie eine so gute Zeit erlebt hatte wie jetzt, glaubten noch immer 42 Prozent der über Sechzigjährigen, daß die Zeiten vor 1914 besser gewesen seien als die Gegenwart, im Gegensatz zu 32 Prozent, die vom Wirtschaftswunder eines Besseren belehrt worden waren“ (Hobsbawm 1995, S. 160).

[3] Unter dem Titel „Ungesühnte Nazi-Justiz“ hatten bereits 1960 Westberliner Studenten zahlreiche Fälle von Unrechtsprozessen unter dem NS-Regime öffentlich dokumentiert und bei jedem Fall vermerkt, wo die beteiligten Juristen nach 1945 wieder ihre Funktion ausübten. „Die Politik reagierte windelweich. Mit Paragraph 116 des Deutschen Richtergesetzes vom 8. September 1961 wurde Richtern die Möglichkeit gegeben, sich freiwillig unter vollen Bezügen in den Ruhestand versetzen zu lassen. Denjenigen, die an unverantwortlichen Todesurteilen mitgewirkt hatten, aber diese Möglichkeit nicht bis Juni 1962 nutzten, drohte der Bundestag mit Amtsverlust. Dazu wäre allerdings eine Grundgesetzänderung nötig gewesen.
Insgesamt 149 Richter und Staatsanwälte ließen sich nach Paragraph 116 vorzeitig pensionieren.
Kein einziger Richter ist in der Bundesrepublik wegen im ‚Dritten Reich’ begangener Justizverbrechen rechtskräftig verurteilt worden.“
http://einestages.spiegel.de/static/topicalbumbackground/6211/studenten_gegen_nazi_richter.html

[4] http://de.wikipedia.org/wiki/Theodor_Maunz

[5] Otto Köhler: Stumpf gegen rechts? http://www.freitag.de/2005/05/05050301.php

[6] Otto Köhler: Stumpf gegen rechts? http://www.freitag.de/2005/05/05050301.php

[7] Eine solche Interpretation steht in deutlichem Gegensatz zur Stellungnahme der Bundesregierung anlässlich ihres Antrags auf Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen von 1970, in der sie die wirkliche Tragweite des Art. 139 GG darlegt: „Das ausdrückliche Verbot von neonazistischen Organisationen und die Tatsache, daß man nazistischen Tendenzen vorbeugt, folgern gleichermaßen aus dem Grundgesetz, und zwar in der Richtung, daß die von den Alliierten und deutschen Behörden zur Befreiung des deutschen Volkes vom Nationalsozialismus und Militarismus in Kraft gesetzte Gesetzgebung auch weiterhin in Kraft ist.“
(Zit. n.: Lars Winkler: Wo kein Wille ist, ist auch kein Weg.http://webcache.googleusercontent.com/search?hl=de&gbv=2&gs_sm=e&gs_upl=4109l29484l0l30312l37l37l0l22l5l0l329l3485l0.4.9.2l15l0&q=cache:1tQTpy–x6wJ:http://akj.rewi.hu-berlin.de/zeitung/05-1/139.htm+Der+deutsche+Staat+und+GG+Artikel+139&ct=clnk)

[8] Lars Winkler: Wo kein Wille ist, ist auch kein Weg. http://webcache.googleusercontent.com/search?hl=de&gbv=2&gs_sm=e&gs_upl=4109l29484l0l30312l37l37l0l22l5l0l329l3485l0.4.9.2l15l0&q=cache:1tQTpy–x6wJ:http://akj.rewi.hu-berlin.de/zeitung/05-1/139.htm+Der+deutsche+Staat+und+GG+Artikel+139&ct=clnk

[9] Schon für die inhaltliche Ausgestaltung der Naziideologie war der deutsche „Jungkonservatismus“ von herausragender Bedeutung gewesen, d. h. jener Konservatismus, der sich in Anbetracht der zwischenimperialistischen Widerspruchskonstellation nach dem 1. Weltkrieg als erneuerter Konservatismus im Unterschied zum vorkriegsfixierten monarchistischen Konservatismus alter Prägung herausgebildet hatte. So findet die nazistische Sozialismus-Demagogie in Eduard Stadtlers „Deutschem Sozialismus“ und Oswald Spenglers „Preußischem Sozialismus“ ihre geistige Quelle und Vorbahnungen; Arthur Moeller van den Bruck vermittelt mit seinem Buch „Das Dritte Reich“ den Nazis nicht nur einen propagandistischen Schlüsselbegriff, sondern ‚beliefert‘ sie darüber hinaus mit einer Reihe weiterer ideologischer Kernelemente (aggressiv-expansiver Nationalismus, Antiliberalismus, Vermischung von Antimarxismus und Antisemitismus etc.); Ernst Jünger, Max Hildebert Boehm, Egar Julius Jung u. a. stellen mit ihrer Ästhetisierung des Kriegserlebnisses, der Beschwörung des ‚Frontkämpergeistes‘ und der Idealisierung des Opfertodes im Kriege geistiges Rüstzeug für die nazistische Heranzüchtung des deutschen Herrenmenschen zur Verfügung. In seiner differenzierten und instruktiven Studie über „Konservative Theoretiker des deutschen Faschismus“ hat Joachim Petzold (1982, S. 124) das Verhältnis zwischen ‚substanztheoretischem“ Jungkonservatismus und popular-demagogischer Nazibewegung folgendermaßen umrissen: Die Jungkonservativen „schufen das theoretische Fundament, von dem aus das Ziel und die Grenzen faschistischer Demagogie bestimmt werden konnten. Vereinfacht könnte man sagen: Hitler und seine Anhänger fanden die demagogische Form, die auf beträchtliche Volksteile, insbesondere das Kleinbürgertum und die Bauernschaft, anziehend wirkte. Moeller van den Bruck und sein Kreis bestimmten die reale Substanz dieser Demagogie, indem sie mit letzter Konsequenz den Chauvinismus zum Dreh- und Angelpunkt faschistischer Ideologie entwickelten und die sozialen Konsequenzen davon ableiteten.“

[10] Dabei war/ist der „Rechtsterrorismus“ erheblich opferreicher und multipler, weist eine viel längere Wirkungsdauer auf und ist überdies bewegungspolitisch effektiver vernetzt, organisatorisch eingebettet und logistisch unterstützt als der RAF-Terrorismus.

[11] Die SMAD amtierte von Juni 1945 bis zur Übergabe der Verwaltungshoheit an die Regierung der DDR im November 1949.

[12] Liberal-Demokratische Partei Deutschland

[13] http://lisa.mmz.uni-duesseldorf.de/~histsem/jugendkultur/index1/Entnazifizierung_DDR%20DDR.htm

[14] „Die Werte der Rechtsextremisten Disziplin, Ordnung, Sauberkeit waren auch die Werte des DDR-Sozialismus. Die Neonazis brachten zwar das Ansehen des Staates in Gefahr, deswegen musste verschleiert werden, durfte nichts nach außen dringen, im Innersten störten sie nicht allzu sehr.Im Gegenteil. Sie waren sogar der Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung – erste Bürgerpflicht im SED-Staat – außerordentlich dienlich“ (Siegler 1991, S. 77).

[15] Zur funktionsteiligen Verbindung von ideologischen Scharfmachern und Gewalttätern innerhalb der NPD vgl. Röpke/Speit 2008.

[16] Die Grauen Wölfe in Deutschland treten unter dem harmlos klingenden Namen „Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland“ auf. Türkische Mutterorganisation ist die „Partei der Nationalistischen Bewegung“ (MHP).

[17] Presseinformation der INFO GmbH Liljeberg Research International. http://www.infogmbh.de/aktuell/Pressemitteilung-fuer-pressekonferenz4.pdf

[18] Ansteigendes Wolfsgeheul. Union und SPD werben um Migranten. Sie laufen dabei Gefahr, türkische Ultra-Nationalisten salonfähig zu machen. Oft wird das Thema erst angesprochen, wenn es knallt
http://www.freitag.de/politik/1133-ansteigendes-wolfsgeheul

[19] http://de.indymedia.org/2011/11/320435.shtml

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